Wettskandal:Der Fußball fühlt sich von der Justiz benutzt

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Etliche Fußball-Manager kritisieren die Bochumer Staatsanwaltschaft. Hat sie bei ihrer Aktion gegen die Wettpaten und deren Mitspieler überzogen?

Der Wettskandal setzt den Verantwortlichen in Fußballklubs und Verbänden zu. Jetzt wehren sie sich gegen die Justiz.

Fußballtor auf einem überfluteten Sportplatz in Beese (Brandenburg): Der deutsche und europaeische Fußball werden von einem Wettskandal erschuettert. (Foto: Foto: ddp)

So hat der Fußball-Ligaverband heftige Kritik an der Informationspolitik der Staatsanwaltschaft Bochum im Zusammenhang mit dem europäischen Wettskandal geübt. "Ich hätte es gut gefunden, wenn verantwortliche Leute, die nicht im Verdacht stehen, Informationen an die Öffentlichkeit zu tragen, eingeweiht worden wären. Ich werde versuchen, Anfang der Woche begrenzte Einsicht in die Akten zu bekommen, um zu sehen, welche Spiele und Spieler eine Rolle spielen", sagte Ligaverbands-Boss Reinhard Rauball im Aktuellen Sportstudio des ZDF.

Ligaverbands-Vize Harald Strutz ergänzte mit harschen Worten im DSF: "Der Fußball kann nicht einfach benutzt werden. Man kann nicht an die Öffentlichkeit gehen, ohne vorher die Verantwortlichen zu informieren."

Justiz macht Skandal öffentlich

Die Pressekonferenz der Staatsanwaltschaft Bochum am Freitag hatten die Verantwortlichen bei der Deutschen Fußball Liga (DFL) und beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) nur im Fernsehen verfolgt. Geladen von den Ermittlungsbehörden war nur Peter Limacher, Chef der Disziplinarkommission der Europäischen Fußball-Union (Uefa).

Die Justiz hatte bei diesem Termin den größten Wett- und Manipulationsskandal in der Geschichte des europäischen Fußballs öffentlich gemacht. In Deutschland sollen mindestens 32 Spiele von der zweiten Bundesliga bis in den Juniorenbereich manipuliert worden sein. In sechs europäischen Ländern sind Erstligaspiele betroffen, zudem sollen zwölf Partien der Europa League sowie drei Champions-League-Spiele verschoben worden sein. Insgesamt stehen mehr als 200 Spiele in neun Ländern unter Manipulationsverdacht.

Zudem untersucht der DFB offenbar einen Manipulationsversuch im Vorfeld des Regionalligaspiels zwischen dem Goslarer SC und dem SV Wilhelmshaven. "Der DFB hat uns angesprochen", bestätigte am Sonntag Jörg Schwarz, Pressesprecher des SV Wilhelmshaven. Nach seinen Angaben ist der SVW informiert worden, "über den Versuch einer dritten Person, die Partie durch Bestechung des Goslarer Torhüters sowie eines weiteren Feldspielers zu manipulieren". In beiderseitigem Einvernehmen sollte diese Angelegenheit zunächst vertraulich behandelt werden.

Ein Mann soll Goslars Torwart Lars Möhlenbrock am Mittwochabend angesprochen und insgesamt 1500 Euro geboten haben. "Er hat mich mit Lars angesprochen und gefragt, ob ich schnell etwas Geld verdienen will", wird der Tormann in der Goslarschen Zeitung zitiert. "Ich habe ihm gesagt, er soll abhauen." Möhlenbrock informierte den Trainer. Die Polizei und der DFB wurden eingeschaltet. Die Partie fand am Sonntag statt, sie endete 2:2 (1:1).

DFB-Präsident Theo Zwanziger, Mitglied im Exekutivkomitee der Uefa, wollte im Gegensatz zur Liga mit den Ermittlungsbehörden nicht so hart ins Gericht gehen. "Ich bin sicher, dass die internationale Dimension den Anlass gab, mit der Uefa zusammenzuarbeiten. Wir werden sicherlich auch in angemessener Zeit über die deutschen Fälle informiert werden. Und dann werden wir diese Fälle bewerten und die Vorsorgemaßnahmen, die es zu verbessern gilt, treffen", sagte er im Interview der ARD-Sportschau.

Der Ausmaß des Wettskandals erschüttert die Bundesliga, auch wenn das deutsche Fußball-Oberhaus nicht direkt betroffen ist. Sollten sich die Vorwürfe als wahr herausstellen, so Rauball, "wird der Fußball gigantisch belastet. Jedes Spiel, das manipuliert wird, ist eines zuviel!"

"Das Schlimmste sind die Zweifel"

Heribert Bruchhagen, Vorstandsmitglied der DFL, kann sich trotzdem nicht vorstellen, dass ein Bundesligaspiel manipuliert wird. "Ich halte es für ausgeschlossen, dass ein Spiel in der ersten Liga manipulierbar ist; nicht einmal ein einzelner Spieler. Denn diejenigen, die auf dem Platze stehen, sind alle sehr gut bezahlt und sind auch geschützt in ihrer persönlichen Umgebung", sagte Buchhagen.

Bernd Schuster, Europameister von 1980 und Ex-Trainer von Real Madrid, sieht einen beträchtlichen Imageschaden. "Das Schlimmste sind die Zweifel, die jetzt aufkommen, gegenüber Schiedsrichtern und Spielern. Ich hoffe, und das ist jetzt angesagt, dass jetzt richtig aufgeklärt wird. Ich denke, dass man jetzt Zeichen setzen muss und hart durchgreift - man muss die beteiligten Leute aus dem Verkehr ziehen", sagte er bei Liga total.

Hoffenheims Trainer Ralf Rangnick ergänzte: "Der Sport ist ein Spiegelbild der Gesellschaft. Überall, wo Geld im Spiel ist, existieren solche Sachen. Da helfen nur drastische Maßnahmen."

Pause für Schuon

Weil er ins Visier der Ermittler im Fußball-Wettskandal geraten ist, hat Drittligist SV Sandhausen am Wochenende seinen Verteidiger Marcel Schuon eine Pause verordnet. Zugleich übte SV-Manager Tobias Gebert scharfe Kritik an Medien und Öffentlichkeit. "Das mediale Kesseltreiben, das seit Freitagabend stattfindet, ist keinem Spieler zuzumuten", sagte er am Samstag nach dem 2:2 der Badener gegen Werder Bremen II. "Nach Rücksprache mit einem Anwalt haben wir entschieden, Marcel Schuon nicht aufzubieten."

Gebert hatte am Freitagabend bestätigt, dass gegen den 24-Jährigen, der vergangene Saison noch für den VfL Osnabrück spielte, ermittelt wird. Auch eine Hausdurchsuchung habe es gegeben. "Aber es wurde kein Haftbefehl erlassen. Er hat uns versichert, dass er nichts gemacht hat. Ich denke, in Deutschland gilt die Unschuldsvermutung", erklärte Gebert. Für den Verein gebe es "Stand heute keinen Grund, an Schuons Unschuld zu zweifeln". Zudem betonte der Manager: "Es geht hier nicht um den SV Sandhausen. Es geht um eine Geschichte, die sich vergangene Saison in Osnabrück ereignet hat."

Da hatte Schuon noch beim damaligen Zweitligisten VfL Osnabrück gespielt. Nach Informationen der Neuen Osnabrücker Zeitung soll es bei zwei VfL-Auswärtspartien in der Saison 2008/09 zu Manipulationen gekommen sein. Dabei soll es sich um die Spiele beim FC Augsburg (0:3) am 17. April 2009 und beim 1. FC Nürnberg (0:2) am 13. Mai 2009 handeln. Die Staatsanwaltschaft Bochum hatte am Freitag auf einer Pressekonferenz keine genauen Angaben über betroffene Spiele, Vereine und Personen gemacht.

© sueddeutsche.de/dpa/SID/jja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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