Stürmer bei West Ham United:Und wieder humpelt Füllkrug vom Platz

Lesezeit: 3 Min.

Unterstützung nötig: Nationalstürmer Niclas Füllkrug verlässt den Villa Park am Freitagabend schon nach einer Viertelstunde Spielzeit mithilfe zweier Betreuer. (Foto: Dan Mullan/Getty Images)

30 Millionen Euro war der deutsche Nationalspieler seinem Klub in London wert. Nun droht ihm erneut ein mehrmonatiger Ausfall, der auch die DFB-Elf in einem wichtigen Duell betrifft.

Von Sven Haist, London

Die eigene Verletzungsmisere begleitet Niclas Füllkrug durch seine Fußballerkarriere wie die vielen Tore, die er erzielt hat. Beides scheint der deutsche Nationalstürmer im vergangenen Sommer auch von Borussia Dortmund zu seinem neuen Klub West Ham United mitgenommen zu haben. In der Hinrunde bestritt Füllkrug für den Malocherverein aus Londons East End kein Spiel über die volle Distanz. Zu Saisonbeginn fehlte ihm nach der EM noch die Fitness, dann zog er sich im September beim DFB-Team eine empfindliche Achillessehnenentzündung zu, wegen der er drei Monate pausieren musste. Und nachdem er über den Jahreswechsel nun zunehmend seine gute Form gefunden hatte, erlitt er am Freitag den nächsten Rückschlag – er verletzte sich wieder. What bad luck!

Bei West Hams FA-Cup-Niederlage gegen Aston Villa (1:2) musste Füllkrug in der 15. Minute ausgew­e­chs­e­lt werden. Gestützt von zwei Betreuern humpelte er vom Platz und konnte auf dem Weg in die Kabine nicht mal richtig auftreten. Nach einem abgewehrten Eckball seines Teams war der 31-Jährige aus dem eigenen Strafraum nach vorn gesprintet und hatte kurz vor der Mittellinie abrupt abgestoppt – weil er auf einmal einen stechenden Schmerz im hinteren linken Oberschenkel verspürte. Der Torjäger ruderte mit den Armen, ging leidend zu Boden und gab sofort das Zeichen zur Auswechslung. Die Mitspieler eilten zu ihm. Auf dem Weg zur Seitenlinie fasste sich Füllkrug immer wieder an die schmerzende Stelle. „Wir sind alle bei dir“, schrieb der Klub besorgt in den sozialen Medien.

Nach dem Match vermutete West Hams Trainer Graham Potter, der am Tag zuvor die Nachfolge des entlassenen Julen Lopetegui angetreten hatte, dass es sich um eine „gravierende Oberschenkelverletzung“ handeln könnte. Laut einem Bericht der Sun, die sich auf einen Untersuchungsscan vom Samstag beruft, wird Füllkrug angeblich drei Monate ausfallen. Damit wäre die Saison für ihn fast gelaufen. Das Nations-League-Viertelfinale mit der DFB-Elf gegen Italien im März dürfte der gebürtige Hannoveraner sicher verpassen.

Immerhin konnte Füllkrug zuletzt andeuten, warum ihn West Ham für 30 Millionen Euro verpflichtet hatte. Er leitete gegen Villa das Führungstor seiner Mannschaft mit einer wunderbaren Kopfballablage ein und diente den spielerisch talentierten Offensivpartnern als Anspielstation. West Ham versuchte bis zu seiner Auswechslung, die eigenen Angriffe zumeist über ihn vorzutragen und sein Durchsetzungsvermögen zu nutzen. Im Dezember traf er im ersten Match nach seiner Rückkehr gegen Leicester und nun kürzlich auch gegen Manchester City.

Neben Füllkrug fallen auch die Stürmer Michail Antonio und Jarrod Bowen aus

Füllkrugs bisher von Verletzungen vermaledeite Zeit bei West Ham steht gewissermaßen für die ebenfalls ernüchternde Saison des Klubs. Die Hammers wollten mit Großinvestitionen und dem neu installierten Lopetegui um die Europapokalränge mitspielen. Doch man hängt auf Platz 14 fest, nur sieben Punkte vor der Abstiegszone. Zuletzt gab es krachende Pleiten gegen Liverpool und Manchester City, die den Spanier den Job kosteten. Ihm gelang es nicht, eine mitreißende und auf Ballbesitz ausgerichtete Spielweise zu etablieren. Seine Elf blieb blass wie er selbst. Damit konnte er die leidenschaftlichen Anhänger nicht überzeugen. Die kurze Episode erinnerte an das Gastspiel bei Real Madrid 2018, damals war für Lopetegui sogar schon nach vier Monaten Schluss.

Die Installation des Engländers Potter, der nach der Trennung von Chelsea knapp zwei Jahre ohne Beschäftigung war, ist eine Kurskorrektur. Der 49-Jährige soll den Verein beruhigen, sein Vorgehen gleicht mitunter einer Mischung aus Lopetegui und dem nach dem Ende der Vorsaison abgesetzten konservativen Trainerroutinier David Moyes, der nun von Abstiegskonkurrent Everton angestellt wurde. Es gilt die viertschlechteste Defensive der Premier League wieder zu stabilisieren und auch mehr Tore zu erzielen. In nur einem Pflichtspiel schaffte West Ham mehr als zwei Treffer – beim Kantersieg gegen Aufsteiger Ipswich.

Allerdings dürfte Potter die Personalsituation in der Offensive genauso Probleme bereiten wie Lopetegui. Denn neben Füllkrug fällt auch dessen Vertreter Michail Antonio bis Saisonende aus, der bei einem Unfall im Dezember einen Unterschenkelbruch erlitt. Der Engländer mit jamaikanischen Familienwurzeln war an einem Samstagmittag von der Fahrspur abgekommen und mit dem Vehikel frontal gegen einen Baum gekracht. Notfallhelfer konnten ihn erst nach einer Dreiviertelstunde aus dem zerstörten Auto bergen. Zudem muss West Ham in den nächsten Wochen auf seinen bisher besten Torschützen Jarrod Bowen (fünf Ligatreffer) verzichten. Dieser zog sich zum Jahresabschluss eine Fußfraktur zu. Als Zentrumsstürmer verbleibt bloß Veteran Danny Ings.

Aus diesem Grund peilt West Ham in der Wintertransferperiode weitere Verstärkungen an. Man müsse über Zugänge nachdenken, sagt Potter. Dabei steht vor allem der Deutsche Tim Steidten unter Druck, der im Sommer 2023 von Bayer Leverkusen kam und die Rolle des Technischen Direktors im Klub übernahm. Er ist federführend für die Transfers des Klubs zuständig und konnte Spieler für insgesamt knapp 300 Millionen Euro Ablöse unter Vertrag nehmen. Von ihm wird erwartet, schnell Lösungen für den Rest der Saison zu finden.

Immerhin verbleiben West Ham dafür noch fast drei Wochen – anders als in der Hinrunde. Als sich Niclas Füllkrug damals verletzte, war die Sommertransferzeit bereits zu Ende gegangen.

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