Beinahe könnte man glauben, die guten alten Zeiten seien zurück. Damals, als Werder Bremen den FC Bayern zur Weißglut brachte, auf dem Platz und daneben sowieso. Als der damalige Werder-Manager Willi Lemke seinen Verein zu einer Kirchenmaus kleinrechnete, arm zwar, aber zu schlau für die reichen Münchner. Immer wieder forderte der Sozialdemokrat Lemke dennoch eine Umverteilung der Einnahmen im Fußball von oben nach unten, weil er ahnte, dass es Phänomene wie seinen Verein in Zukunft sonst nicht mehr geben würde. Regelmäßig bekam sein CSU-affiner Münchner Kollege Uli Hoeneß von dieser Art Klassenkampf einen roten Kopf: Über das, was Solidarität im Business Bundesliga bedeuten sollte, konnten sich diese beiden nie einigen.
Längst hat sich verfestigt, was Lemke damals ahnte. Die Bayern sind sieben Mal hintereinander Meister geworden, die Bremer dem Abstiegskampf im selben Zeitraum stets näher gewesen als dem Europacup. Der Umsatz der Münchner ist gut fünfmal so hoch wie der des SV Werder. Das Geld fließt also weiterhin und sogar immer schneller den Berg hinauf - und die Frage, wie Solidarität im Fußball zu verstehen ist, wird zwischen Bremern und Münchnern nach wie vor kontrovers diskutiert.
Der Fußball will sich nicht damit abfinden, in die Verantwortung genommen zu werden
In dieser Woche gerieten, sozusagen in der Nachfolge von Lemke und Hoeneß, Marco Bode und Karl-Heinz Rummenigge aneinander. Grund war die Entscheidung der Deutschen Fußball-Liga (DFL), des Zusammenschlusses der 36 Erst- und Zweitligisten, sich keinesfalls auch nur irgendwie an den Mehrkosten für Polizeieinsätze bei Hochrisikospielen zu beteiligen. Solche Gebühren erhebt - seit diesem Jahr mit dem Segen des Bundesverwaltungsgerichts - das Bundesland Bremen. In dem Stadtstaat gibt es naturgemäß nur einen Bundesligisten, Werder eben. Und der soll nach DFL-Ansicht die Kosten mal schön alleine tragen, auch wenn die Rechnungen der Bremer Politik an die DFL als Veranstalter der Bundesliga gingen. Werder hatte in der Sitzung am Dienstag vergeblich auf die Solidarität der anderen Klubs gehofft, die allesamt Gesellschafter dieser DFL sind. Nun sieht sich der Verein gezwungen, gegen die DFL vor Gericht zu ziehen, erst vor das ständige Schiedsgericht der DFL, später vor ein ordentliches. Werder fürchtet einen massiven Wettbewerbsnachteil.
Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandschef des FC Bayern, hat dafür "kein Verständnis". Es sei doch fast einstimmig gegen Werder Bremen entschieden worden: "Der Solidargedanke war immer eine Stärke der DFL", sagte Rummenigge, Werder solle das auch "in dieser Angelegenheit nicht infrage stellen". Bode, Aufsichtsratschef der Bremer, antwortete so: "Karl-Heinz Rummenigge und wir haben offensichtlich eine unterschiedliche Auffassung davon, was Solidarität bedeutet." Hach, es rummst fast so schön wie früher.
Tatsächlich war der Begriff "Solidarität" bisher eher so besetzt, dass die Gruppe den Einzelnen schützt, wenn alle gemeinsam die gleichen Werte teilen. Grenzt dagegen die Gruppe den Einzelnen aus und verlangt hernach, dass der das gefälligst klaglos zu akzeptieren habe, würde man das außerhalb der Fußballwelt wohl kaum als "solidarisch" bezeichnen.