Wesley Sneijder bei Inter Mailand:Gezeter zwischen Rumpelstilzchen und Jurist

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Wie oft jubelt Wesley Sneijder noch im Mailand-Trikot? Sein Abschied steht bevor.  (Foto: AP)

Einst war Wesley Sneijder unverzichtbar für Inter Mailand. Doch jetzt stehen die Zeichen auf Trennung: Der Niederländer zofft sich mit Trainer Stramaccioni, spricht sogar von Mobbing - und will eine Gehaltsreduzierung nicht akzeptieren.

Von Birgit Schönau

Gerade zwei Jahre ist es her, da war Wesley Sneijder unverzichtbar für die Mailänder Internazionale. Einer der drei wichtigsten Spieler in einem Team, das mit Trainer José Mourinho Champions League, Meisterschaft und Pokal gewann - die beiden anderen waren Samuel Eto'o und Diego Milito. Eto'o spielt inzwischen für Anschi Machatschkala in Dagestan, Milito hat erst kürzlich wieder Juventus zwei Tore verpasst. Und Sneijder? Der war länger verletzt und könnte jetzt eigentlich wieder eingesetzt werden. Doch unverzichtbar ist er nicht mehr. Und außerdem viel zu teuer.

Inter spielt in dieser Saison nicht in der Champions League, sondern tritt am Donnerstag in der Europa League gegen Neftci Baku an - eine bedeutungslose Partie, auf die sich Sneijder ausnahmsweise sogar Hoffnungen machen darf. Es könnte nach zwei Monaten Pause zum Äußersten kommen: seinem Einsatz. Am 26. September hatte sich der Niederländer eine Oberschenkelzerrung zugezogen, er ließ sich in Los Angeles behandeln und kehrte am 23. Oktober auf den Trainingsplatz zurück. Gespielt hat er seitdem nicht mehr.

Andrea Stramaccioni, Inters aktueller Trainer, ist nicht Mourinho, er wird nicht dafür bezahlt, Trophäen nachzujagen, sondern konzentriert sich auf das obere Drittel in der Serie A. Platz drei hält Inter derzeit, vier Punkte Abstand zu Juve, das passt schon. So pragmatisch wie der 36-jährige Römer und studierte Jurist auftritt, spielt auch das Team: Höhenflug war gestern, jetzt geht's nach Paragrafen.

Dass die Chemie nicht stimmt zwischen dem Trainer und dem letzten verbliebenen Star im Aufgebot, war zuletzt nicht zu übersehen. Da klagte Sneijder, er würde gern spielen, dürfe aber noch nicht. Prompt verbot ihm Stramaccioni das Twittern. "Das ist gängige Praxis bei Inter, die Spieler müssen ihre Kommunikation mit der Klubleitung absprechen", rechtfertigte sich der Trainer und erklärte, andere Inter-Kicker hätten wegen unerlaubten Twitterns auch schon eine Buße zahlen müssen. Darüber beklagte sich nun wieder twitternd Sneijders Frau Yolanthe, eine in den Niederlanden berühmte Schauspielerin.

Sneijder schmollte auf der Bank und ließ über die heimische Presse verlauten, er fühle sich bei Inter gemobbt. Peinliches Geschwätz, fand Stramaccioni und wies Sneijder zurecht: "Wir sollten mit dem Begriff Schikane vorsichtig sein. Wenn uns ein Normalverdiener hört, der am Monatsende 1000 Euro nach Hause bringt, machen wir eine schlechte Figur." Sneijder verdient 500-mal so viel, auch deutlich mehr als sein Trainer - und das ist wohl das Problem.

Am Montag machte ihm die Klubleitung den Vorschlag, seinen bis 2014 laufenden Vertrag vorzeitig zu verlängern. Der Haken dabei: Ab Juni 2013 soll Sneijder statt der nach dem Triple-Gewinn vereinbarten sechs Millionen Euro pro Jahr fünf Millionen verdienen. Der Holländer lehnte empört ab. "Wie kann ich diese Situation akzeptieren?", klagte er in der Zeitung De Telegraaf: "Ich darf nicht spielen und dann wird mir auch noch ein schlechterer Vertrag angeboten." Indiskutabel für den 28-jährigen Kapitän der niederländischen Nationalmannschaft.

Inter bemüht sich zu beschwichtigen. "Wesley ist unser bester Spieler", behauptete Präsident Massimo Moratti und dementierte Gerüchte über einen bevorstehenden Tausch mit dem Argentinier Javier Pastore von Paris St. Germain. Der Patron stichelte aber auch: "Jeder gute Vertrag kann noch verbessert werden." Heißt: Sneijder solle sich mal nicht so haben. Für fünf Millionen im Jahr kann man auch schon eine Menge Koteletts essen, oder?

Früher war Geld für Moratti kein Thema. Er hatte auch schon mal vier Trainer gleichzeitig auf der Gehaltsliste, einen amtierenden und drei fristlos entlassene, und er gab in einem Sommer auf dem Transfermarkt so viel aus wie die gesamte Bundes- liga. Rund eine Milliarde Euro soll der Petrol-Unternehmer investiert haben, jetzt ist das Ende der Fahnenstange erreicht. Inter muss sparen, die Uefa will es so, und Moratti, 67, zeigt sich einsichtig.

Das Triple steht in den Annalen, mehr kann man sich in einem Präsidentenleben sowieso kaum kaufen. Außerdem erlebt Italien eine Wirtschaftskrise, von der auch die Inter-Fans nicht verschont bleiben - Moratti ist sensibel dafür. Vergangene Woche durfte er bei den UN in New York sein Projekt Inter Campus vorstellen, das in 26 Ländern bereits 10 000 bedürftigen Kindern eine Ausbildung gewährt hat. Daheim aber wartet auf diesen Philanthropen schon das Rumpelstilzchen Sneijder.

Italien steht natürlich geschlossen hinter Moratti. "Sneijder hat uns in den letzten zwei Jahren nicht das geboten, wofür er an jedem Monatsende so fürstlich bezahlt wurde", schrieb der Corriere della Sera: "Sneijder scheint Inter nicht mehr zu brauchen, aber Inter braucht auch Sneijder nicht." Man sollte sich also trennen, und genau das hat die Klubleitung auch vor. Natürlich möglichst ohne Verluste. Der 1,70 Meter kleine Mittelfeld-Napoleon war schon teuer genug, 2009 hatte er 15 Millionen Euro Ablöse gekostet. Jetzt sucht Inter dringend Bieter, denen Trainer Stramaccioni versichert: "Wesley Sneijder ist ganz bestimmt keine Primadonna."

© SZ vom 06.12.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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