Halbfinale im DFB-Pokal:Bremen kann die Wut nur schwer verbergen

Werder Bremen - FC Bayern München

Bremens Max Kruse (links) und Münchens Thomas Müller (2.v.l) schimpfen - mittendrin Schiedsrichter Daniel Siebert.

(Foto: dpa)
  • Welch eine Dramatik im Halbfinale des DFB-Pokals: Die Bayern bekommen in Bremen einen fragwürdigen Elfmeter, der das 3:2 bringt.
  • Coman wird von Gebre Selassie angerempelt - der Schiedsrichter verzichtet auf den Videobeweis.
  • Die Münchner treffen nun im Finale auf RB Leipzig.

Von Carsten Scheele, Bremen

Gleich nach dem Schlusspfiff hatten die Bremer Spieler nahe des Mittelkreises den Schiedsrichter belagert, und als Daniel Siebert schließlich den Platz verließ, reckten ihm die Fans hunderte Mittelfinger entgegen. Trommelten mit den Händen auf das Dach des Spielertunnels, schickten dem Referee wüste Flüche hinterher. Für alle, die es am Mittwochabend mit Werder hielten, war Siebert der Mann, der einem denkwürdigen Pokalabend mit einem falschen Pfiff die finale, unerwünschte Wendung gegeben hatte. Und das sollte Siebert, 34, seit 2012 Bundesliga-Schiedsrichter, nun zu spüren bekommen.

So hochklassig, wild und turbulent das DFB-Pokal-Halbfinale zwischen Werder und dem FC Bayern am Mittwochabend war, so umstritten auch die Szene des Spiels. 2:0 hatten die Bayern durch Treffer von Robert Lewandowski (36.) und Thomas Müller (63.) geführt, die Bremer hatten binnen 60 Sekunden durch Yuya Osako (74.) und Milot Rashica (75.) ausgeglichen und das Stadion in den Tobezustand versetzt, als Kingsley Coman im Strafraum zu Boden sank.

Der Münchner hätte den Ball nicht mehr erreicht, doch sein Gegenspieler Theodor Gebre Selassie hatte den Ellenbogen ausgefahren, Coman angerempelt. Nicht hart, aber an der Grenze zur Regelwidrigkeit; und wenn man in Betracht zog, welch ähnliche Rempler Siebert zuvor nicht geahndet hatte, kam der schnelle, unmissverständliche Pfiff doch etwas überraschend. Lewandowski trat zum Elfmeter an - das 3:2 (80.). Und die Bremer, die sich in ein schon verloren geglaubtes Spiel zurückgekämpft hatten, konnten ihre Wut schwerlich verbergen.

"Das ist lächerlich", beschwert sich Max Kruse

"Oh Gott, ey", schimpfte Kapitän Max Kruse, während er die TV-Bilder betrachtete: "Das ist lächerlich. Wozu haben wir den Videobeweis?" Der alte Vorwurf vom Bayern-Bonus, respektive vom Bayern-Dusel, lag in der Luft. Es war in der Vergangenheit durchaus vorgekommen, dass die Münchner von Schiedsrichter-Entscheidungen profitiert hatten - Kruse wollte sich gar nicht mehr einkriegen. Ein "ganz leichter Kontakt" sei das gewesen, so Kruse, aus seiner Sicht definitiv nicht elfmeterwürdig: "Wir haben einen Videobeweis, wenn man das nicht sieht, dann können wir den auch abschaffen."

Was Siebert gepfiffen hatte, war tatsächlich nicht ganz klar. Zunächst schien es, als hätte der Schiedsrichter den Ellenbogenstoß gegen Comans Oberkörper geahndet. Die Spieler berichteten allerdings, Siebert habe ihnen noch auf dem Platz erklärt, Gebre Selassi habe seinen Gegner am Fuß erwischt - das widerlegten die TV-Bilder eindeutig. "Unten ist der Kontakt vielleicht mit dem Rasen", klagte Maximilian Eggestein verzweifelt. "Sehr bitter" sei das alles, "einfach unfair."

Für Unmut sorgte zudem, dass Siebert anscheinend Kontakt mit dem Videoassistenten im berüchtigten Kölner Keller hatte - und die Kollegen dort nach Ansicht der TV-Bilder offenbar keinen Anlass sahen, korrigierend einzugreifen oder Siebert den Hinweis zu geben, dass er sich die Szene am Bildschirm noch einmal angucken solle. "Der Videoschiri muss sich ja sicher gewesen sein", fuhr Eggestein fort, "ich verstehe es nicht." Wobei sich der Videoassistent normalerweise nur bei klaren Fehlentscheidungen meldet; in diesem Fall fiel der Pfiff vermutlich unter die Kategorie "Auslegungssache".

Bremens Trainer Florian Kohfeldt bezeichnete den Elfmeter trotzdem als "brutal". Er selbst hatte noch auf dem Platz mit Siebert gesprochen, seine eigenen Spieler weggeschickt und den Schiedsrichter schließlich gebeten, den Platz zu verlassen, um eine noch größere Provokation für die Zuschauer abzuwenden. In die Debatte um einen möglichen Bayern-Bonus wollte Kohfeldt ausdrücklich nicht einsteigen, er war sich aber sicher: "In neun von zehn Fällen pfeift der Schiedsrichter diesen Elfmeter nicht." Der Bremer Schmerz war groß, über Siebert, den Strafstoß, aber auch über das Pokal-Aus, der einzigen realistischen Titelchance in diesem Jahr.

Was Uli Hoeneß zum Elfmeterpfiff sagt

Manche Bayern dagegen ahnten, dass Sieberts Pfiff diesem weiteren komplizierten Pokalabend (nach dem 5:4 im Viertelfinale gegen Heidenheim) eine günstige Wendung gegeben hatte - wenn auch längst nicht alle. Sie treffen im Finale im Mai nun auf RB Leipzig, die Erleichterung war spürbar - doch zwei Gegentore binnen einer Minute, das ist den Bayern in den vergangenen Jahren nicht häufig passiert.

Zweimal sah Abwehrspieler Mats Hummels gegen den deutlich flinkeren Rashica gar nicht gut aus - einmal umkurvte der Bremer Hummels, beim zweiten Tor landete dieser sogar auf dem Hosenboden. Vereinspräsident Uli Hoeneß beklagte "individuelle Fehler, die bei uns leider immer wieder vorkommen". Der Elfmeter jedoch: "Ganz klar." Hoeneß sagte, er habe "eben noch mit Kingsley gesprochen, er sagt auch, dass das einer war". Wobei Coman in diesem Fall vielleicht nicht als unbefangener Zeuge gelten darf.

Eine "harte Entscheidung", findet Kovac

Torschütze Müller bewegte sich ebenfalls auf der Hoeneß-Linie. Aus der "realen Perspektive", so Müller, sei dies "absolut ein Elfmeter" gewesen. Bei Trainer Niko Kovac klang die Sache schon nicht mehr so eindeutig. Er wurde erst eine halbe Stunde nach Spielschluss befragt, hatte in der Zwischenzeit in Ruhe die TV-Bilder betrachtet. Kovac sprach von einer "harten Entscheidung", auch wenn sich Gebre Selassi mit seinem Ellenbogen "ein bisschen dumm angestellt" habe. Auf Nachfrage zur Regelauslegung bestätigte Kovac: "Wenn er ihn nicht pfeift, können wir uns nicht beklagen. Dann ist das auch okay."

So bleibt den Bremern außer der Gewissheit, den Bayern an diesem Pokalabend alles abverlangt zu haben, nicht viel, was Trost spenden könnte. Kohfeldt sagte, er wolle sich bei seiner Mannschaft "für den Mut, die Kraft, den Enthusiasmus" bedanken, mit der sich das Team dem großen Favoriten entgegengestellt habe. Er wolle nun daran arbeiten, dass Flutlichtspiele dieser Art künftig häufiger stattfinden in Bremen, was insbesondere dann der Fall wäre, wenn sich Bremen im Saisonendspurt noch für den Europapokal qualifiziert.

Wann es gelingt, den Fokus auf die kommenden Spiele zu legen, sagte Kohfeldt nicht. Es klang, als wolle er seinen Spielern die Zeit zum Trauern lassen. "Dies ist", sagte Kohlfeldt, "ein trauriger Moment."

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