Werder Bremen:Römer, überall Römer!

Werder Bremen Trainer Kohfeldt

Häuptling der Bundesliga-Gallier: Werder-Trainer Kohfeldt.

(Foto: dpa)

Das Verhältnis zwischen Werder und den Mächtigen ist schon lange unterkühlt. Auch aktuell fühlen sich die Bremer als Gallier der Bundesliga.

Kommentar von Ralf Wiegand

Die namentlich überlieferten Sportjournalisten bei Asterix und Obelix sind der Grieche Atemlos, der Gote Überblik und der Römer Vivajuventus. Leider würde höchstens einer von ihnen für den Neustart der Fußball-Bundesliga akkreditiert, die Zugangsbeschränkungen sind bekanntermaßen streng. Aber wo sie hingehen würden, ist klar: Nur beim Spiel Werder Bremen gegen Leverkusen sähen sie echte Gallier.

Tatsächlich sagte Frank Baumann, Werders Sportdirektor, nach wieder mal einer Woche des Widerstands, in der er einer gegen alle spielen musste: "Wir sind die kleinen Gallier." Er will das als Drohung verstanden wissen. Die Bundesliga beginnt zu einem Zeitpunkt, den die Bremer für verfrüht halten. Sie wurden überhört. Bremen, das überall an Niedersachsen grenzt, wähnt sich umzingelt von Römern, weil der eine oder andere Centurio Werder drangsaliert. Die DFL zum Beispiel. Oder der eigene Innensenator (ja, Senatoren gab es auch im alten Rom). Man werde sich wehren, verspricht Baumann, auch wenn nach dem erhofften Klassenerhalt das übliche Wildschweinessen auf den Deichen der Weser entfallen müsste, wegen Social Distancing.

Der SV Werder pflegt seit langem den Mythos, ein kleiner, aber listiger Verein zu sein. Meister dieser Kunst war der gallische Feldherr Otto Rehhagel, in Bremen als Otto I. bekannt, weil er mit einer Truppe abgehalfterter Haudegen und schräger Vögel Sieg um Sieg errang. Das war ungefähr 50 v. Chr. Ihm folgte der nicht weniger erfolgreiche Sagenix Schaaf, dem der Band Asterix und der Schweiger erst noch gewidmet werden muss.

Mit kleinen Mitteln Großes erreichen, so läuft diese Geschichte, nur hat sich die Definition von "groß" verändert. Ging es ehedem um Titel, so wäre es angesichts der prekären Lage der Gegenwart schon ein Triumph, als Verein zu überleben und zusätzlich nicht abzusteigen. Es wäre nach dem Gewinn von Meisterschaft und Pokal 2003/04 das zweite Bremer Double. Werder geht als Siebzehnter in die gespenstischen Geisterspiele.

Das Verhältnis zur Macht ist unterkühlt

Wegen dieser lebensbedrohlichen Situation sind sie verständlicherweise ein bisschen angefasst, auch historisch bedingt. Spätestens, seit der Deutsche Fußball-Bund die Bewerbung des Weserstadions als Austragungsort für die WM 2006 links liegen ließ, ist das Verhältnis zur Macht unterkühlt. Obendrauf kam ein zäher Streit um Polizeikosten, der die Politik der eigenen Stadt, eben den Innensenator, ungewollt gegen den Verein in Stellung brachte. Der DFB entzog Bremen deswegen sogar ein bereits zugesagtes Länderspiel und setzt seitdem keinen Fuß mehr in die Stadt. Die DFL als Organisation der Profiklubs lehnte den Bremer Vorschlag, die Kosten solidarisch zu verteilen, natürlich ab.

Dann wurde jüngst das als Fanal für den Saisonendspurt ausgerufene Werder-Heimspiel gegen Frankfurt auf unbestimmte Zeit verlegt, wegen eines angekündigten Orkans in Salzburg, der nicht kam. Und weil das nicht genug war, entfachten die Römer eine Pandemie. Prompt stellte sich der Bremer Innensenator gegen Geisterspiele, als darüber noch gar nicht entschieden war, und die Trainingsbedingungen im liberalen Bremen wurden während der Corona-Isolation strenger gehandhabt als überall sonst. Die Frage, wie die DFL dem Bremer Widerstand begegnen würde, aus Wettbewerbsgründen nicht schon am 16., sondern erst am 23. Mai zu beginnen, beantwortet sich von selbst: Werder bekam ein Montagsspiel am 18. Mai "geschenkt", das eh ein Montagsspiel gewesen wäre.

Wer also demnächst eine Ausgabe der Ligurischen Fanfare in die Hände bekommt, sollte sie kaufen. Kollege Vivajuventus wird viel zu berichten haben aus dem gallischen Bremen.

Zur SZ-Startseite
Eintracht Frankfurt - FC Basel

SZ PlusZum Neustart der Bundesliga
:Brot und Geisterspiele

Der Sport hat immer spektakuläre Bilder produziert, von ihnen gelebt und vieles mit ihnen übertüncht. Jetzt liegt alles brach, und manch einer schaut fassungslos hinter die Kulissen der Heldenfabrik.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: