Werder Bremen:Sonntag ist Krisensitzung

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Auch er trifft nicht: Claudio Pizarro. (Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Drei Niederlagen in acht Tagen - Werder Bremen spielt ungewohnt kopflos unter Trainer Viktor Skripnik.
  • Viele Verletzte machen dem Bundesligisten Probleme. Die Tiefe im Kader fehlt.
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Von Frank Hellmann, Bremen

Vorweg: Eine gute Tat hat der SV Werder an diesem schwarzen Samstag für alle Grün-Weißen dann doch vollbracht. Das Weserstadion bei der Bundesliga-Begegnung gegen Bayer Leverkusen als Bühne zu öffnen, um unter dem Motto "Gemeinsam für Inklusion" für das selbstverständliche Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung einzutreten - die Aktion hat einige Herzen berührt.

Den Stadionsprechern Arnd Zeigler und Christian Stoll stand beispielsweise ein 19-Jähriger mit Down-Syndrom zur Seite, die Spieler liefen teilweise mit behinderten Kindern ein. Vielleicht hat auch diese Aktion dazu geführt, dass hinterher das Pfeifkonzert nach der 0:3 (0:1)-Heimpleite nicht zum Orkan anschwoll.

Skripnik redet Klartext

Es könnte auch daran gelegen haben, dass Viktor Skripnik sich seit seinem Amtsantritt einen Vertrauensvorschuss erarbeitet hat, der so schnell nicht schwindet beim Stammpublikum. Gleichwohl war Werders Cheftrainer dann derjenige, der Klartext redete nach der Lehrstunde gegen die Werkself. Vor allem die zweite Halbzeit war einer Vorführung gleichgekommen, die an die schlimmsten Zeiten unter Skripnik-Vorgänger Robin Dutt erinnerte.

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Konzept- und kopflos, ohne Mut und Mumm nahmen die Bremer die Abreibung hin; sie hätte noch viel höher ausfallen können. "Ich habe keine Erklärung für diese zweite Hälfte. Das war eine Katastrophe. Echt schlecht", motzte Skripnik. Seine Ausführungen gipfelten in der Feststellung: "So schwach habe ich uns noch nie gesehen."

Bislang galt es als das größte Verdient des 45 Jahre alten Ukrainers, ein unter Dutt orientierungslos wirkendes Ensemble so weit stabilisiert zu haben, dass es auch gegen besser gestellte Konkurrenz auf Augenhöhe agierte. Nun aber haben die Hanseaten binnen acht Tagen drei Niederlagen kassiert: In der Schlussphase durften sich die Aufsteiger FC Ingolstadt (0:1) und Darmstadt 98 (1:2) gegen Bremen wie im Selbstbedienungsladen fühlen, jetzt servierte Werder die drei Punkte nach einigermaßen ansprechendem erstem Durchgang auf dem Silbertablett. Beinahe mühelos stellten Admir Mehmedi (31.), Julian Brandt (58.) und Kevin Kampl (65.) den Bayer-Sieg sicher.

"Ich bin echt enttäuscht. Wir haben Sonntag eine Krisensitzung. Ich will jetzt nicht die falschen Worte finden", sagte Skripnik. Er sei allerdings nicht ratlos, "ich habe im Fußball schon alles erlebt". Dann stellte er noch klar: "Wir schmeißen kein weißes Handtuch raus." Aber: "Wenn wir so weiterspielen, dann sind wir im Abstiegskampf."

Selten wirkte der ehemalige Werder-Profi, der sich bis ganz nach oben gedient hat, so ernüchtert und so enttäuscht. Die blutleere Art und Weise der Demütigung - und dabei hatte Leverkusen nicht mal die beste Besetzung aufgeboten - , setzte dem als Kämpfer bekannten Skripnik schwer zu. Der Trainerstab hatte zuvor eigens die Szenen von vor sieben Monaten zusammengeschnitten - Anfang Februar, am dritten Rückrundenspieltag, hatte es Werder nämlich geschafft, Leverkusen in die Knie zu zwingen. Mit enormer Leidenschaft, totaler Hingabe und großer Konzentration. "Es sind dieselben Leute gewesen, die Leverkusen damals geschlagen haben - mit einer anderen Körpersprache", bemerkte Skripnik.

Weniger stellt sich am Osterdeich jetzt die Stil- als vielmehr die Qualitätsfrage. Nach den Sperren von Philipp Bargfrede und Fin Bartels, dem Zehenbruch von Ulisses Garcia und dem kurzfristigen Ausfall von Aaron Johansson (Adduktorenprobleme) gab es am siebten Spieltag kaum noch Alternativen. Und dem Kader fehlt in der Tiefe nachweislich die Qualität - auch wenn Geschäftsführer Thomas Eichin und Trainer Skripnik ("Die Qualität nicht abzusteigen, haben wir zu 100 Prozent") dieses offenkundige Problem beharrlich negieren.

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Während ein Champions-League-Teilnehmer wie Leverkusen mal eben Stammkräfte wie Kevin Kampl, Hakan Calhanoglu und Chicharito einwechselte, brachte Bremen die unerfahrenen Luca Zander und Marcel Hilßner, die eigentlich zum Drittliga-Aufgebot gehören, teilweise mit offenen Mündern Spalier standen - und am Ende bitteres Lehrgeld zahlten. "Unser Weg geht nur über die jungen Leute", verteidigte sich Skripnik, "irgendwann müssen sie Bundesliga-Luft schnuppern."

Werders Stützen wackeln

Wenn indes seine Leitfiguren wie der noch nicht vollständig genesene Zlatko Junuzovic oder der nicht austrainierte Rückkehrer Claudio Pizarro beim ersten Einsatz über 90 Minuten keinen Halt geben, dann bricht das wankelmütige Werder-Gebilde wie ein Kartenhaus zusammen. "Was in der zweiten Halbzeit passiert ist, finde ich unerklärlich", schimpfte auch Eichin, "wir haben komplett den Faden verloren, das versteht keiner."

Der 48-jährige Geschäftsführer vermisste "Herz und Willen in den Zweikämpfen". Exemplarisch war für ihn der dritte Gegentreffer, "da verlieren wir hintereinander alle 50:50-Duelle". Die nächste Partie bei Hannover 96 am kommenden Samstag besitzt für Werder schon wegweisenden Charakter. Eichins Hoffnung: "Die Bundesliga ist ein ergebnisorientiertes Geschäft. Wenn wir Samstag vernünftig spielen und punkten, dann sieht es wieder anders aus."

© SZ vom 27.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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