Wetter bei der Fußball-EM:In der Hitze der Schlacht

Es ist wirklich sauschwül in Polen und der Ukraine. Vielleicht hat Philipp Lahm deshalb so schlecht gespielt. Die Stadien sind Saunen, die französischen Nationalspieler stopfen sich schon die Jacken voll mit Eis, den Deutschen droht gegen die Niederlande eine Hitzeschlacht. Nur einer trägt Mütze.

Thomas Hummel

Natürlich will niemand einen missglückten Pass auf das Wetter schieben. Das wäre zu billig. Und so beginnen viele Sätze in den ersten Tagen der EM 2012 mit: "Das soll keine Entschuldigung sein, aber ..." Ja, aber doch: Es ist sauschwül hier in Polen und in der Ukraine. Nicht mal ein Gewitter vertreibt diese dicke, zähe Luft, bei der sogar die vierten Schiedsrichter schwitzen.

Schweinsteiger Hitze Fußball-EM

Hoher Wasserverbrauch: Bastian Schweinsteiger während des Auftaktspiels gegen Portugal am Samstag.

(Foto: REUTERS)

"Es ist tatsächlich so, es ist noch anstrengender, die 90 Minuten voll da zu sein, weil man körperlich angestrengt ist. Das hat uns schon ein bisschen überrascht", erklärte Mats Hummels. Er durfte das erklären, denn er hat beim 1:0 gegen Portugal vorzüglich gespielt. Und natürlich: Das soll keine Entschuldigung sein für die wacklige Endphase. "Das Wetter haben beide Teams."

Philipp Lahm sprach von einem seiner schwierigsten Spiele - "von der Luft her. Ich fand die Schwüle extrem, ich hab mich heute sehr schwer getan." Wenn es wirklich so war, verbrach die Lemberger Luft das schlechteste von 87 Länderspielen des Münchner Außenverteidigers. Doch ist das wirklich möglich? Dass das Wetter einen deutschen Nationalspieler bremst?

Gut, die anderen haben da schon immer gezickt. 1970 flogen die Bulgaren mit Sauerstoffmasken zur WM nach Mexiko, weil die Spiele auf einer ungewohnten Höhe stattfanden. Sie holten aber trotzdem nur einen Punkt in der Vorrunde, allein Gerd Müller schenkte ihnen drei ein. Damals hätte Gerd Müller aus dem bayerischen Nördlingen auch im Dschungel von Borneo dreimal getroffen.

Die Engländer wollten sich ganz besonders akribisch vorbereiten. Sie verlegten die Vorbereitung nach Kolumbien, um sich an Hitze und Höhe zu gewöhnen. Das bezweckte aber nur zwei Dinge: Zuerst ging zwischenzeitlich Kapitän Bobby Moore verloren, weil ihm eine Schmuckverkäuferin einen Ladendiebstahl anhängen wollte. Dann gaben sie im Viertelfinale eine sichere 2:0-Führung aus der Hand, weil sie den Hinterkopf von Uwe Seeler übersahen.

Klinsmanns Kältefass

Sind die Beschwerden bei der Europameisterschaft 2012 in der ungewohnten Schwüle Osteuropas also Geschwätz? Wie gesagt, dass soll wirklich keine Entschuldigung sein, aber: "Die Luft war unglaublich schwül und schwer", erklärte Jakub Blaszczykowski. Dabei könnte man denken, der Pole Blaszczykowski müsste die polnische Luft gewöhnt sein. Doch die Uefa wollte es dem Gastgeber so einfach nicht machen - und schloss wegen eines kleinen Regenschauers eine Stunde vor Anpfiff des Eröffnungsspiels gegen Griechenland das Stadiondach. Draußen Warschauer Schwüle, drinnen Nationalstadion-Sauna - die Polen brachen nach der Pause ein.

So etwas darf nicht noch einmal passieren, schließlich soll der Gastgeber nach dem unerklärten Willen aller so lange wie möglich im Turnier bleiben. "Das Dach wird in den kommenden Spielen in Warschau geöffnet bleiben, wenn nicht außergewöhnliche Wetterverhältnisse dagegensprechen", sagte ein Uefa-Sprecher.

Die Franzosen hingegen wappnen sich auf fast bulgarische Weise für diese EM. Bei ihrem ersten Spiel in Donezk am Montag gegen England werden nebst lähmender Schwüle 30 Grad Celsius erwartet. Nun haben sie aber einen gewieften Arzt dabei, Monsieur Fabrice Bryand. Der hat 26 Kühlwesten und eine Kältekabine mitbringen lassen, womit die angestrengten Körper erfrischt werden sollen.

Das mit der Kältekabine kennen auch die Deutschen. Jürgen Klinsmann hatte sie schon bei seinem Märchen 2006 im Einsatz, sie ähnelte damals noch eher einem Kältefass. Doch die Franzosen setzen eins drauf: Die Westen sollen die Spieler auch zur Halbzeit anziehen, jede kann mit eineinhalb Kilogramm Eis gefüllt werden. "Sie sehen aus wie kugelsichere Westen", scherzte Monsieur Bryand. Da kann man für Franck Ribéry nur hoffen, dass er nicht vergisst, sie wieder auszuziehen.

Den Gegentrend setzte bislang der kroatische Trainer Slaven Bilic. Der lief am Seitenrand gegen Irland tatsächlich mit einer Baumwollmütze herum. Um den harten Iren zu zeigen: Wir sind härter! Der Plan ging auf, Kroatien gewann 3:1.

Am Mittwoch in Charkow, wenn die Deutschen gegen die Niederländer spielen, sind 31 Grad vorhergesagt. Das unschöne Wort Hitzeschlacht macht schon die Runde. Dennoch ist nicht anzunehmen, dass Joachim Löw eine Skimütze tragen wird, auch Bastian Schweinsteiger in kugelsicherer Kälteweste ist unwahrscheinlich. Vielleicht beherzigen die deutschen Spieler stattdessen eine Weisheit des italienischen Ex-Profis Robert Baggio. Der sagte einmal zu seinen Mitspielern: "Lasst den Ball laufen, der schwitzt nicht."

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