Mitunter macht es den Anschein, dass Timo Werner, 26, in Situationen nach Orientierung sucht, in denen man es nicht vermuten würde. Als wäre er noch immer nicht richtig da.
Am Samstag, nach dem 2:0 von RB Leipzig gegen Leverkusen, war der Stürmer zu einem taktischen Detail seiner Mannschaft gefragt worden, zur Umstellung auf eine Dreier-Abwehrkette, und Timo Werner senkte den Blick, als suchte er am Boden ein Wörterbuch. "Ich finde schon, dass es uns ... wie sagt man: affected?", stockte Werner, ehe er einen Vorschlag aus dem Auditorium aufnahm: "... beeinflusst hat! Danke!"
Dass Werner, ein in Stuttgart geborener Schwabe, Anleihen aus dem Englischen nimmt, liegt an seiner jüngeren Biografie. Im Sommer 2020 brach er aus Leipzig in die Premier League auf und versuchte, beim FC Chelsea Fuß zu fassen. Anfang August kehrte er nach Sachsen zurück, weil er mangels Einsatzgarantie in London die im November anstehende Weltmeisterschaft in Gefahr wähnte.
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Zwar erzielte er beim Comeback bereits in seinem ersten Spiel für Leipzig einen Treffer gegen Köln. Doch es folgten fünf Partien ohne Torerfolg und mit erkennbaren Schwierigkeiten, sich in der alten und doch neuen Umgebung zurechtzufinden. Jetzt hat er in seinen jüngsten drei Bundesligaspielen drei Tore erzielt, dazu kamen Treffer in der Champions League gegen Celtic Glasgow und Real Madrid. Werner steht gewissermaßen stellvertretend für den blendenden Oktober der Leipziger: In neun Spielen holten sie sieben Siege. Am Mittwochabend reicht deshalb ein Punkt bei Schachtar Donezk (in Warschau), um den Einzug in die K.-o.-Phase der Champions League perfekt zu machen. "Wir marschieren in die richtige Richtung", sagt Werner.
Das entscheidende Tor gegen Leverkusen erzielt er in klassischer Werner-Manier
Dass er ein paar Wochen durchhing, führte er am Samstag auf die Eingewöhnungsphase zurück, die auch Rückkehrer aus dem Exil auf sich nehmen müssten: "Es ist immer etwas anderes, wenn man in ein neues Team kommt - egal, ob man davor schon mal vier Jahre hier gespielt hat", erklärte Werner. Die Mannschaft, die er kennengelernt habe, sei weder personell noch ideell mit dem Team zu vergleichen, das er verlassen hatte. Wie auch?
In den zwei Jahren, in denen Werner versuchte, in England durchzustarten, wechselte Leipzig mehrmals den Trainer. Nach Julian Nagelsmann kamen Jesse Marsch, kurzfristig Achim Beierlorzer, Domenico Tedesco - und nun Marco Rose, der seit Anfang September Regie führt. "Man muss den Neuen und auch den Alten erst wieder beweisen, dass ich immer noch der Timo bin, den sie kennen und in Szene setzen wollen. Es ist klar, dass das seine Zeit braucht", argumentierte Werner. Mittlerweile ist der Wiedererkennungswert hoch. "Timo ist Timo", sagte Rose nach dem 2:0.
Das stimmte im Allgemeinen wie im Besonderen, denn den Treffer zum 2:0-Endstand gegen die Bayer-Werkself - das 1:0 (31.) für RB hatte Christopher Nkunku vorgelegt - erzielte Werner in klassischer Werner-Manier: Der eingewechselte Amadou Haidara entdeckte, dass die Leverkusener weit aufgerückt waren, und spielte einen Pass in den Rücken der Abwehr, den Werner erlief. Der sprintete dann gut 30 Meter mit dem Ball und schoss flach ein, Leverkusens Torwart Hradecky war ohne jede Chance. Es war ein Tor, das die Leipziger erleichterte: "Timo hat uns heute erlöst", freute sich Kapitän Willi Orban.