Werder Bremen: Thorsten Frings:Wohin mit unserem Alten?

Thorsten Frings hat ein gravierendes Problem: Er ringt um den richtigen Zeitpunkt für den Ruhestand. Sein Klub Werder Bremen weiß selbst nicht so recht, ob Frings der Mannschaft noch weiter hilft.

Ralf Wiegand

Es gibt nicht viele Probleme, welche die sich rasant verändernde Gesellschaft mit dem Profifußball teilen kann. Der Fußball ist eine Phantasiewelt, ein Mikrokosmos, in dem die Menschen ein Heidengeld verdienen, nach schwersten Verletzungen wie von Zauberhand genesen, und das, obwohl sie nicht einmal auf einen Termin beim Arzt warten mussten. Aber die ewige Jugend hat auch der Fußball nicht gepachtet. Beim demografischen Wandel gilt hier wie dort: Wohin mit unseren Alten?

Torsten Frings und Klaus Allofs

Bleiben? Aufhören? Doch bleiben? Bremens Veteran Thorsten Frings.

(Foto: dpa)

Die Liga sucht nach Lösungen. Der HSV etwa gedenkt, seinem alternden Mittelfeldstar Zé Roberto, 36, zum Karriereende einen Auslandsaufenthalt zu ermöglichen, zum Beispiel in New York. Dort würde er mit stark koffeinhaltigen Aufbaugetränken eines österreichischen Brausebrauers frisch gehalten. Ein Rückflug ist nicht vorgesehen.

Der FC Bayern verschiebt seinen gerontologisches Sorgenkind Mark van Bommel, 33, womöglich demnächst einfach an einen Standort, wo sie Alter noch mit Erfahrung verwechseln. Wolfsburg bietet sich an. Und in Bremen ringt gerade der Mannschaftssenior Torsten Frings, 34, öffentlich um den richtigen Zeitpunkt fürs Altenteil.

Er wisse noch nicht, ob er am Ende der Saison aufhören werde oder noch ein Jahr dranhängen wolle, sagte der ehemalige Nationalspieler dem Weser-Kurier. Geschäftsführer Klaus Allofs überraschte diese Aussage derart ("Ich bin überrascht!"), dass diese Überraschtheit auch schon wieder überraschte: Ist nicht Frings gerade mit zwei verschossenen Elfmetern und einer geradezu legendären Biestigkeit zur Symbolfigur des überfälligen Wandels bei Werder geworden? Müsste der Klub nicht dankbar sein, träte Frings freiwillig in Ruhestand?

Die Frage des Alters hat im Fußball eine ganz andere Dimension bekommen, weil das Spiel von Jahr zu Jahr schneller zu werden scheint. Früher konnte es sich ein Verein wie Bremen erlauben, einen fast 40-jährigen Manfred Burgsmüller zu verpflichten oder den Vertrag mit einem schon längst grau melierten Mirko Votava immer wieder zu verlängern.

Der damalige Trainer Otto Rehhagel hatte einfach ein eigenes Fußball-Grundgesetz geschrieben, mit dem alles beherrschenden §1: "Es gibt keine alten und jungen Spieler, sondern nur gute und schlechte." (§ 2 lautete übrigens: "Ich kritisiere Sie nur als Spieler. Als Mensch sind Sie mir heilig.") Rehhagel, der persönlich bei der Erforschung der ewigen Jugend weit gekommen ist und mit über 70 das Temperament eines 40-Jährigen hat, wurde auf diese Art zwar 2004 Europameister mit Griechenland, aber auch heuer von denselben alten Griechen entlassen.

Sie hatten erkannt: Jugend forscht die Grenzen aus, das Alter prallt nur an ihnen ab.

Ein Zimmer unterm Dach

Heute stehen in der Bundesliga gerade nach der erschöpfenden WM-Saison nun die jungen, schnellen Teams ganz oben. Dortmund mit seiner U23, der talentierte FSV Mainz, der modern ausgebildete SC Freiburg. All diese Mannschaften haben die zentralen Umschaltstationen zwischen Mittelfeld und Angriff, dort also, wo das Spiel schnell gemacht wird, mit flinken, jungen Spielern besetzt: Jugend ist leider eine unabdingbare Voraussetzungen für Schnelligkeit.

Bei Werder wirkt dort seit Jahr und Tag Torsten Frings. Nach den Erfahrungen von Bundestrainer Joachim Löw, der größte Mühe hatte, den Veteranen von der Weser vor der WM 2010 ohne Handgreiflichkeiten aus seinem Kader zu verbannen, war Werders Trainer Thomas Schaaf nicht zu beneiden. Wie sollte er, der den ganzen Weg mit Frings über elf Jahre gegangen ist, seinen Kapitän zwecks Erneuerung des an einigen Stellen angestaubten Kaders zum Aufhören bewegen? Oder braucht Werder diesen Torsten Frings etwa noch?

Sportlich könnten der Brasilianer Wesley, 23, oder Philipp Bargfrede, 21, in die Rolle des defensiven Strippenziehers hineinwachsen, aber im Teamgefüge ist Frings als letzte Instanz derzeit tatsächlich nicht zu ersetzen. Selbst noch mit nachlassendem Tempo ein Vorbild an Einsatz, liest er den jungen Kräften im Kader regelmäßig die Leviten. Wer weiß, wo die phasenweise in der Vorrunde auseinanderfallende Elf sonst stünde. Schon deshalb ist er, wie Allofs anmerkt, "ein ganz wichtiger Spieler für uns".

So gesehen kann Frings mit dem Verein um eine Verlängerung des auslaufenden Vertrags pokern, ohne ein Konkurrenzangebot in der Tasche zu haben: Er ist ein Unikum. Nach seiner Karriere, ob nun 2011 oder 2012, will er eh im Verein bleiben.

Das macht Werder nämlich gerne so mit seinen Alten: Sie kriegen ein Zimmer unterm Dach, ein schönes Taschengeld und trainieren dafür ein bisschen die Kinder oder räumen auf der Geschäftsstelle die Akten weg, wie Frings' Vorgänger als Kapitän, Vorstandsassistent Frank Baumann. Mehrgenerationwohnen heißt das wohl.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: