Werder Bremen vor dem Spiel gegen Bayern:Schleichender Abstieg vom Gipfel

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Die vermutliche Rückkehr von Claudio Pizarro nach München verschärft ausgerechnet vor der Partie gegen den FC Bayern die Personaldebatten bei Werder Bremen. Die einstmals aufregendste Bundesliga-Mannschaft droht wegen finanzieller Einbußen des Klubs zu zerfallen - Trainer Schaaf und Klubboss Allofs scheinen daran nicht ganz unschuldig.

Jörg Marwedel

Klaus Allofs hatte sich das schön ausgedacht mit der positiven Nachricht vor dem einstigen "Nord-Süd-Gipfel" gegen den FC Bayern. Der Chef von Werder Bremen gab "mit großer Freude" die erste Vertragsverlängerung für die kommende Saison bekannt. Clemens Fritz, immerhin der Kapitän, wird bis mindestens 2014 bleiben. Die unangenehme Botschaft dagegen hat Allofs versucht zurückzuhalten, falls er sie denn schon wusste.

Der Stürmer und sein Trainer: Claudio Pizarro und Thomas Schaaf könnten bald getrennte Wege gehen. (Foto: dapd)

Sie kam - sozusagen unautorisiert - Stunden später aus München und lautete: Werder wird nach Mesut Özil, Torsten Frings, Per Mertesacker und Tim Wiese das nächste Ass verlieren. Es ist der "Torgarant" (Allofs) Claudio Pizarro, der schon einmal 2001 den Weg von Bremen zum FC Bayern nahm.

Amtlich sei noch nichts, sagte Allofs. Nur, dass es "kein Feilschen mehr geben wird und es nur noch um die Entscheidung für oder gegen Werder geht". Vermutlich wird die Entscheidung am Wochenende amtlich sein. Der Manager des derzeit schweigenden Pizarro, Carlos Delgado, wird in Bremen landen. Es spricht fast alles dafür, dass Werder bei der wichtigsten personellen Baustelle ein großes Loch im Angriff bekommt.

Der von Allofs angekündigte Neuaufbau wird ohne den Stützpfeiler Pizarro noch schwieriger werden. Denn Werder, sportlich über Jahre einer der größten Bayern-Rivalen, ist auch in der Geldrangliste nur noch Mittelmaß. Um sie wieder zum Kontrahenten zu machen, bräuchte man wohl gleich eine Handvoll von jenen Talent-Rubinen, die Allofs dereinst regelmäßig, zuletzt aber kaum noch fand.

Pizarro aber ist auch ein Beispiel für den Abstieg einer Mannschaft. Irgendwann lässt sich auch ein außergewöhnlicher Fußballer von zunehmend mediokren Mitspielern hinabziehen. Der 33-jährige Stürmer (Hinrunde noch zwölf Treffer) hat seit dem Winter wie seine Kollegen kaum noch ein Bein auf die Erde bekommen, was sich in nur noch vier Pizarro-Toren und Rang 15 in der Rückrundentabelle ausdrückt.

Zuletzt wirkte Pizarro eher wie ein mittelmäßig motivierter Profi. Die Bayern brauchen vermutlich einen exzellenten Fitnesscoach, um den Peruaner noch einmal auf das von ihnen gewünschte Niveau eines erstklassigen Mario-Gomez-Vertreters zu ziehen.

Pizarro ist aber nicht der einzige Profi, der Werders Neuaufbau offenbar nicht mehr begleiten möchte. Abwehrspieler Naldo sagt zwar heute dies und morgen das, aber sein Heimweh nach Brasilien ist aktenkundig. Es hat auch sportliche Gründe. Sein Nebenmann Sokratis Papasthatopoulos, 23, der einzige Volltreffer auf dem Transfermarkt vor dieser Saison, hat sich auch nicht unbedingt gefreut, als Werder aus dem Leihgeschäft mit dem FC Genua einen Kauf mit Vierjahresvertrag gemacht hat.

Der Grieche, der in Kürze zu einem der wichtigsten Spieler aufstieg, hat nur mittelmäßig viel Lust, an der Neukonstruktion mitzuwirken. Allofs wird bei dem angekündigten Gespräch viel Überzeugungskraft benötigen, um ihn vom neuen Weg des Klubs, vermutlich ohne Europa-League-Startrecht, zu überzeugen. "Wir werden ihn nicht mit vorgehaltener Pistole zwingen, für Werder zu spielen", sagt Allofs. Was man so oder so auslegen kann.

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Das Problem ist: Sowohl Werders als auch der Ruf von Allofs und Trainer Thomas Schaaf haben in den vergangenen zwei Jahren Schaden genommen. Weil nicht mehr viel übriggeblieben ist vom einst schönsten Offensiv-Fußball der Liga. Zwar hält der Aufsichtsratsvorsitzende Willi Lemke offiziell weiter an der alten Linie fest, die einen Wechsel der sportlichen Führung ausschließt, indem er ihr "auch mal zwei schwächere Jahre" zugesteht. Doch die Fans regen sich in Leserbriefen zunehmend auf über "Artenschutz" und "Narrenfreiheit" für das Duo Allofs/Schaaf.

Der Flügelflitzer, Gauner mit gutem Gewissen (Video: Video: sde, Foto: dapd)

Sie zählen jeden der seit 2007 angeheuerten Profis auf und kommen zu dem Ergebnis: Bis auf Pizarro, Özil und Sokratis sei da nichts Positives herausgekommen. Das stimmt in etwa. Flops wie Carlos Alberto, Wesley, Wagner, Silvestre oder Advid seien dagegen deutlich in der Mehrzahl. Auch das stimmt. Dass sich zuletzt kaum noch ein Profi weiterentwickelte und der Nationalspieler Marko Marin im Prinzip keinen Platz mehr im Team hat, muss man auch Schaaf ankreiden.

Der Coach lässt fast nie mit einem System spielen, indem Marin seine Schnelligkeit und sein Trickreichtum am Flügel ausspielen kann. Ausgewiesene Experten bescheinigen Schaaf zudem, sein Training sei zum Teil etwas veraltet. Auch die vielen Verletzten sind mal wieder ein aktuelles Thema. Beobachter rätseln, ob das der medizinischen Abteilung, dem Trainer oder dem Zufall anzulasten sei. Allofs sagt, er stelle alles auf den Prüfstand, sei aber kein Freund der Sündenbock-Theorie. Ergebnis der Prüfung: Weder Trainer noch Mediziner seinen Schuld am derzeitigen Misserfolg.

Nach dem 2:1 gegen Real Madrid in der Champions League stellte Karl-Heinz Rummenigge fest, nun hätten die Bayern vor dem Rückspiel "eine Woche Zeit, um zu regenerieren". Als gäbe es die Partie gegen Werder gar nicht. "Gedankenlos" sei dieser Satz gewesen, meinte Klaus Allofs. Wie man den einstigen "Nord-Süd-Gipfel" denn künftig nennen solle, wurde Thomas Schaaf gefragt.

Dafür sei er nicht zuständig, sagte er. Das sei zum Glück die Sache der Journalisten.

© SZ vom 21.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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