Süddeutsche Zeitung

Werder Bremen:Im Herbststurm

Nach dem 1:2 gegen Schalke verschärft sich die Krise - Trainer Florian Kohfeldt wird auch nach dem achten sieglosen Ligaspiel in Serie gestärkt.

Von Jörg Marwedel, Bremen

An diesem Montag ist Mitgliederversammlung beim SV Werder Bremen. Wieder muss Geschäftsführer Frank Baumann ein sportliches Krisenszenario erklären, so wie 2016, 2017 und 2018. Zweimal hatte der nicht zu Übersprungshandlungen neigende Sportchef zu diesem Zeitpunkt schon die Trainer gewechselt; 2016 musste Viktor Skripnik im September gehen, ein Jahr später im Oktober Alexander Nouri. Am Samstag, nach dem 1:2 gegen Schalke 04, dem achten sieglosen Spiel in Serie, hat Baumann nun versucht, die Mitglieder zu beruhigen. "Ich bin zuversichtlich, dass wir bis Weihnachten ausreichend Punkte holen und unsere Situation wesentlich verbessern." Der nicht nur von ihm geschätzte Chefcoach Florian Kohfeldt steht also nicht zur Disposition, der Trainer sagte zur Sicherheit noch: Seine Art zu arbeiten und Fußball zu spielen, sei nicht nur der "Kohfeldt-Weg", sondern auch der "Werder-Weg".

Das Innenleben ist offenbar noch intakt bei Werder. Doch die trotz des miesen Tabellenplatzes zuvor meist ansehnlichen Werder-Darbietungen haben "wegen einer gewissen Verunsicherung" (Mittelfeldspieler Maximilian Eggestein) extrem gelitten. Am Samstag wirkte Schalke bissiger und sicherer in seinen Aktionen als der selbsternannte Europa-Aspirant aus Bremen. Werder schien mit einer wenig attraktiven Kontertaktik zum Erfolg kommen zu wollen, wobei die Konter aber ausblieben. 60 Minuten lang waren die Bremer "zu passiv", wie Kohfeldt einräumte. Ludwig Augustinsson, der nach einer Knieoperation erstmals nach sechs Monaten wieder spielte, sagte: "Es fehlen derzeit an mehreren Stellen ein paar Prozent."

Es werde, sagte Trainer Kohfeldt, "keiner weglaufen"

Wer die Schlagseite des Werder-Spiels analysieren will, kommt an drei Gründen nicht vorbei. Da ist die Verletzungsmisere, die teilweise zu einem ganzen Team von maladen Profis führte. Das erklärt sich vermutlich auch darin, dass Werder einige spielstarke Profis verpflichtete, die aber eine gewisse Verletzungshistorie mit nach Bremen gebracht haben, etwa Niklas Füllkrug, Ömer Toprak oder Niklas Moisander. Ohne diese Vorgeschichten hätte der Klub sie sich nicht leisten können. Immer deutlicher wird zudem, dass einige Profis zu langsam sind für das heutige Spiel. Das gilt für die defensiven Mittelfeldakteure Nuri Sahin und Philipp Bargfrede, aber auch für Innenverteidiger Sebastian Langkamp. Der ließ sich von Benito Raman den Ball abjagen (53.), klagte über ein angebliches Foul und hatte keine Chance, den Torschützen zum 0:2 noch zu stoppen.

Die allgemeine Verunsicherung ist neuerdings der dritte Punkt für die sportliche Krise. Das war beim 0:1 zu erkennen: Bevor der Künstler Amine Harit eine Flanke von Raman zur Führung einschoss, ließen ihm Theodor Gebre Selassi und Bargfrede genügend Platz. Keeper Jiri Pavlenka, der zuletzt einige Gegentore verschuldet hatte und auch am Samstag wieder zwei Bälle prallen ließ, fiel bei diesem Treffer in der 43. Minute zudem etwas schwerfällig.

Ein weiteres Problem für Werder war laut Kohfeldt die Taktik seines Schalker Kollegen David Wagner. Der hatte neben Harit auch Mark Uth als "freien Spieler" aufgeboten. Die beiden sorgten in der gesamten Bremer Spielfeldhälfte für Aufregung und waren so schwer einzufangen wie wilde Rappen. Nun brauche es "Mut", um diesen "schwierigen Weg, den wir uns leider ausgewählt haben", zu gehen, sagte Kohfeldt. Aber es werde "keiner weglaufen". Am kommenden Sonntag etwa beim VfL Wolfsburg. Einem Gegner, der nach seinem Sieg in Frankfurt Rückenwind hat, während den Bremern der Herbststurm derzeit ins Gesicht bläst. Trotzdem sei die Situation nicht zu vergleichen mit der vor zwei Jahren, meinte Kohfeldt. Damals übernahm er Werder mit fünf Punkten aus zehn Spielen, es war eine Mannschaft, die deutlich weniger Qualität hatte.

Die Schalker, die gerade aus einer Saison in der Abstiegszone kommen und nun plötzlich wieder um einen Platz um die Champions League mitspielen, sind zurzeit vorsichtig in ihren Aussagen, jedenfalls die Funktionäre. Lizenzspieler-Chef Sascha Riether sagte, man müsse jetzt "nicht anfangen, von Europa zu sprechen". Man wisse, wo man herkomme.

Doch Stürmer Raman, der sein erstes Bundesliga-Tor für Schalke geschossen hatte, sah das anders: "Wenn man Schalkes Geschichte betrachtet und sieht, wo wir momentan stehen, dann müssen wir nach Europa." Ein Fortschritt war jedenfalls zu sehen. Hatte das Team zuletzt in der Schlussphase Punkte vertrödelt, habe es diesmal die "letzten Sekunden reif heruntergespielt", lobte Coach Wagner. Das war in der Phase, als Werder noch aufgewacht war, aber nur ein spätes Tor von Osako zustande brachte.

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Quelle:
SZ vom 25.11.2019
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