Werder Bremen:Werder Bremen: Situation war "noch nie so kritisch"

Werder Bremen - Bayer 04 Leverkusen

Viktor Skripnik (links) und Thomas Eichin

(Foto: dpa)
  • Nach dem wichtigen Heimspiel gegen Darmstadt steckt Werder Bremen weiter tief im Abstiegskampf.
  • Werder-Trainer Viktor Skripnik hat eine schlechtere Bilanz als einst Robin Dutt. Der wurde daraufhin von Sportdirektor Eichin entlassen.
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Von Jörg Marwedel, Bremen

Das Allerschlimmste hat der alte Mann gerade noch verhindert mit seinem Kopfball in der 89. Minute. Bremens Stürmer Claudio Pizarro, 37, nickte einen Eckball noch zum 2:2 gegen Darmstadt ein und verhinderte den "Super-GAU", wie Vorlagengeber Zlatko Junuzovic eine mögliche Niederlage nannte. Aber auch kleinere Unfälle - etwa das zehnte sieglose Heimspiel oder die schlechteste Werder-Zwischenbilanz in der Bundesliga (21 Punkte aus 23 Spielen) - haben die Debatte um Trainer Viktor Skripnik weiter verschärft.

Und wäre allein die erste Halbzeit zum Maßstab genommen worden, hätte Manager Thomas Eichin wohl schon eine Entscheidung gegen den Coach getroffen. Die ersten 45 Minuten waren aus Werder-Sicht so trostlos wie die trostlosen Heimspiele des Tabellenletzten Hannover 96 oder jene des Hamburger SV in dessen beiden Relegations-Jahren. Das verunsicherte Team (Skripnik: "Jeder hatte Angst vor Fehlern") erspielte sich nur eine einzige Chance, die immerhin durch Anthony Ujah in der 33. Minute zum 1:0 führte, ehe Werder-Torwart Felix Wiedwald den früheren Bremer Sandro Wagner kurz vorm Pausenpfiff zu Fall brachte und dieser den Elfmeter "trotz ein bisschen Druck" so kühl zum 1:1 verwandelte wie einst die Spezialisten Manfred Kaltz oder Paul Breitner.

Thomas Eichin spricht sich noch für Skripnik aus

Eichin will aber die Debatte um den Trainer weiter eindämmen, so gut es geht. "Ihr merkt doch, wie ich rede, dass ich nicht vorhabe, den Trainer zu wechseln", sagte er. Zwar hat er mit zwei Entlassungen (2013 Thomas Schaaf, 2014 Robin Dutt) längst die einstige Dutt-These widerlegt, wonach Werder in Bezug auf den Trainerschutz "eine der letzten Bastionen im Profifußball" sei. Tatsächlich hat Eichin diesmal keine Sätze wie vor der Dutt-Trennung im Oktober 2014 ("Endspiel") oder vor der Schaaf-Demission im Mai 2013 ("Ein Trainerwechsel ist auch in Bremen kein Tabu") gesprochen. Erst wenn er erkenne, dass es einen Bruch gebe zwischen Team und Coach, müsse er handeln. Den sehe er aber nicht.

Wieweit aber Skripnik und die Profis noch von diesem Bruch weg sind, darüber kann man spekulieren. Ersatz-Kapitän Junuzovic, von Skripnik beim 0:2 in Ingolstadt auf die Ersatzbank gesetzt, ist offenbar kein Skripnik-Jünger mehr. Er sei als Spieler "nicht der richtige Ansprechpartner", wich er aus, als er um ein Statement zum Coach gefragt wurde. Jeder Trainer habe ja so "seine eigene Philosophie", ließ er noch wissen. Dass die Spieler mit der ungewohnt vorsichtigen Taktik in Ingolstadt, wo der unerfahrene Lukas Fröde für Junuzovic spielte, unzufrieden waren, hatten bereits Jannik Vestergaard und Anthony Ujah recht direkt angedeutet.

Selbst Dutt hatte in seinem ersten Werder-Jahr mehr Punkte gesammelt

Skripnik selbst beeilte sich zu sagen, er "spüre die Unterstützung des ganzen Vereins". Geschäftsführer Eichin hat seinen Beistand öffentlich zu unterstreichen versucht, indem er nach dem Schlusspfiff gemeinsam mit dem Trainer über den Rasen schlenderte. Nur in Nebensätzen streute er später das ein, was er nach weiteren Misserfolgen - zum Beispiel am Mittwoch in Leverkusen oder nach dem Abstiegs-Nordderby am kommenden Samstag gegen Schaafs Hannover - deutlicher thematisieren könnte. Es sei "noch nie so kritisch" gewesen wie jetzt, murmelte er. Zudem habe sogar Dutt im ersten Werder-Jahr mehr Punkte gesammelt als sein Nachfolger.

Auch diesmal überraschte Skripnik übrigens mit einer diskussionswürdigen Variante, als er den offensivstarken Florian Grillitsch vor der eigenen Abwehr arbeiten ließ. Die Darmstädter dagegen zeigten wieder ihr klares Konzept: hoch, weit und manchmal extrem hart - so verschafften sie sich Respekt. Peter Niemeyer, wie Wagner und Luca Caldirola ein früherer Bremer, kassierte schon die elfte gelbe Karte. Kapitän Sulu wäre nach einem Zweikampf mit Ujah wohl bei manchem Referee mit Gelb-Rot vom Platz gegangen. Stattdessen erzielte er kurz nach dieser Szene per Kopf das 1:2, vorausgegangen war ein Freistoß von Kempe (82.). Danach enterten die Bremer den Gäste-Strafraum, und am Ende war Trainer Schuster doch "froh" über jenen Punkt, der sein Team weiter vier Punkte vor dem Relegationsplatz lässt.

Schuster ist nach den Spielen eindeutig freundlicher als seine Profis auf dem Rasen, anständig wünschte er dem "Kollegen Viktor alles Gute, auch wenn wir Konkurrenten sind". Seine umstrittene Einschätzung der Bremer Leistung ("spielerisch gut, kämpferisch überragend"), musste er nicht mehr erläutern. "In 50 Minuten geht der Flieger", erklärte er. Nachfragen nicht möglich.

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