Werder Bremen in der Bundesliga:Tiefschläge gegen Riesenbrocken

Werder Bremen in der Bundesliga: Trainer Ole Werner (links) hat Werder Bremen aus der zweiten in die erste Liga geführt und dort stabilisiert.

Trainer Ole Werner (links) hat Werder Bremen aus der zweiten in die erste Liga geführt und dort stabilisiert.

(Foto: Carmen Jaspersen/dpa)

"Mir scheißegal, was hier vor zwei Jahren war": Das 1:2 gegen Union ist Bremens vierte Pleite hintereinander - und es weckt Erinnerungen an düstere Zeiten. Coach Werner muss nun wichtige Akteure wieder scharf bekommen.

Von Thomas Hürner, Bremen

Es gibt Tage, an denen eine Fußballmannschaft einen Blackout erleidet und richtig baden geht, wie es im Volksmund gerne heißt. Das tut für einen Moment lang höllisch weh, den Spielern und den Fans, aber der Schmerz legt sich bald. Aus sonderbaren Spielen lässt sich schließlich nichts Allgemeines ableiten. Außerdem gibt es Tage, an denen eine Fußballmannschaft vieles ordentlich macht und trotzdem verliert. Zuerst fühlt sich das okay an, weil man sich mit Blick aufs Engagement keine Vorwürfe machen muss. Doch dann setzen Zweifel ein: Was, wenn das nicht reicht?

Der SV Werder Bremen hat binnen weniger Tagen nun beide Varianten von Fehlschlägen hinter sich: Ein 1:7 am Samstag beim 1. FC Köln, das intern wie extern als kolossaler Betriebsunfall betrachtet wurde, aus dem man mit Blick auf den weiteren Saisonverlauf nicht wirklich schlauer geworden ist. Am Mittwochabend folgte nun ein 1:2 daheim gegen den nun Zweitplatzierten 1. FC Union Berlin, aus dem mindestens drei Lesarten resultieren. Die wohl naheliegendste steuerte der Werder-Coach Ole Werner bei: "Das war natürlich eine klare Leistungssteigerung im Vergleich zu Köln", sagte er in trockenem Ton, "aber gut, das war ja nicht so schwer."

Die anderen beiden Lesarten weisen über das Aktuelle hinaus, aus Bremer Sicht taugt dabei eine als Stimmungsaufheller und die andere als Auslöser für ein wenig Lampenfieber. Die positive: Werder hat nun zwar vier Niederlagen in Serie angehäuft, allerdings zu drei Vierteln gegen Teams, deren Ambitionen und/oder Budgets deutlich über jenen des Aufsteigers aus Bremen liegen (Union, Leipzig, Bayern).

Die Ergebniskrise wäre demnach rational erklärbar und somit keine allzu komplexe Analyseaufgabe für Ole Werner, der nichts lieber mag, als ganz in Ruhe zu analysieren. Das Problem ist nur: Der Terminkalender hat all diese unangenehmen Riesenbrocken nun mal in Werders Saisonendphase gelegt - und wenn die Bremer nach diesen neuerlichen Tiefschlägen nicht bald in ihren Flow zurückfinden, werden sie in der Rückrunde keinesfalls auf jene 21 Punkte kommen, die sie in der soeben abgeschlossenen Hinserie eingesammelt haben.

Wie schnell sich so eine Negativspirale drehen kann, weiß schließlich kaum jemand besser als die Bremer: Auch in der Abstiegssaison vor zwei Jahren hatte sich Werder lange in der tabellarischen Sicherheitszone aufgehalten. Dann setzte es eine Niederlage. Die zweite. Die dritte. Die vierte. Und schwups, auf einmal war man in die Zweitklassigkeit entschwunden.

Die Fehlerliste bei Werder Bremen ist auch gegen Union lang

"Ist mir scheißegal, was hier vor zwei Jahren war", sagte Werner nach dem Union-Spiel in für ihn ungewohnter Deutlichkeit und schob nach: "Für mich war immer ganz klar, dass du als Aufsteiger in Phasen kommst, in denen du nicht punktest. Die Frage ist, wie du da wieder rauskommst." Die Frage ist aber auch, wie der Werder-Coach einige seiner Schlüsselakteure wieder scharf gestellt bekommt. Die Bremer verfügen über einen klaren Plan und einstudierte Abläufe, aber gegen Union blieb erneut nicht verborgen, dass die aktuellen Form- und Konzentrationsschwächen über das verträgliche Maß hinausgehen.

Die Fehlerliste ist lang: Der Torwart Jiri Pavlenka streute zahlreiche Nachlässigkeiten in den Spielaufbau ein, der Abwehrmann Amos Pieper verschuldete kurz nach seinem Führungstreffer (14. Minute) den 1:1-Ausgleich mit einem zu laschen Rückpass auf Pavlenka (Janik Haberer/18.), und das 1:2 fiel nach einem viel zu zurückhaltend verteidigten Eckball (Kevin Behrens/46.). Werder nahm sich trotz ansprechender erster Halbzeit mit derlei Unachtsamkeiten selbst aus der Partie. Und danach kam man nicht wieder rein, weil die Berliner taten, was die am besten können: Sie schraubten das Ekligkeitslevel der Zweikämpfe noch ein paar Nuancen nach oben.

Der eiserne Abwehrriegel hielt den Angriffen bis zum Ende relativ problemlos stand. Das lag aber nicht nur an der mal wieder vorbildlichen Disziplin der Unioner, sondern auch an der Nicht-Wahrnehmbarkeit der Bremer Stürmer Niclas Füllkrug und Marvin Ducksch, deren Miteinander seit ihrer Trennung während der WM-Wochen nicht mehr ganz so harmonisch wirkt - und weil im Mittelfeld ein autoritärer Ballverteiler fehlt, der mit seiner Präsenz das Spiel beruhigt oder beschleunigt.

Wintertransfers stehen bei den klammen Bremern nicht zu erwarten

Für diese Rolle war vor der Saison Jens Stage geholt worden, ein schüchterner Däne mit angeblich großer Begabung, die sich Werder vier Millionen Euro kosten ließ. In England deckt so ein Betrag allenfalls die Bewirtungskosten eines Transfergeschäfts, aber für die wirtschaftlich ramponierte Traditionsmarke Werder ist das mittlerweile eine ganze Menge Geld. Kein Bremer Zugang war teurer als Stage, der diese klubinterne Spitzenposition gemeinerweise bis zum Saisonende verteidigen wird. Denn der SV Werder ist laut Sportchef Frank Baumann kein aktiver Teilnehmer auf dem Wintermarkt. Verstärkungen sind aktuell einfach nicht drin.

Der Bremer Trainer Werner muss die Mission Klassenverbleib also mit den vorhandenen Bordmitteln angehen, was für ihn übrigens auch absolut in Ordnung geht. "Wenn ich da jetzt die Hosen voll hätte", sagte Werner, "dann wäre mir ja auch nicht mehr zu helfen." Hilfe zur Selbsthilfe können seine Spieler schon am Samstag gegen den VfL Wolfsburg leisten. Aus Bremer Sicht ist das nur leider der schlechtmöglichste Zeitpunkt, um es mit der Werkself aufzunehmen: Wolfsburg hat zuletzt sechs Spiele in Serie gewonnen und dabei ein Torverhältnis von 22:1 erzielt. Den Terminkalender kann man sich halt nicht aussuchen.

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