Bundesliga-Montagsspiel:Werder taumelt der zweiten Liga entgegen

Bundesliga - Werder Bremen v Bayer Leverkusen

Maximilian Eggestein erlebte mit Werder Bremen einen schlimmen Abend.

(Foto: REUTERS)

Der Tabellenvorletzte ist beim 1:4 gegen Bayer Leverkusen chancenlos. In der Stille des Abends liegt eine doppelte Traurigkeit.

Von Ralf Wiegand, Bremen

Die Umstände, unter denen diese Bundesliga-Saison zu Ende gespielt werden muss, sind hinlänglich beschrieben worden am vergangenen Wochenende, da hat sich auch an diesem Montag nichts geändert. Auch das Bremer Weserstadion war nur die unwirkliche Kulisse für ein Fußballspiel, in dem es um sehr viel ging. Werder wollte wenigstens ein bisschen Hoffnung schöpfen im Abstiegskampf, Bayer Leverkusen den Kontakt zu den Champions-League-Plätzen nicht verlieren. Letzteres gelang, die Mannschaft von Peter Bosz gewann leicht und locker mit 4:1. Werder aber taumelt weiter der zweiten Liga entgegen, in der Stille des Abends lag daher eine doppelte Traurigkeit.

"Pack zu!", "Überzahl", "Lass ihn nicht mehr raus!" - der Bremer Trainer Florian Kohfeldt gab wirklich alles an der Seitenlinie, seine Anweisungen waren die lautesten in der Kakophonie der Kommandos, die durch die menschenleere Arena hallten. Fußball in diesen Zeiten ist ein akustisches Spiel geworden, seitdem nichts mehr die Tonspur der Akteure überlagert, und Kohfeldt gehört zu den rhetorisch stärksten Trainern der Liga. Doch mit Worten ist Werder Bremen womöglich nicht mehr zu helfen, die Elf bleibt auch nach acht Wochen Pause viel zu harmlos. Ein Standardtor von Theo Gebre Selassie im Anschluss an einen Eckball zum zwischenzeitlichen 1:1 war alles, was Bremen im Spiel nach vorne gelang (30. Minute). Leverkusen hingegen spielte Fußball, wo Werder nur arbeitete.

An den Wänden des Weserstadions, das fällt einem in der gewöhnlichen Hektik eines Spieltags ja auch nicht auf, sind Zitate von früheren Spielern verewigt, eines stammt von Johan Micoud. Der vielleicht feinste Fußballer in der Geschichte der Bremer sagte demnach: "Die Kunst besteht darin, dass man die Anstrengung nicht erkennt." Er könnte diese Erkenntnis Kai Havertz gewidmet haben, dem feinsten Fußballer, der vielleicht jemals für Bayer Leverkusen gespielt hat. Havertz macht auf dem Rasen Havertz-Sachen, die dem Begriff "Geisterspiel" vielleicht am nächsten kommen, er materialisiert sich durch gegnerische Abwehrreihen wie ein Gespenst. Zweimal schlich er vor der Pause auf unsichtbaren Pfaden allen Bremern davon, zweimal brauchte er die Flanken nur einzunicken, die von Diaby in der 28. Minute zum 1:0, und die von Demirbay in der 33. Minute zum 2:1. Es war wieder ein Standard-Gegentor für die Bremer, manche Dinge ändern sich eben nicht, auch wenn die Pause noch so lang ist.

Im Bremer Sturm herrscht Grabesruhe

Die Kunst der Leichtigkeit, die Micoud beherrschte, die Havertz so wertvoll macht - sie fehlt den Bremern völlig. Bis zu jenen fünf torreichen Minuten ackerte Werder in der Abwehr hingebungsvoll jeden Ball vom Rasen, den die Leverkusener geduldig nach vorne getragen hatten, das ja. Aber sonst war da Leere, absolute Leere. Bei ihren Kontern setzten sie allein auf die Geschwindigkeit von Milot Rashica. Der Kosovare, der den Verein nach dieser Saison sehr wahrscheinlich mit noch unbekanntem Ziel verlassen wird, ist der Trumpf im Abstiegskampf der Bremer, aber allein wird er es nicht wuppen können.

Im Sturm herrscht Grabesruhe, Davie Selke bleibt auch nach der Corona-Pause ein Fremder im Bremer Spiel, Überraschungen gibt der Werder-Kader nicht her. Es ist kein Zufall, dass die Bremer stehen, wo sie stehen, auf dem vorletzten Platz. So viele Stürmer konnte nicht einmal der Offensivgeist Kohfeldt trotz neuer Regel einwechseln, als dass Werder aus sich selbst heraus Torgefahr entwickelt hätte. In der zweiten Halbzeit standen fünf Bremer Stürmer auf dem Platz, Torchancen gab es keine.

Leverkusen hingegen konnte sich den jüngsten Debütanten seiner Bundesliga-Geschichte leisten, Florian Richard Wirtz, wie ihn der Spielberichtsbogen vollständig auswies, ist erst 17 Jahre alt. Er fiel weder auf noch ab im Bayer-Mittelfeld, das jederzeit die Lage beherrschte. Peter Bosz musste gar nicht viel sagen da draußen, es lief auch so. Weiser (61.) mit dem dritten Leverkusener Kopfballtor und Demirbay (78.) mussten die Partie nur noch ergebnistechnisch entscheiden, spielerisch war vor den Treffern schon alles gesagt. Die Bremer hatten sich einen Neustart vorgenommen, mental mit einem Team- Psychologen nachgearbeitet, physisch durchgeatmet.

Vielleicht wirkte Maximilian Eggestein ein bisschen frischer als vor der Pause, ganz sicher tut die Rückkehr des robusten Philipp Bargfrede der Elf gut, aber ansonsten ist alles beim alten, Schwächen im Kopfball, Schwächen bei Standards, Schwächen im letzten Drittel des Spielfelds, mutlose Abschlüsse. Es kann ein langer, trauriger Weg werden für Werder Bremen durch die Leere dieser gespenstischen Saison. Am Ende spielte der Stadionsprecher eine ganz leise Instrumental-Version der Werder-Hymne.

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