Wettmanipulation:Betrugsvorwürfe im Tennis: Warum werden keine Namen genannt?

Tennis Australian Open 2016

Die Betrugsvorwürfe werfen kein gutes Licht auf die derzeit laufenden Australian Open.

(Foto: dpa)

16 Topspieler sollen in den vergangenen zehn Jahren Tennisspiele manipuliert haben. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Martin Schneider und Alexander Mühlbach

Was ist der Kern der Vorwürfe?

16 Tennis-Profis aus den Top 50 der Welt sollen in den vergangenen zehn Jahren in Spielabsprachen zur Wettmanipulation verwickelt gewesen sein. Darunter der Sieger eines Grand-Slam-Turniers. Auch beim Klassiker in Wimbledon sollen mindestens drei Partien manipuliert worden sein. Diese Informationen basieren auf geheimen Dokumenten, die der britische Sender BBC und die US-amerikanische Plattform Buzzfeed am späten Sonntagabend veröffentlichten. Die Dokumente sollen von Whistleblowern aus dem Tennis kommen, die aber anonym bleiben wollen. Vor allem in Russland und Italien sollen sich Wettbanden gebildet haben. Interne Ermittler der sogenannten "Tennis Integrity Unit" (TIU) hätten dies aufgedeckt. Die Spieler nahmen dennoch weiterhin an Turnieren teil.

Welche Spieler sind betroffen?

BBC und Buzzfeed schreiben, dass ihnen die Namen der Spieler bekannt seien. Allerdings hätten sie sich gegen eine Veröffentlichung entschieden, denn ohne weitere Beweise, wie zum Beispiel Computer- und Handydaten oder Bankbelege ließe sich nicht hundertprozentig sagen, ob ein Spieler aktiv in Absprachen verwickelt war, oder nur an einem verdächtigen Match teilgenommen hat. Die TIU hingegen könne die erforderlichen Beweise beschaffen. Alle im aktuellen Fall verdächtigen Spieler sollen weitergespielt haben. Der Bericht geht auch nicht genauer darauf ein, ob mit "Grand-Slam-Sieger" ein Spieler im Einzel gemeint ist (da gibt es bei den Herren in den vergangenen zehn Jahren nur sieben verschiedene Gewinner) oder ob auch Doppel-Spieler in Frage kommen. Es gibt Spekulationen, dass einige der beschuldigten Aktiven auch bei den diesjährigen Australian Open am Start sind. Laut Reglement dürfen im Tennis weder Spieler noch Trainer wetten.

Was sagt der Tennis-Verband?

ATP-Präsident Chris Kermode dementierte am Montag in einer spontanen Pressekonferenz die Vorwurfe. "Ich weise die Beschuldigungen zurück, dass wir irgendwelche Dinge zurückhalten oder nicht gründlich untersuchen. Wir sind wachsam", sagte der Brite und forderte: "Wir brauchen Beweise." Kermode wollte allerdings nicht abstreiten, dass es wohl auch im Tennis zu Manipulationen komme und diese schwer nachzuweisen seien. "Wir sind uns bewusst, dass es wie in anderen Sportarten auch im Tennis diesbezügliche Risiken gibt. Aber die Verschiebungen bewegen sich auf einem unglaublich niedrigen Niveau", sagte Kermode.

Was sagen die Spieler?

Novak Djokovic: "Ich glaube nicht, dass das einen Schatten auf unseren Sport wirft. Es gibt bislang keine klaren Beweise. Es gab immer wieder Gerüchte, dass bestimmte Leute solche Angebote machen. Aber die letzten sechs, sieben Jahre habe ich nichts mehr über solche Vorfälle gehört. 2007 wurden uns bei einem Turnier in St. Petersburg 200 000 Dollar angeboten, damit wir verlieren. Natürlich sind wir nicht darauf eingegangen."

Philipp Kohlschreiber: "Wettbetrug gibt es leider Gottes in jeder Sportart. Man darf aber jetzt nicht alle Spieler und die Tour schlechtmachen. Man arbeitet positiv dagegen, es gibt für uns Spieler viele neue Regeln."

Andrea Petkovic: "Nur höhere Preisgelder bei kleineren Events könnten das Problem eindämmen. Es wundert mich, dass offenbar auch Top-Spieler betroffen sein sollen."

Es gibt schon lange schwere Vorwürfe - auch gegen deutsche Spieler

Was ist die "Tennis Integrity Unit" ?

Eine Anti-Korruptions-Agentur, die 2008 eingerichtet wurde. Initiatoren waren der Weltverband ITF, die Herren-Organisation ATP, die Damen-Vereinigung WTA und die vier Grand-Slam-Turniere. Die Gründung war eine Reaktion auf Gerüchte und Verdachtsmomente über und für Wettmanipulationen im Tennissport. Die Aufgaben sind die Untersuchung und Beobachtung von möglichen Manipulationen. Seit 2010 habe die TIU 18 Verfahren erfolgreich abgeschlossen, fünf Spieler und ein Offizieller seien lebenslang gesperrt worden, erklärten die Verantwortlichen am Montag. Unter anderem wurde 2013 der spanische Profi Guillermo Olaso für fünf Jahre suspendiert, zwei Jahre zuvor erhielt der Österreicher Daniel Köllerer sogar eine lebenslange Sperre.

Was kann die TIU gegen Wettmanipulation tun?

Die Einheit hat weitreichende Möglichkeiten, Ermittlungen einzuleiten. Unter anderem müssen es die Profis der "Tennis Integrity Unit" sofort melden, wenn sie von verdächtigen Personen angesprochen und mit zwielichtigen Angeboten konfrontiert werden. Bei konkreten Verdachtsfällen kann die TIU die Prüfung von Smartphones, Computern und Laptops der Profis fordern. Weigern sich die Spieler, droht ihnen wegen "Nicht-Kooperation" eine Strafe von bis zu zwei Jahren.

Gab es solche Vorwürfe schon in der Vergangenheit?

Schon im Oktober 2003 stellte die Frankfurter Allgemeine Zeitung die Frage, ob Tennisprofis von manipulierten Wetten profitieren. Damals wurde darüber spekuliert, dass der russische Olympiasieger von Sydney, Jewgeni Kafelnikow, absichtlich Spiele verlor, auf die er selbst gewettet hatte. Die ATP-Tour untersuchte zu diesem Zeitpunkt mehrere Fälle, bei denen Spieler, von denen keiner zu den hundert besten der Welt zählt, ebenfalls in dubiose Wetten verstrickt waren. Auch der ehemalige ATP-Weltmeister Nikolai Dawidenko (Russland) war in seiner Karriere immer wieder beschuldigt worden, absichtlich aufgegeben zu haben. Beweise gab es allerdings nie.

Im Jahr 2007 tauchte eine Liste eines anonymen Wettanbieters auf, der behauptete, dass 140 Spiele im Zeitraum von Juli 2002 bis September 2007 manipuliert wurden. Die Welt am Sonntag berichtete, dass darunter auch zwei Spiele von Philipp Kohlschreiber seien. Die Zeitung berief sich hierbei auf einen "Buchmacher und intimen Kenner der Tennisszene." Dieser behauptete: "Etwa 30 Profis gehören zum harten Kern der Wettmafia. Es sind immer dieselben, die zocken. Die meisten kommen aus Russland, Italien und Argentinien. Aber auch deutsche Spieler gehören dazu, Philipp Kohlschreiber ist der Schlimmste von ihnen."

Kohlschreiber bestritt die Anschuldigungen daraufhin vehement. Niemals sei er wegen möglicher Spielmanipulation angesprochen worden: "Das ginge auch mit mir nicht. Ich bin Sportler und will jedes Match gewinnen." Nach seiner Niederlage gegen den Japaner Kei Nishikori wiederholte der Augsburger seine Aussage. "Ich will damit auf keinen Fall in Verbindung gebracht werden", sagte er.

Nachdem die Liste 2007 publik wurde, sagte der Chef der ATP-Tour, Etienne de Villiers, dass Wettmanipulation im Tennis eine größere Seuche als Doping sei und den Sport "killen" könnte.

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