Werder Bremen - FC Bayern:Eine Mannschaft findet sich

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Eine Mannschaft, die zu sich findet, ein Robben in Plauderlaune und ein "glücklicher Trainer" van Gaal: der FC Bayern nach dem 3:2-Sieg gegen Werder Bremen.

Iris Hellmuth

Sie tun ja oft so, als würde sie das alles wahnsinnig nerven, die Herren Fußballprofis. Wenn sie vom Feld kommen oder aus der Kabine, wenn sie auf die Reporter zugehen, die dann erwartungsfroh ihre Blöcke zücken. "Was, ein Interview? Jetzt? Von mir?", scheinen ihre Blicke dann zu sagen, und niemand anders hat diese Kunst besser beherrscht als Oliver Kahn. Man hat dann oft sehr schnell seinen Block wieder zusammengeklappt. Sicher war sicher.

Bayern München-Spieler nach dem entscheidenden Schuss von Thomas Müller in das Tor von Werder Bremen. (Foto: Foto: APN)

Nun ist nicht bekannt, ob man in München derzeit nach einem würdigen Nachfolger in Sachen Mixedzone-Muffel sucht, aber ganz sicher ist: Arjen Robben wird es nicht. Als sich der Holländer gestern nach dem Spiel gegen Bremen zu den wartenden Reportern gesellte, war ihm seine Plauderstimmung deutlich anzusehen. Er strahlte und zwinkerte, er hörte nicht auf zu erzählen, von diesem Spiel, das Bayern München gerade denkbar knapp mit 3:2 gewonnen hatte, "und noch viel höher hätten gewinnen müssen", sagte Robben, "eigentlich muss es in der zweiten Halbzeit schon 10:1 für uns stehen".

Es war tatsächlich ein Spiel der Chancen gewesen, die auch dann noch schön waren, wenn niemand sie verwertete. Schon nach drei Minuten schickte Mark van Bommel seinen Landsmann Robben mit einem feinen Pass Richtung Strafraum. Der Ball traf den Pfosten, es war ein kleiner Vorgeschmack darauf, was die frierenden Fans 90 Minuten lang im Weserstadion erwarten sollte: fließend-präziser Kombinationsfußball, nicht immer erfolgreich, aber dafür: fünf tolle Tore.

"Das war wirklich sehr, sehr flüssig, was die Bayern heute gespielt haben, extrem schwierig zu greifen", konzedierte Nationalspieler Per Mertesacker gleich nach dem Schlusspfiff. "Allein wie die immer wieder klug abgelegt haben, wie Robben oder Müller immer wieder in die Tiefe geschickt wurden. Das war heute für uns das größte Problem, da müssen wir eigentlich froh sein, dass wir nur 3:2 verloren haben." Auch Trainer Thomas Schaaf verpackte die Kritik an der eigenen Mannschaft in Lob für die Leistung des Gegners. "Wir haben den Bayern heute unglaublich viele Chancen zugestattet, wir haben ihnen genug Zeit und Raum gegeben, um sich zu entfalten. Den Fans wurde sicherlich einiges geboten - allerdings weniger von uns".

In der ersten Halbzeit hatte das zunächst anders ausgesehen: Nach zehn Minuten verwandelte Aaron Hunt ein Zuspiel Marko Marins so zauberhaft, dass man dachte, das magische Dreieck Özil-Hunt-Marin würde endlich wieder die alten Jongliertricks zeigen. Doch stattdessen hexten die Münchner. Verschoben, verzögerten, passten. Nach 25 Minuten nahm sich Bastian Schweinsteiger den Ball, stob mit breiter Brust in die Spitze, wo Gomez fintierte und Müller traf, es war der sechste Treffer des 20-jährigen Mittelfeldspielers in dieser Saison.

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Fünfzehn Spieltage mussten also vergehen, bis die Bayern sich mit einer Leichtigkeit Chancen erspielen, die viele Mannschaften in der Bundesliga neidisch machen dürften. Selbst wenn sie nicht zu Toren führten - extrem gut anzusehen waren sie trotzdem. Sie machten deutlich, wie sehr sich da gerade eine Mannschaft findet, wie sehr jeder einzelne Spieler ihr Leben und Geistesblitze einhaucht. Egal ob er von Anfang an auf dem Platz steht oder später hinzu stößt - wie gestern zur Halbzeit Michael Rensing oder in der 68. Minute Franck Ribéry.

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Es wird eine der spannendsten Fragen dieser Rückrunde sein, welche Mannschaft es schafft, das fliegende Kombinationsspiel der Münchner stilvoll zu stoppen - Bremen, das machte die Partie deutlich, ist es jedenfalls nicht. Beängstigend behäbig wirkten Werder-Mittelfeld und Viererkette beizeiten, auch wenn Hugo Almeida in der zweiten Halbzeit durch einen spektakulären Seitfallzieher noch zum 2:2 ausglich (75.). Den gefühlten Spielstand gab dieses Zwischenergebnis nicht wieder. "Vom internationalen Wettbewerb sind wir jetzt erst einmal ein ganzes Stück weg", konstatierte Sportdirektor Klaus Allofs entsprechend kühl nach dem Spiel, "wir müssen uns keine Gedanken über Champions League und Meisterschaft machen. Dafür gibt die Tabellensituation keinen Anlass - und auch nicht die Art und Weise, wie wir spielen."

Es war an Louis van Gaal, das schönste Fazit des Spieltags zu ziehen. "Ich bin ein glücklicher Trainer heute", sagte er, und wer hätte 2009 gedacht, dass dieser sonst so distanzierte Trainer im neuen Jahr mal einen derart überschwänglichen Satz sagen würde? Acht Spiele infolge haben die Bayern inzwischen gewonnen, allein in den letzten vier schossen sie 15 Tore. Was Arjen Robben an seinem 26. Geburtstag trotzdem nicht davon abhielt, sein traumhaftes Freistoßtor zum 3:2 recht eigenwillig zu feiern. Im Vollsprint nahm er Kurs Richtung Trainerbank, Louis van Gaal ergriff die Flucht - und sorgte damit für die skurrilste Szene des Spiels: Er legte sich hemmungslos flach. "Das sah sehr komisch aus. Der Trainer wollte wegrennen, rutschte aus und war am Boden. Das ist immer ein Spaß für die Mannschaft", beschrieb Robben die Szene herzlich lachend. Wieder und wieder tat er das, nicht nur für die Kameras. Wer beim ersten Mal nicht schnell genug mitschrieb, krickelte einfach beim nächsten Interview weiter. Oliver Kahn hätte das bestimmt nicht verstanden.

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