Werner Lorant:Gebell in der Kur-Zone

Lorant in Waging

Einige Baustellen zu bewältigen hat Werner Lorant noch beim TSV Waging am See, wenn der Klassenerhalt in der Bezirksliga gelingen soll.

(Foto: Michael Buchholz)

Vom See-Apartment zurück auf die Bank: Der frühere Bundesliga-Trainer soll den Siebtligisten TSV Waging in Oberbayern vor dem Abstieg retten.

Von David Weber

Zwei schick gekleidete Damen im besten Alter warten am Bahnhof auf den nächsten Zug. "Hier gibt es ja nichts", sagt die eine enttäuscht. Keine Geschäfte offen, kaum Menschen auf den Straßen. Ja, natürlich sind sie am See gewesen, war ein ordentlicher Fußmarsch. Aber ärgerlich für die Frauen, dass sie ausgerechnet am Samstag aus dem nahen Rosenheim hergekommen sind. Am Sonntag wäre Trachtenjahrtag gewesen, am Montag Pflanzentauschmarkt. Am Samstag aber, da waren die Menschen in Waging nicht auf der Straße, sondern beim Fußball.

500 Leute haben das Kassenhäuschen passiert, um den TSV Waging am See zu sehen - und Werner Lorant. Im Wilhelm-Scharnow-Stadion, wie ein bröckelnder blauer Schriftzug auf der Gegengerade verrät. Vor ein paar Jahren, als der FC Bayern München hier gastierte, waren mal 15 000 da. Normalerweise aber kommen allenfalls 200, sagt der "Retter-Willi". Das ist der Mann, der im Kassenhäuschen sitzt und Eintritt kassiert.

Den Werner-Lorant-Effekt nennt der Retter-Willi, dass so viele Leute gekommen sind. Der Bayerische Rundfunk ist da, viele Fotografen, die hier noch nie waren. Alle wollen Lorant sehen, den neuen Trainer beim TSV. Der den Verein aus der oberbayerischen Bezirksliga Ost (7. Liga) sieben Spiele vor Saisonende übernommen hat, um den Abstieg zu verhindern.

20 Minuten vor Spielbeginn zeigt sich Lorant, 66, auf dem Rasen. Sieht, dass jemand mit weißen Hütchen eine Coachingzone angelegt hat: "Was soll der Quatsch?", blafft er. Und wird dann von einem Hund angebellt. Lorant bellt zurück - ein Schmunzeln bei denen, die es mitbekommen haben. Ja, Werner Lorant, so ist er halt. Er würde wahrscheinlich auch Blumen fürs Welken kritisieren und faules Obst wegen mangelnder Einstellung. Lorant, der Patron aller Nörgler und Stirnrunzler, der Kaffeetrinker und Raucher. "Hast' Schiss?", fragt später der Gäste-Kapitän den Schiedsrichter, als der eine fragwürdige Entscheidung zugunsten der Waginger fällt, und deutet auf Werner Lorant, der an der Seitenlinie steht. Der hat den Linienrichter eben gefragt, ob er einen Krampf im Arm habe, weil er die Fahne so lange hochgehalten hat.

Nach seinem Abschied von den Münchner Löwen 2001 ist der einstige Erstliga-Coach Lorant in der Türkei und in Südkorea gewesen, auf Zypern und im Iran, in China und der Slowakei. Er drehte mit Oliver Pocher und ging fürs Privatfernsehen in die Berge, verdiente viel Geld und verlor viel Geld. Jetzt wohnt er in Waging am See, direkt am Campingplatz, nicht im Wohnwagen, sondern in einem Apartment am Strandkurhaus - in einem großen Apartment, hat er jüngst betont.

Und er ist zurück auf der Trainerbank. Kein Strandkorb, kein Sofa, kein Campingstuhl. In der Bezirksliga sitzt man auf harten Holzdielen. Oder steht direkt am Spielfeldrand. Lorant steht die ganze Zeit, sitzt keine Sekunde. Braungebrannt, im blauen Trainingsanzug, steht ihm gut. Lobt, kritisiert, motiviert. Verschränkt die Arme, breitet sie aus. Ruft dauernd: "Komm' schon, geht schon." Vergeblich. Waging verliert 0:2, gegen Kolbermoor, den Tabellenzweiten.

Für Lorant ist jetzt Abstiegskampf. Zwei Punkte bis zum Relegationsplatz, sieben bis zum rettenden Ufer. Das rettende Ufer ist Platz zwölf - und es ist das Stück Strand am See, direkt am Campingplatz. In der Nähe gibt es eine Minigolf-Anlage, Tennisplätze. Ein Schild am Ortseingang mahnt zu "absoluter Ruhe zwischen 22 und 6 Uhr": Dort, in die Kur-Zone, will Lorant wieder hin, ans rettende Ufer, Kaffee trinken, Rentner sein. "Ich mache diese sieben Spiele, alles andere ist unwichtig." Danach ist Schluss, dann ruht Lorant sich aus. Bis vielleicht wieder mal ein Trainer aufhört.

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