Bundesliga:Werders Gegenwart tut weh

GER, 1.FBL, Training SV Werder Bremen / 20.09.2019, Trainingsgelaende am wohninvest WESERSTADION, Bremen, GER, 1.FBL, T

Bitteres Trainingsende im Golfcart: Werder-Stürmer Niclas Füllkrug wird nach seinem Kreuzbandriss vom Platz gefahren.

(Foto: imago)
  • Fußball-Bundesligist Werder Bremen muss zu Saisonbeginn viele Verletzungen verkraften - gegen Leipzig etwa fehlten neun Profis.
  • Werder hat eigentlich ambitionierte Ziele: Man will wieder europäisch kicken.
  • Nun geht es auswärts gegen Borussia Dortmund und Eintracht Frankfurt.

Von Jörg Marwedel, Bremen

Es gibt durchaus positive Nachrichten von der medizinischen Abteilung bei Werder Bremen. Gerade wurde die Rückkehr der zuletzt maladen Abwehrspieler Milos Veljkovic, Sebastian Langkamp und Ömer Toprak ins Teamtraining gefeiert. Auch der nach einer Knieoperation lange ausgefallene Philipp Bargfrede und der ebenfalls mehrere Wochen absente Stürmer Milot Rashica (Adduktoren) sind wieder einsatzfähig. Dennoch gilt weiterhin der von Stadionsprecher Arnd Zeigler vor dem 0:3 gegen RB Leipzig beklagte Zustand, dass "keine Mannschaft in 56 Jahren Bundesliga" so arg vom Verletzungspech gebeutelt worden sei wie Werder aktuell. Gegen Leipzig fehlten neun Profis mit Stammspielerpotenzial - einmal waren es in dieser Saison sogar schon zehn.

Das passt so gar nicht zum Werder-Bild der Zukunft, das sich Aufsichtsratschef Marco Bode, Geschäftsführer Frank Baumann und Trainer Florian Kohfeldt ausgedacht hatten. Der viermalige Meister soll trotz relativ bescheidener finanzieller Mittel endlich wieder eine europäische Größe werden, die in der Bundesliga oben mitmischt und sich auch wieder mit Teams messen kann wie Inter Mailand, das im Dezember 2010 der bisher letzte Werder-Gegner in der Champions League war. Die schönen Visionen könnten aber bald vorerst auf Eis liegen: In der Bundesliga geht es mit zwei schweren Auswärtsspielen in Dortmund und Frankfurt weiter. Gehen beide Partien verloren, könnte der aktuelle Tabellenzehnte Werder, statt europäisch zu träumen, in den Keller absacken.

Der 36-jährige Fußballlehrer Kohfeldt gibt schon jetzt zu, dass ihm "die schwierigste Phase, die ich bisher hier erlebt habe" bevorstehe - eine Phase, in der "nichts Verlässliches mehr da ist". Solche Sätze hat man vom Trainer-Rookie noch nie gehört.

Und wie so oft in komplizierten Zeiten melden sich nun auch Kritiker zu Wort, die eine solche Verletzungsserie nicht als bitteren Zufall gelten lassen wollen. Der Alt-Werderaner Dieter Eilts, frühere Nationalspieler und Juniorencoach des DFB, deutete in seiner Weser-Kurier-Kolumne an, dass Kohfeldt im Training womöglich "einen neuen, zusätzlichen Input für die Spieler" gebe, "dessen Auswirkungen auf ihre Ermüdung nicht einzuschätzen ist". Vielleicht müsse man an kleinen Stellschrauben drehen, so Eilts, etwa mit einer Veränderung der Trainingsabläufe.

"Es gibt bei den Verletzungen keine wiederkehrenden Muster", sagt Kohfeldt

Kohfeldt selbst kann keine Einflüsse dieser Art erkennen. Ausführlichst, berichtete er, würden alle Verletzungen und der gesundheitliche Status jedes Spielers mit Physiotherapeuten, Co- und Athletik-Trainern mehrmals pro Woche besprochen: "Es gibt bei den Verletzungen keine wiederkehrenden Muster", betont Kohfeldt. Zudem greift er auf ein Monitoring-System zurück, das jede Verletzung auch mit Videobildern ausleuchtet. Diverse Daten kommen hinzu, um die Belastungen der Profis zu messen. Bei jedem Training sei ein Physiotherapeut zugegen, um Bewegungsmuster zu beobachten. Auch externe Experten und Mediziner werden mittlerweile hinzugezogen - aber auch die hätten nichts anderes ermittelt: "Wir haben alles auf den Kopf gestellt", sagt Kohfeldt.

Die Aufwärtsentwicklung, seit der Trainer im Herbst 2017 ins Amt kam, ist vorerst gebremst. Der Verlust des nach Istanbul abgewanderten Kapitäns Max Kruse wiegt schwerer als von Baumann und Kohfeldt gedacht - der Kreativgeist hatte vorige Saison 22 Scorerpunkte gesammelt. Die heimische Presse stellt bereits Listen mit vertragslosen Spielern auf, die jetzt auch kurzfristig verpflichtet werden könnten. Genannt wurden etwa der frühere französische Nationalspieler Hatem Ben Arfa, 32, der Italiener Giuseppe Rossi, 32 - und Sidney Sam, der zuletzt aber nicht mal mehr für Zweitligist Bochum gut genug war.

Bremen werde auf solche Not-Transfers verzichten, versichert Baumann, obwohl er weiß, dass er Werder dauerhaft nur wieder in oberen Bundesliga-Regionen etablieren kann, wenn Europapokal-Einnahmen fließen. Ein bisschen erinnern Werders Verantwortliche derzeit an die Bremer Stadtmusikanten, die von einem besseren Leben träumen. Vorerst geben sie das "ambitionierte Ziel" (Baumann) Europa, das sie schon in der Vorsaison knapp verfehlten, nicht auf - Kohfeldt will "da nichts korrigieren". Man habe genug Mentalität, um aus der Misere herauszukommen, glaubt er. Der fünfte Spieltag sei zu früh, um sich von diesem Vorhaben zu verabschieden.

Auch Maximilian Eggestein, der nach Rückenproblemen wieder fit ist, gibt sich kämpferisch: "Wir fahren nach Dortmund, um zu gewinnen. Alles andere würde nicht zu uns passen." Ein Rezept gegen die Unglücksserie kennt bisher aber niemand.

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