Werder Bremen:Mit Lagerfeuergefühl gegen Bayern

Weserstadion mit Flutlicht

Wann immer das Tageslicht nachlässt und die Flutlichter in Bremen angehen, entsteht eine magische Atmosphäre im Weserstadion.

(Foto: Imago)
  • Werder Bremen trifft diesen Mittwochabend im Halbfinale des DFB-Pokals auf den FC Bayern München.
  • In der Vergangenheit sorgten Flutlichtspiele im Bremer Weserstadion für eine besondere Atmosphäre.
  • Werder-Trainer Kohfeldt hofft auf diesen Effekt - und auf eine Genesung von Max Kruse.

Von Ralf Wiegand

Man würde sich das gerne so vorstellen wie in einem dieser aufwendig gemachten Werbespots für Wettanbieter, cineastisch, pathetisch und natürlich viel zu laut. Steht also irgendwo im finsteren Keller des Weserstadions ein Hausmeister im Blaumann, er trägt einen Rollkragenpulli und so eine am Rand aufgerollte Matrosenmütze aus schwarzer Wolle, wir sind ja im Norden. Der norddeutsche Hausmeister legt beide Hände an einen sehr großen Hebel, er drückt ihn mit aller Kraft nach oben. Das Geräusch, das man sich jetzt vorstellen darf, würde sich wie "fump" lesen, wenn man es aufschreiben müsste. Viermal macht es sehr laut fump, an allen vier Masten des Bremer Weserstadions flammen die Flutlichter auf wie Leuchtfeuer an der Küste, sofort setzen Gesänge ein, die Atmosphäre wird magisch.

Flutlichtspiele in Bremen versprechen großes Kino, vielleicht ist deshalb die Vorfreude in der Stadt auf das Halbfinale derart groß. Sogar der Trainer der Bremer, Florian Kohfeldt, freut sich "wie ein kleines Kind" auf das Gastspiel der Bayern bei seiner Mannschaft, das hat er neulich gesagt, obwohl sportlich nichts für die Gastgeber spricht. Ein großes Nichts: 17 mal am Stück haben sie in der Bundesliga gegen die Bayern verloren und auch nur ein einziges von acht Pokalduellen gewonnen, das immerhin war ein Finale (1999). Und vielleicht fällt am Mittwoch (20.45 Uhr, ARD und Sky) Max Kruse aus, Herz und Hirn und alles andere für diese Mannschaft. Er wird bis zum Anpfiff versuchen, eine Oberschenkelblessur aus dem Bundesligaspiel vom Samstag in München auszukurieren.

Drei Duelle im Finale

Am Mittwoch (20.45 Uhr/ARD) empfängt Werder Bremen den FC Bayern München im Pokal-Halbfinale. Die bisherigen Begegnungen im DFB-Pokal zeigen: Werder hat erst ein Duell gewonnen.

15.12.73 AF: Bremen - FC Bayern 1:2

20. 2.82 VF: Bremen - FC Bayern n.V. 1:2

12.11.96 AF: FC Bayern - Bremen 3:1

12. 6.99 Finale: Bremen - Bayern i.E. 5:4 (1:1)

6. 5.00 Finale: FC Bayern - Bremen 3:0

15. 5.10 Finale: FC Bayern - Bremen 4:0

26.10.10 2. Runde: FC Bayern - Bremen 2:1

19. 4.16 HF: FC Bayern - Bremen 2:0

AF: Achtelfinale, VF: Viertelfinale, HF: Halbfinale.

Bleibt als Faktor: Flutlicht in Bremen. Das ist für die modernen Münchner weitgehend Neuland. Zuletzt musste eine Bayern-Elf vor knapp 20 Jahren, im Dezember 1999, zum Gong der Tagesschau im Weserstadion antreten. Sie gewann 2:0, was eher eine Ausnahme darstellt. Historisch betrachtet sind die Münchner seit Gründung der Bundesliga elf Mal zu echten Flutlichtspielen, also solchen mit Anstoßzeiten nach 20 Uhr, nach Bremen gereist, kassierten dabei sechs Niederlagen und spielten zweimal unentschieden bei nur drei Siegen. In der Regel erledigen die Bayern samstags zur Kaffeezeit ihre Pflichtaufgabe im Weserstadion und sind abends, wenn's in den Clubs an der Isar richtig losgeht, schon wieder daheim.

Bremen by night wird also ein besonderes Erlebnis für die Münchner an diesem Mittwoch, für Bremer Fans sowieso. Die magischen Nächte liegen zwar schon eine Weile zurück, die Erinnerung daran ist aber unauslöschlich: Nachts an der Weser ist Diego Maradona untergegangen, vom Ostfriesen-Alemão Dieter Eilts und seinem tagscheuen Gesindel seinerzeit im schummrigen Schein der Hafenlaternen über den Löffel balbiert. 5:1 gegen Neapel!

Wichtiger als die Technik ist das Gefühl

Es war auch draußen stockfinster und drinnen gleißend hell, als der RSC Anderlecht sich einst schon als Sieger von Bremen wähnte, mit einem 3:0 zur Pause. Werder gewann noch 5:3, und viele Fans, die damals schon in die Nacht hinaus heimwärts aufgebrochen waren, kehrten um ins leuchtende Stadion. Lyon ging in Bremen im Uefa-Cup 0:4 unter, nach einem 3:0-Sieg im Hinspiel. Der FC Chelsea verlor mit Mourinho und Ballack abends in Bremen ebenso wie Real Madrid mit Metzelder, Raul und Robinho. Das 6:2 gegen Spartak Moskau, ein 8:2 gegen Hannover 96 - unvergessliche Momente im Flutlicht. Zwischen 1984 und 1991 blieb Werder freitagabends zu Hause in der Bundesliga 37 Mal hintereinander unbesiegt.

Maradona in Bremen

Diego Maradona 1989 als Spieler des haushoch geschlagenen SSC Neapel.

(Foto: imago)

"Wenn es dunkel wird und man die Flutlichtmasten schon fast vom Hotel aus sehen kann, das macht einfach Spaß", sagt Werder-Trainer Kohfeldt. Tatsächlich dominiert das kleine Stadion am großen Weserbogen besonders nachts die Stadt, die vier Masten, 61 Meter hoch, ragen weit in den Himmel, an solchen Abenden liegt das Zentrum genau hier, am Osterdeich, im Lichtkegel der Flutlichtanlage.

Deren Masten stehen dort, leicht geneigt, seit 1978, sie ersetzten damals die alten Lampen, die 1963 mit Einführung der Bundesliga aufgestellt worden waren. Jeder Mast trägt heute 51 Strahler, jeder Strahler hat 2000 Watt Leistung. 2500 kw/h Strom verbraucht diese Beleuchtung während eines Abendspiels, damit ein Meter über dem Rasen eine Beleuchtungsstärke von 1900 Lux erreicht wird. Das ist ungefähr doppelt so hell wie ein Fernsehstudio.

Aber das ist nur Technik, wichtiger ist das Gefühl. Flutlichtspiele sind wie Liederabende am Lagerfeuer, die Fans rücken noch ein bisschen enger zusammen, alles wirkt surreal. Das Stadion wird zum Theater, der Rasen zur Bühne. "Das gibt einem Energie. Du hast das Gefühl: Da ist einer mehr auf dem Platz", sagt Florian Kohfeldt, der sich in seiner jungen Trainer-Karriere noch nie gescheut hat, die Besonderheit von besonderen Momenten auch besonders zu betonen: Das Flutlicht als weicher Faktor in einem harten Spiel? Kohfeldt bedient gerne solche Emotionen.

SV WERDER BREMEN - OLYMPIQUE LYON

Immer, wenn das Licht angeht: Claudio Pizarro (links) beim Triumph gegen Olympique Lyon.

(Foto: Ingo Wagner/DPA)

"Wenn in Bremen die Lichter angehen, dann sind das besondere Spiele"

Die großen Europapokal-Zeiten, in denen Werder Bremen als fester Bestandteil der Champions League solche Abendspiele bestreiten durfte, liegen schon gut zehn Jahre zurück, die meisten der so genannten Werder-Wunder noch viel länger. Aber magische Momente unter Kunstlicht gab es auch in jüngerer Vergangenheit, etwa an einem Montag im Mai 2016. Damals unterstützte die ganze Stadt Werder Bremen im Abstiegskampf, über dem Osterdeich flimmerte der Himmel im Licht der vier Flutlichtmasten, und Werder zerlegte wie in einem hell ausgeleuchteten Operationssaal den VfB Stuttgart mit 6:2. "Wenn in Bremen die Lichter angehen, dann sind das besondere Spiele", ahnt auch Bayern-Trainer Niko Kovac.

An diesem Mittwoch wollen Werders Fans ihrerseits alles dafür tun, dass das Flutlicht erneut seine Wirkung entfalten kann. Wie damals im Abstiegskampf, als sie den Hashtag #greenwhitewonderwall erfanden und die Mannschaft auf dem Weg zum Stadion durch ein grün-weißes Spalier aus Tausenden Fan-Leibern fuhr, sollen die Bremer Profis auch vor dem Bayern-Spiel im Pokal auf den letzten Metern ins hell erleuchtete Stadion gebührend begleitet werden. Schon allein dadurch wird sich diese Partie drei Nummern größer anfühlen als das sommerlich lauwarme 1:0 der Bayern am vergangenen Samstag in der Münchner Arena, vielleicht groß genug, um in die Galerie der Bremer Meisterstücke aufgenommen zu werden.

Was dazwischen kommen könnte? Ein Stromausfall, wie es ihn in Bremen zum Start in die Saison 2004/05 gab. Damals blieb das Weserstadion wegen eines defekten Kabels 65 Minuten lang dunkel. Erst um 23.15 Uhr fiel das bis dato späteste Tor der Bundesliga-Geschichte durch Nelson Valdez zum 1:0 gegen Schalke 04.

Oder ein Elfmeterschießen. Denn auch der vergebene Elfmeter von Michael Kutzop, der Werder Bremen 1986 den sicheren Gewinn der deutschen Meisterschaft kostete, flog unter Flutlicht an den rechten Pfosten. Gegner beim 0:0 damals war der spätere Meister, er hieß Bayern München.

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