Bundesliga:Alle gegen Werder

24 02 2018 Fussball 1 Bundesliga 2017 2018 24 Spieltag SV Werder Bremen Hamburger SV im Wese

Am Schauplatz des Kostenstreits: Berittene Polizisten vor dem Weserstadion des SV Werder Bremen.

(Foto: Cathrin Müller/Imago/MIS)
  • Die Deutsche Fußball-Liga lässt Bremen in der Frage der Polizeikosten im Regen stehen und definiert den Begriff Solidarität neu.
  • Im Zuge der Debatte lebt das alte Nord-Süd-Duell der Bundesliga wieder auf: Der FC Bayern und Werder geraten aneinander.

Von Ralf Wiegand, Bremen

Beinahe könnte man glauben, die guten alten Zeiten seien zurück. Damals, als Werder Bremen den FC Bayern zur Weißglut brachte, auf dem Platz und daneben sowieso. Als der damalige Werder-Manager Willi Lemke seinen Verein zu einer Kirchenmaus kleinrechnete, arm zwar, aber zu schlau für die reichen Münchner. Immer wieder forderte der Sozialdemokrat Lemke dennoch eine Umverteilung der Einnahmen im Fußball von oben nach unten, weil er ahnte, dass es Phänomene wie seinen Verein in Zukunft sonst nicht mehr geben würde. Regelmäßig bekam sein CSU-affiner Münchner Kollege Uli Hoeneß von dieser Art Klassenkampf einen roten Kopf: Über das, was Solidarität im Business Bundesliga bedeuten sollte, konnten sich diese beiden nie einigen.

Längst hat sich verfestigt, was Lemke damals ahnte. Die Bayern sind sieben Mal hintereinander Meister geworden, die Bremer dem Abstiegskampf im selben Zeitraum stets näher gewesen als dem Europacup. Der Umsatz der Münchner ist gut fünfmal so hoch wie der des SV Werder. Das Geld fließt also weiterhin und sogar immer schneller den Berg hinauf - und die Frage, wie Solidarität im Fußball zu verstehen ist, wird zwischen Bremern und Münchnern nach wie vor kontrovers diskutiert.

Der Fußball will sich nicht damit abfinden, in die Verantwortung genommen zu werden

In dieser Woche gerieten, sozusagen in der Nachfolge von Lemke und Hoeneß, Marco Bode und Karl-Heinz Rummenigge aneinander. Grund war die Entscheidung der Deutschen Fußball-Liga (DFL), des Zusammenschlusses der 36 Erst- und Zweitligisten, sich keinesfalls auch nur irgendwie an den Mehrkosten für Polizeieinsätze bei Hochrisikospielen zu beteiligen. Solche Gebühren erhebt - seit diesem Jahr mit dem Segen des Bundesverwaltungsgerichts - das Bundesland Bremen. In dem Stadtstaat gibt es naturgemäß nur einen Bundesligisten, Werder eben. Und der soll nach DFL-Ansicht die Kosten mal schön alleine tragen, auch wenn die Rechnungen der Bremer Politik an die DFL als Veranstalter der Bundesliga gingen. Werder hatte in der Sitzung am Dienstag vergeblich auf die Solidarität der anderen Klubs gehofft, die allesamt Gesellschafter dieser DFL sind. Nun sieht sich der Verein gezwungen, gegen die DFL vor Gericht zu ziehen, erst vor das ständige Schiedsgericht der DFL, später vor ein ordentliches. Werder fürchtet einen massiven Wettbewerbsnachteil.

Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandschef des FC Bayern, hat dafür "kein Verständnis". Es sei doch fast einstimmig gegen Werder Bremen entschieden worden: "Der Solidargedanke war immer eine Stärke der DFL", sagte Rummenigge, Werder solle das auch "in dieser Angelegenheit nicht infrage stellen". Bode, Aufsichtsratschef der Bremer, antwortete so: "Karl-Heinz Rummenigge und wir haben offensichtlich eine unterschiedliche Auffassung davon, was Solidarität bedeutet." Hach, es rummst fast so schön wie früher.

Tatsächlich war der Begriff "Solidarität" bisher eher so besetzt, dass die Gruppe den Einzelnen schützt, wenn alle gemeinsam die gleichen Werte teilen. Grenzt dagegen die Gruppe den Einzelnen aus und verlangt hernach, dass der das gefälligst klaglos zu akzeptieren habe, würde man das außerhalb der Fußballwelt wohl kaum als "solidarisch" bezeichnen.

Die Innenminister der Länder tagen, ein Thema sind die Polizeikosten

Der deutsche Ligafußball kann sich offenbar nicht damit abfinden, dass er in eine gesellschaftliche Verantwortung genommen wird. Das Land Bremen, so hoch verschuldet wie kein anderes, wollte die Kosten für die notwendige Polizeipräsenz bei prekären Fußballspielen nicht länger der leeren Staatskasse aufdrücken, änderte seine Gesetze und führte eine Gebührenordnung ein. Aufgrund dieser Regelung stellte es Rechnungen an die DFL, weil diese den Spielbetrieb organisiert. Die DFL wollte nicht zahlen, klagte - und verlor letztinstanzlich im März vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig.

Nun ist noch eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts in Bremen offen, in der es um die Höhe eines Bescheids geht, aber nicht mehr um dessen Rechtmäßigkeit. Wenn dieses Verfahren abgeschlossen ist, kann die DFL Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe einlegen. Das wird sie auch tun, sogar mit dem Segen der Werderaner, die generell ja auch gegen eine Kostenbeteiligung des Fußballs sind. "Der Bremer Senat", mutmaßt Borussia Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, "ist auf dem Holzweg."

Die Intensität, mit der sich die Profiklubs die Bremer Gemengelage vom Hals halten wollen, soll offenbar ein Signal an die anderen Bundesländer senden. Rummenigge: "Wir können nicht mit Bremen solidarisch sein, das wäre das völlig falsche Zeichen. Wenn wir jetzt einen Fonds oder dergleichen einrichten, wäre das eine offene Tür für alle anderen Länder, die Bundesliga zur Kasse zu bitten." Werder hatte den Antrag gestellt, dass sich das DFL-Präsidium noch einmal damit befassen solle, wie eine Aufteilung solcher Polizeikosten zwischen Heimmannschaft, Gastverein und der DFL aussehen könnte. Von den anwesenden 34 Profiklubs stimmten 32 gegen diesen Antrag, einer enthielt sich - Werder Bremen steht allein gegen alle.

Diese Basta-Entscheidung sieht entschlossen aus, hat aber keinen Einfluss darauf, ob andere Bundesländer solche Gebühren erheben. Glauben die Rummenigges und Watzkes das, wären sie diejenigen auf dem Holzweg. Allein die Landesregierungen entscheiden - der Fußball müsste zahlen. Rheinland-Pfalz und Hamburg haben bereits signalisiert, dass es der Allgemeinheit schwer zu vermitteln sei, warum man ihr Kosten auferlegt, die nur durch den Profifußball verursacht werden - zumal wenn die Rechtmäßigkeit solcher Gebühren an die Fußballklubs juristisch schon überprüft worden ist. Bis Freitag tagen die Innenminister der Länder in Lübeck, ein Thema sind die Polizeikosten.

Die Geschlossenheit der DFL ist daher eher als Drohgebärde gegenüber der Politik zu werten: Legt euch nicht mit uns an. Allein der FC Bayern mit seinen rund zehn Millionen Fans im Land ist eine respekteinflößende Macht, Politiker sonnen sich gerne auf den Tribünen der Stadien im Glanze ihrer Heimvereine. Aber wenn auch nur ein weiteres Land dem Bremer Beispiel folgt, steht das eigenwillige Solidarprinzip der DFL schon auf dem Spiel.

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Werder Bremen - Polizeieinsatz im Fußball

MeinungDebatte um Polizeikosten
:Die Bundesliga lässt Werder Bremen im Stich

Der steinreiche Fußball sollte sich an den Kosten für Risikospiele beteiligen. Das Votum der anderen Profiklubs zeugt weder von Solidarität noch von politischer Klugheit.

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