Wetter bei Olympia:Kopfschmerzen vom Eiswind

Pyeongchang 2018 - Ski Alpin

Helfer präparieren bei widrigen Witterungsbedingungen die Strecke - solche Bilder gab es zuhauf bei Olympia.

(Foto: dpa)
  • Das Wetter erschwert bei den Spielen in Pyeongchang in vielen Sportarten einen fairen Wettbewerb - es ist zu kalt und zu windig.
  • Bei einer Evaluierung über die klimatischen Bedingungen kam im Vorfeld der Spiele heraus, dass es keine Probleme geben sollte.
  • Dabei gilt die Region um Pyeongchang durchaus als windig.

Von Johannes Knuth, Pyeongchang

Die Frauen im Block links außen ließen sich nicht beirren, auch nicht von den Böen, die ihnen seit einer Weile ins Gesicht bliesen. Sie lächelten, sangen, zogen blutrot-blaue Fahnen durch den Wind, bei ihnen ging das alles synchron. Nordkoreas Showgruppe, die seit Tagen im Auftrag des Diktators Kim Jong-un ihre bizarr-perfekten Choreografien in den Arenen aufführt, hatte am Mittwoch eine Abordnung zum Slalom der Frauen entsandt.

Rund eine Stunde später, der Wind hatte den Start immer tiefer in die Mittagsstunden geschoben, reckten sie nur noch ihre Fahnen in den Wind, alle im selben Winkel, auch die Fahnen flatterten synchron. Noch etwas später, es wurde immer windiger, gönnte sich die Abordnung eine längere Schaffenspause; ihr Block war längst von Schaulustigen umgeben. Der Gesang kam nur noch aus den Lautsprecherboxen, dort wurde eine etwas gemütlichere Welt besungen: "When I met you in the summer ..."

Eine gute Nachricht dieser Winterspiele in Pyeongchang ist ja diese: Die Wettervorhersagen sind sehr akkurat. Das Problem ist: Das darin vorhergesagte Wetter war bislang schlecht, zumindest für Wintersport im Freien. Erst war es kalt, dann windete es, dann windete ein Eiswind, der vielen Athleten aufs Gemüt schlug oder auf die Knochen. Die Kälte hatte am Mittwoch nachgelassen, dafür war der Wind zurück.

"Es ist so schlecht gekommen, wie es vorhergesagt war", sagte Atle Skaardal, der Renndirektor beim Ski-Weltverband Fis, nachdem er den Slalom abgesagt hatte. Aber er bleibe zuversichtlich. Was man halt so sagt, wenn man von vier alpinen Rennen in vier Tagen eines durchgekriegt hat. Das Biathlon-Einzel der Frauen fiel ebenfalls aus und wurde auf den Donnerstag vertagt. Ach ja, im Olympiapark im Küstenort Gangneung stellten sie den Betrieb im Freien ein, wegen Sturmböen.

Den Alpinen beschert der Wind nun ereignisreiche Tage vor dem zweiten olympischen Wochenende - und weiter zarte Kopfschmerzen. In der Nacht zum Donnerstag mitteleuropäischer Zeit standen der verschobene Riesenslalom der Frauen und die Abfahrt der Männer im Programm, mit besseren Wetterprognosen und den größten deutschen Hoffnungen: Viktoria Rebensburg und den Speed-Spezialisten um Thomas Dreßen. Am Freitag sollen der Super-G der Männer und der Slalom der Frauen stattfinden.

Das ist praktisch für den Fernsehzuschauer; es ist auch kein Problem für die Teams, die im Weltcup ohnehin mit eigenen Trainingscrews im Einsatz sind, meist am selben Tag. Nicht so gut ist es für die Nerven der Organisatoren. Die Männer hatten ihren Super-G eigentlich am Donnerstag (statt Freitag) fahren sollen, sie müssen nach ihrem verlängerten Aufenthalt sofort aus dem einzigen Hotel am Abfahrtsberg ziehen. Die Frauen sollen dort schon am Samstag ihren Super-G bestreiten. "Man kann sich vorstellen, dass die Organisation der Spiele äußerst daran interessiert ist, dass man keine Verschiebungen und Absagen hat", sagte der deutsche Alpindirektor Wolfgang Maier.

Die Nordischen Kombinierer bekamen das am Mittwoch eindrückklich zu spüren. Sie mussten zum Wettkampf von der Normalschanze anrücken - in genau jenem Wettkampfpark, den die Biathlon-Jury fast zeitgleich als zu windig klassifiziert hatte. Hermann Weinbuch, Bundestrainer der Nordischen Kombinierer, war mäßig begeistert, bei Windböen bis zu sieben Metern pro Sekunde. "Gefährlich war es nicht, aber es war halt Lotterie", sagte er: "Letztlich hat der Wind entschieden, wer die Möglichkeit hat, eine Medaille zu gewinnen oder nicht." Weinbuchs Athlet Eric Frenzel zog dabei immerhin den Hauptgewinn.

Lea Kühnel, Ski-Freestylerin aus Bremerhaven und qua Herkunft mit ordentlichen Böen vertraut, sagte nach ihrem ersten Trainingslauf: "Die nächsten Tage sollte man sich eher wieder auf den vollen Wind einstellen." Am vergangenen Montag hatte die Jury die Snowboarder unter unzumutbaren Bedingungen in den Slopestyle-Wettkampf gehetzt, die Deutsche Silvia Mittermüller zog sich bei dieser Gelegenheit einen Meniskusriss zu. Und jetzt?

Hartnäckige Windböen

Bei Olympischen Spielen tritt jeden Tag der Sprecher des Organisationskomitees vor die Reporter, er verkündet dann, dass auch unbesetzte Stadien nahezu ausgelastet sein können und solche Sachen; dieser olympische Weichspülgang hat mittlerweile Tradition. In Pyeongchang fällt diese Aufgabe einem freundlichen Herrn namens Sung Baik-you zu. Wobei Herr Sung bisweilen von einer erfrischenden Nüchternheit erfasst wird. Als ein Reporter ihn in dieser Woche nach den hartnäckigen Windböen fragte, sagte Sung laut Übersetzer: Im Winter gebe es hier häufig Wind. Was freilich die These stützen würde, dass die Turbulenzen der vergangenen Tage durchaus absehbar waren.

Das Internationale Olympische Komitee teilte auf Anfrage mit, man habe die meteorologischen Eigenheiten aller Bewerber für die Winterspiele 2018 sorgfältig geprüft. Für Pyeongchang notierte eine Arbeitsgruppe zunächst: "Leichter bis moderater Wind und kaltes, trockenes Wetter." Die Evaluierungskommission befand: Die durchschnittlichen Wetterbedingungen an den geplanten Orten zum Zeitpunkt der Spiele seien "befriedigend". Außerdem habe das Organisationskomitee dem IOC versichert, dass die Test-Events in den vergangenen zwei Jahren zufriedenstellend verliefen und die derzeitigen Bedingungen "außergewöhnlich" seien. Aber hatte der freundliche Herr Sung nicht von einer Region gesprochen, in der es häufig windet?

Auch wenn man in die Fachliteratur blickt, schneidet Pyeongchang irgendwie anders ab, als es die olympischen Arbeitsgruppen erhoben haben. Die Aufzeichnungen attestieren der koreanischen Halbinsel sowie den Bergen rund um Pyeongchang hohe Durchschnittsgeschwindigkeiten beim Wind. Eine Studie des koreanischen Instituts für Energie-Forschung kam wohl auch deshalb zu dem Schluss, die Umgebung sei ideal geeignet für Windparks, vor allem der letzte Bergkamm, bevor die Hänge sanft Richtung Küste abfallen.

Den Biathleten war das schon 2009 aufgefallen, als sie ihre WM im künftigen Olympiaort austrugen und auf Bergkuppen in der Umgebung Spaliere von Windrädern erspähten. Thomas Pfüller, damals Sportdirektor des Deutschen Skiverbandes (DSV), bezweifelte in der FAZ, dass auf den Schanzen in Pyeongchang "je ein Skispringen stattfinden wird. Es bläst hier oft mit solcher Stärke, dass es fraglich wäre, ob Wettbewerbe wie Skispringen, Nordische Kombination, Abfahrtslauf oder Super G überhaupt stattfinden könnten". Völlig abwegig war diese These nicht, wie Bundesinnenminister Thomas de Maizière bei seiner Visite am Mittwoch bestätigte: "Der Wind ist regionaltypisch, habe ich gelernt."

Vielleicht braucht es ja auch gar keine Evaluierungskommissionen oder Aufzeichnungen, sondern ein bisschen Völkerkunde. Das Dorf Uiyaji am Nordrand von Daegwallyeong, wo die Spiele eröffnet wurden, heißt auch: "Wind-Dorf".

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