Werder Bremen:"So wie heute geht nicht"

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So sieht Frust aus: Die Bremer Eggestein, Friedl und Toprak (v.l.) (Foto: Patrik Stollarz/AFP)

Werder verliert mit 0:2 gegen Union und an der Weser wachsen nach einer kurzen Phase der Zuversicht schon wieder die Zweifel. Der Gegner spielt so, wie Bremen es gern würde.

Von Thomas Hürner, Bremen

Es ist immer so eine Sache mit den Jahreswechseln, aus den geplanten Neuanfängen wird meistens nichts und die Vergangenheit holt einen doch wieder ein. Dennoch sind die Menschen heilfroh, dass dieses leidige 2020 endlich vorbei ist, im Seuchenjahr gab es ja weit größere Herausforderungen als fußballerischen Überlebenskampf. Und doch zehrte dieser Kampf an allen beim SV Werder, den Funktionären, den Fans. Nicht zuletzt am Trainer Florian Kohfeldt, der sein Seelenleben wohl auch nicht verbergen wollen würde, wenn er es denn könnte.

Nach der 0:2-Heimniederlage am Samstag gegen Union Berlin sagte Kohfeldt, nein, er raunte es fast schon desillusioniert ins Mikrofon: Es gebe eigentlich nichts weiter anzumerken, das sei eine in "allen Belangen schlechte Leistung" gewesen. Dann noch zwei, drei Sätze, ehe er die Pressekonferenz mit dem kurzen, aber prägnanten Fazit schloss: "So wie heute geht nicht." Das schien selbst den in Bremen traditionell wissbegierigen Journalisten zu genügen, keine weiteren Fragen, Kohfeldt erhob sich vom Podium und schritt gesenkten Hauptes zur Tür.

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Sind die Zweifel zurückgekehrt an der Weser? Noch vor der kurzen Weihnachtspause gab es den späten, glücklichen 1:0-Erfolg im Abstiegsduell gegen Mainz, der Optimismus schien Kohfeldt vor dem neuen Jahr nur so im Gesicht zu stehen. Und auch vor der Partie gegen Union war Kohfeldt voller Zuversicht gewesen, obwohl er mit den Trainingsleistungen unter der Woche unzufrieden war. Er hatte den Seinen ein ähnliches Leistungsvermögen wie dem Gegner bescheinigt, eine ähnliche Spielidee, ähnliche Stärken und Schwächen. Wer mag es ihm auch verdenken? In der Liga wären gerade ziemlich viele gern so wie Union, nicht nur, weil die Mannschaft von Trainer Urs Fischer vorübergehend einen Champions League-Platz eingenommen hat.

Die Berliner spielten so, wie es die Bremer gerne täten, sie schmissen sich in jeden Ball, sie kommunizierten, sie griffen überfallartig an. Und wenn sie des Balles mal verlustig gingen, dann formierten sie sich gleich wieder, mit viel Umsicht und Disziplin. Das kann Werder prinzipiell auch. Der feine Unterschied ist aber, dass die Berliner es nahezu wöchentlich vorführen, was Fischer auch am Samstag ein Sonderlob wert war: Seine Mannschaft sei "immer wach, konzentriert und bis zum Schluss bei der Sache" gewesen.

Bei Werder wiederum schleichen sich immer mal Nachlässigkeiten ins Spiel wie jene, die dem ersten Gegentreffer vorausging: Ein feiner Vertikalpass auf den Union-Angreifer Taiwo Awoniyi, genug Zeit zum Attackieren, aber auch nachdem Awoniyi den Ball an Sheraldo Becker weitergegeben hatte, hielt sich der Bremer Verteidiger Marco Friedl an die im Alltag geläufige Abstandsregel. Becker konnte unbedrängt in Richtung des Gegners Tor laufen und zum 1:0 abschließen (12.). Friedl war es dann auch, der, leicht geschoben von Unions Becker, einen Klärungsversuch in die Beine eines Berliners spielte und so den zweiten Treffer einleitete (28.).

Kohfeldt tobte, fuchtelte mit den Händen, ahmte den Schubser nach. Vermutlich wäre er ans Stadiondach gegangen, wenn er mitbekommen hätte, dass er dabei von amüsierten Union-Mitarbeitern auf der Tribüne nachgeäfft wurde. Letztlich hätte es für ein Foul aber schon mehr bedurft, diese Erkenntnis hatte sich auch bei Kohfeldt nach dem Schlusspfiff durchgesetzt. Es dürfte ihn ohnehin mehr beschäftigen, wie man die stotternde Bremer Tormaschine anwerfen kann. Das gefährliche Dasein am Rande des Tabellenkellers liegt vor allem an der offensiven Harmlosigkeit.

Die Angreifer Josh Sargent und Yuya Osako sind versiert am Ball, auch gegen Union hatten sie ihre zwei, drei Szenen. Allein: Sie bringen den Ball nicht im Tor unter, gemeinsam kommen sie auf einen Saisontreffer. Und es wird wohl nicht reichen, alle Hoffnung in die verlässlichsten Offensivmänner zu setzen. Der eine, Niclas Füllkrug, ist häufig verletzt, am Samstag kehrte er nach erneuter Zwangspause als Einwechselspieler auf den Platz zurück. Und der zweite, Milot Rashica, steht weiterhin zum Verkauf, die klammen Bremer hoffen trotz eines bewilligten Millionenkredits auf weitere Einnahmen.

Daraus macht auch niemand einen Hehl, in Bremen haben sich alle Beteiligten zu einem Weg bekannt, der auch Entbehrungen vorsieht. Obwohl der Beinahe-Abstieg in der vergangenen Saison Dellen hinterlassen hat, frönt an der Weser niemand dem Defätismus. Zumindest bis zu Kohfeldts Auftritt nach dem Spiel gegen Union.

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