Für all jene, die sich in diesen Zeiten des Dualismus zwischen München und Dortmund nicht mehr erinnern: Es gab auch anderswo in der Republik einst Fußballvereine, die den Menschen mit ihrem sportlichen Schaffen Spaß bereiteten. In Bremen beispielsweise trat vor genau 14 Jahren ein gewisser Thomas Schaaf seinen Job als neuer Cheftrainer des SV Werder an - und er blieb mit dem Klub so eng verwachsen wie es vor ihm wohl nur Otto Rehhagel gelang.
Im Mai 1999 gestaltete Schaaf seinen Einstand recht erfolgreich: Ein 1:0 gegen Schalke sowie hohe Siege gegen 1860 München und Mönchengladbach linderten die Abstiegssorgen, am Ende hielt Werder mit dem ewig vereinstreuen Coach die Klasse. Bremen und Thomas Schaaf - auch dieser Dualismus hat die Bundesliga geprägt. Ob es ihn noch lange geben wird, durfte vor diesem 33. Spieltag aber bezweifelt werden. Der Klub von der Weser steckte so tief im Krisensumpf, dass das vermeintlich Unmögliche ganz Bremen umtreibt: Es herrscht eine Trainerdebatte, der sich zuletzt selbst Geschäftsführer Klaus-Dieter Fischer nicht mehr entziehen konnte.
"Nach der Saison werden wir hier jeden Stein umdrehen. Dann werden wir über Personen sprechen," hatte er vielsagend angekündigt - auch der Coach dürfte also zur Diskussion stehen. So weit ist es trotz Fan-Solidarität und Treueschwüren gekommen bei den gebeutelten Grünweißen.
50 Jahre Bundesliga:Mit Fuchs und Geißbocksiegel
Was ist modern? Der Trainer Christoph Daum machte den Fußball zur Pseudowissenschaft, Anti-Esoteriker wie Rehhagel und Cajkovski schufen ihre Energiefelder lieber in der Teamkabine. Oder beim Nacktbaden in der Türkei. 11 mal 11 - die Serie zu 50 Jahren Bundesliga. Diesmal: Die legendärsten Trainer.
Nun ging es gegen Eintracht Frankfurt - es war ein enorm bedeutsames Spiel, schließlich schleppt sich Werder wie damals zu Beginn der Ära Schaaf mit letzter Kraft in Richtung Ligaverbleib. Der ist nach dem 1:1 (1:0) an diesem Samstag aber endlich gesichert, denn neben dem eigenen Punktgewinn nach Toren von Kevin de Bruyne (22. Minute) und Srdjan Lakic (51.) durfte sich Bremen über die Gunst der Konkurrenz freuen. Nach einem nervlich anstrengenden Nachmittag haben die Hanseaten vor dem Schluss-Spieltag vier Punkte Vorsprung auf Platz 16.
"Mit so einem Unentschieden kann man wunderbar leben. Zum Glück haben die anderen heute für uns gespielt. Dass wir es vorzeitig geschafft haben, verdanken wir auch unseren grandiosen Fans," erklärte der Bremer Sportchef Thomas Eichin erleichtert. Über die Zukunft des Trainers sagte er: "Thomas Schaaf hat einen Vertrag bis 2014, mehr gibt es dazu nicht anzumerken."
FC Bayern in der Einzelkritik:Trikotzupfen mit dem Dribbelprinzen
Franck Ribéry spielt, als müsse er sich um einen neuen Verein bewerben. Bastian Schweinsteiger sorgt für ein kurzes Beben - und Mario Mandzukic informiert sich auf YouTube, wie Meisterfeiern in München abgehen. Die Bayern beim 3:0 gegen Augsburg in der Einzelkritik.
Bei den Frankfurtern haderte man ein wenig mit dem Ergebnis, denn nach streckenweiser Überlegenheit wäre vielleicht sogar mehr drin gewesen. "Wir haben die ersten 20 Minuten verschlafen, das war heute ärgerlich. Ich habe trotzdem ein gutes Gefühl, dass wir es noch in die Champions League schaffen," resümierte Frankfurts Mittelfeldrenner Stefan Aigner.
Begonnen hatte das große Zittern aus Sicht der Bremer mit einer guten Nachricht: Der Gegner trat geschwächt an, der Eintracht fehlte der 15-Tore-Mann Alex Meier wegen Problemen mit den Bändern. Dass es schon solcher Hoffnungsbringer bedarf, sagt einiges über den Zustand der Schaaf-Truppe aus - trotz aller Probleme blieb Werders Startelf im Vergleich zum 2:2 gegen Hoffenheim in der Vorwoche identisch: Vorne sollte wieder de Bruyne wirbeln, hinten durften die Wackel-Verteidiger Sebastian Prödl und Sokratis zeigen, dass sie vielleicht doch bundesligatauglich sind.
Die Ambition, mit einem Erfolg gegen Frankfurt vielleicht sogar schon vorzeitig die Klasse zu sichern, war den Bremern früh anzumerken. Über die flinken de Bruyne und Aaron Hunt inszenierten Schaafs Männer gleich einige ansehnliche Angriffe, auch wenn längst nicht alles fürs Fußballlehrbuch reichte. Bremen probierte zu kombinieren und weil auch Frankfurt kein Versteckspiel zu planen schien, entwickelte sich eine muntere Partie.
Bundesliga:Die Elf der hässlichsten Trikots
Manche Trikots treiben Fußballfans die Tränen in die Augen. Vor Freude, aus Wehmut oder aber auch: aus blankem Entsetzen über so viel Hässlichkeit. Der Hamburger SV in Rosa, der SV Werder mit roten Streifen oder der VfL Bochum im Regenbogen-Look. Die SZ hat eine Rangliste erstellt - stimmen Sie ab!
Im Mittelfeld wirkte die Heim-Elf ein wenig aggressiver, was vor allem einer verkörperte: Philipp Bargfrede. Er erstritt sich in der 22. Minute in der Zentrale den Ball und während die Eintracht-Profis noch mit dem Umschalten beschäftigt waren, rannte der Bremer einfach schnurstracks nach vorne.
Sein zielgenauer Steilpass trudelte in den Lauf von de Bruyne, der seine ganze belgische Bierruhe dazu nutzte, sich den Ball auf rechts zu legen und zum 1:0 einzuschießen. Werder führte, wieder einmal, doch ob das reichte? So genau weiß man das bei diesem wankelmütigen Team ja nie. Immerhin, de Bruyne verschaffte seiner Mannschaft ein wenig Ruhe gegen die eigene Unsicherheit - dass es wohl der letzte Heim-Auftritt des umworbenen Leihspielers vom FC Chelsea war, verlieh den Geschehnissen zusätzliche Würze.
Vor dem Ende einer unterhaltsamen ersten Hälfte ließen dann beide Klubs noch einmal kurz aufhorchen: Frankfurts Marco Russ (41.) köpfelte nach einer schönen Stafette über Takeshi Inui übers Gehäuse, kurz darauf rauschte nach einer flachen Hereingabe von Nils Petersen ein Bremer knapp an der Kugel vorbei: Es war erneut de Bruyne, dieser alleinige Gefahrgarant des SV Werder.
Während der Pause verdunkelte sich der Himmel über der Arena bedrohlich - es war wohl ein Zeichen, dass die Bremer Herrlichkeit jetzt abrupt enden sollte. Eine Flanke von rechts segelte direkt auf den Fuß des Frankfurters Karim Matmour, der einen geschickten Haken schlug und auf Srdjan Lakic ablegte. Der Kroate stocherte den Ball im Fall über die Linie, es stand plötzlich 1:1 (51.) und Werder trudelte wieder in Richtung Unheil.
Die Bremer Sorgen spiegelten sich nun auch auf dem Feld wieder. Wie paralysiert trabten die Gastgeber hinter den immer mutiger agierenden Frankfurtern her, die anfängliche Überzeugung war längst spürbarem Zittern gewichen. Stellvertretend für die Nervosität der Norddeutschen stand ein verzogener Linksschuss von Petersen nach einem Entlastungskonter (65.). Und Frankfurt? Wirkte gefestigter, cleverer und spielstärker - wie man eben auftritt, wenn die Champions League in Reichweite ist.
Echte Torgefahr blieb aber bis auf weiteres auf beiden Seiten aus und so änderte sich der Aggregatszustand dieser aufreibenden Partie erst in der Schlussphase, als die Bremer ihren Mut wieder fanden. Am Ende blieb es beim 1:1, das Werder dank den Ergebnissen der Gegner im Abstiegskampf vorzeitig den Klassenerhalt sicherte. Vielleicht dauert die Ära Thomas Schaaf in Bremen ja doch noch etwas an.