Niederlage gegen Wolfsburg:Werder ist harmlos und hoffnungslos

Werder Bremen - VfL Wolfsburg

Verzweifelt: Bremens Philipp Bargfrede

(Foto: dpa)

Die Bremer kämpfen bei der Niederlage gegen Wolfsburg mit großer Leidenschaft, doch im Angriff gelingt kaum etwas. Der Abstieg rückt näher.

Von Ralf Wiegand, Bremen

Solche Jubiläen braucht kein Mensch, aber tatsächlich wäre es nicht der erste Abstieg, den der SV Werder zu verkraften hätte. Vor 40 Jahren, am Ende der Saison 1979/80, ist es den Bremern schon einmal passiert. Zum vorletzten Spiel der Saison kam damals der 1. FC Köln ins Weserstadion, gewann mit 5:0 und schickte Werder in die zweite Liga. Die Bilder von damals wirken nicht nur deshalb so trist, weil die meisten davon in schwarz-weiß aufgenommen wurden. Es war, so steht es in den Klub-Annalen, "die bitterste Stunde der Vereinsgeschichte".

40 Jahre später kämpfen die Bremer zwar mit großer Leidenschaft dagegen, dass sich diese Geschichte wiederholt, doch die Wahrscheinlichkeit wird langsam zur Gewissheit, dass sie sich vielmehr auf einer Art Abschiedstournee ohne Publikum befinden. Beinahe verzweifelt brüllte Werder-Trainer Florian Kohfeldt seine Kommandos durchs leere Weserstadion aufs Spielfeld, während der entscheidende Konter aufs Bremer Tor rollte, er versuchte, seine Spieler in Position zu bringen, auf dass einer die Flanke doch noch verhindern würde, die sich anbahnte. Aber Felix Klaus durfte flanken, Wout Weghorst köpfen - das 0:1 acht Minuten vor Schluss.

Werders elfte Niederlage im 15. Heimspiel lässt Bremen wenig Hoffnung, dass sich diese Saison noch zum Guten wenden könnte. Anzeichen dafür sind kaum mehr vorhanden, die Harmlosigkeit im Angriff wächst sich zur Hoffnungslosigkeit aus.

Schon ein 0:0, wonach es lange aussah, wäre gegen den Rivalen aus dem Norden nur unwesentlich mehr als Nichts gewesen in dieser schwersten Saison seit dem Wiederaufstieg 1981. Dieses torlose Unentschieden aber hielten die Bremer lange sehr stabil. Geradezu aufopferungsvoll legte sich nicht nur die Mannschaft auf dem Rasen ins Zeug, sondern auch wieder diejenigen neben dem Spielfeld, die nicht mitmachen dürfen. Als Lümmel von der Bremer Bank sind sie schon verrufen, seitdem Fußball zum Hörspiel geworden ist.

VfL-Trainer Glasner entschuldigt sich - Kollege Kohfeldt peilt die Relegation als neues Ziel an

Zuletzt kritisierte Frankfurts Trainer Adi Hütter mangelnden Respekt seitens der krakeelenden Bremer, Wolfsburgs Coach Oliver Glasner schloss sich prophylaktisch an: In diesen Zeiten sei es auch ein Zeichen von "Solidarität", sich nicht durch ständiges Pöbeln von der Bank einen Vorteil verschaffen zu wollen.

Das ist natürlich eine absurde Erwartung an eine Mannschaft, die außer Teamgeist nicht mehr viel in die Waagschale zu werfen hat, und Glasner entschuldigte sich nach dem Spiel auch für die "falsche Wortwahl". Die Szenerie ist trist genug für einen handfesten Überlebenskampf, den die Bremer mit allen Mitteln führen, nur nicht mit denen, die für ein Fußballspiel essenziell sind: Ideen, die zu einem Tor führen könnten. Gegen Wolfsburg hatten nur Yuya Osako eine nennenswerte Torchance, die VfL-Torwart Koen Casteels vereiteln musste, da war eine halbe Stunde gespielt.

Kohfeldt peilt die Relegation als neues Ziel an

Ansonsten erkämpften sich die Bremer ihren Ballbesitz durch viele kleine Scharmützel auf dem Platz, durch Laufbereitschaft, durch Kampf eben. Doch ihrem eigenen Spiel fehlt jegliche Durchschlagskraft: Die gesamte Bremer Mannschaft hat in dieser Saison weniger Tore geschossen (29) als der Führende der Torjägerliste, Robert Lewandowski vom FC Bayern München, allein (30). Ob zwei Stürmer auf dem Rasen stehen wie am Anfang oder fünf wie am Ende, macht keinen Unterschied mehr, zumal in Milot Rashica der einzige, der diese Bezeichnung überhaupt verdient, auch noch verletzt fehlte.

Auf diese Art ist es schwer vorstellbar, wie in den letzten vier Spielen noch so viele Punkte zusammenkommen sollten, um den 16. Platz zu erreichen, der zwei Entscheidungsspiele um den Klassenerhalt gegen den Dritten der zweiten Liga bringen würde. Zumal die Bremer dabei ein Streichergebnis gegen die Bayern einplanen müssen, im eigenen Stadion, in dem ihnen nichts mehr gelingen mag. Bleiben noch Auswärtsspiele in Mainz und Paderborn, zudem das letzte Spiel gegen jenen Verein, der schon 1980 Schicksal an der Weser spielte, der 1. FC Köln.

Die Kulisse zum Bremer Niedergang zog in der Halbzeitpause in Form schwerer Gewitterwolken auf, es grummelte und donnerte über dem Weserstadion, und dann trat diese Saison in ihre Starkregenphase ein. Je stärker es regnete, umso schwächer wurden die Bremer, die den VfL Wolfsburg lange Zeit erfolgreich vom eigenen Tor weghalten konnten. Weghorst, zuvor torlos seit sechs Spielen, hatte zwar in der ersten Halbzeit die Möglichkeit zur Führung gehabt und frei vor Werders Torwart Jiri Pavlenka verdaddelt, eine Chance, deren Qualität ihn beim Videostudium noch überraschen wird; ansonsten waren die Bremer mit ihrer Guerillataktik, den Gegner in Ballbesitz auf jedem Quadratzentimeter des Platzes zu attackieren, erfolgreich. "Sie haben es uns mit ihrer Aggressivität sehr, sehr schwer gemacht", sagte Wolfsburg Trainer Glasner, dessen Mannschaft Richtung Europa Liga strebt, aber Kampf allein ist eben nicht genug.

"Mut macht mir vor allem noch die Tabelle", sagte Werders Trainer Kohfeldt, "es sind nur drei Punkte und das schlechtere Torverhältnis." Das Ziel sei jetzt Platz 16, die Relegation. Zwei letzte Chancen mehr.

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