Werder Bremen gegen Augsburg:Wenn Angst plötzlich Spaß macht

Werder Bremen - FC Augsburg

Werders Yuya Osako jubelt über sein Tor zum 3:2.

(Foto: dpa)
  • Beim 3:2 von Werder Bremen gegen Augsburg überragt bei den Norddeutschen der Japaner Osako.
  • Bremen kann sich damit nach schwierigem Saisonstart wieder etwas erholen.

Von Ralf Wiegand, Bremen

Vielleicht erinnert sich noch jemand an Jürgen Hingsen. Die halbe Nation saß damals, vor mehr als 30 Jahren, nächtens vor dem Fernseher, um dem Zehnkämpfer aus dem Pott dabei zuzusehen, wie er in Seoul Olympiasieger werden wollte. Hingsen begann dann den Wettbewerb in der ersten Disziplin, dem 100-Meter-Lauf, damit, dreimal schon vor dem Startschuss loszurennen. Er wurde disqualifiziert, ehe die Show überhaupt richtig begonnen hatte.

Wie unschwer zu erahnen ist, führt diese Anekdote aus der großen Welt des Sports mitten hinein ins Thema Fehlstart - und die Angst davor. Im Fußball darf nach drei verpatzten Versuchen zwar weiter gespielt werden, aber ein Spaß ist das dann nicht. "Die Null nervt mich", hatte also Trainer Florian Kohfeld von Werder Bremen vor dem Spiel gegen den FC Augsburg gesagt, "formal" gehe es darum, "endlich Punkte zu sammeln". Endlich? Die Saison ist gerade mal 14 Tage alt. Und weil die Bremer mit zwei Niederlagen, Augsburg aber auch nur mit einem Punkt in die Saison gegangen waren, war - formal - ein Angstspiel zu befürchten, wie es sonst eher gegen Ende einer Saison auftritt, wenn die Ziele tatsächlich kaum mehr zu erreichen sind.

Was Angst allerdings für einen Heidenspaß machen kann! Werder und Augsburg lieferten sich ein herrlich unkonventionelles Fußballspiel, dessen nicht vorhandene Statik und übermäßig vorhandene Unberechenbarkeit von zwei Abwehrreihen verursacht wurde, die so nie geplant gewesen waren. So stand am Ende einer phasenweise wilden Berg- und Talfahrt ein unterhaltsames 3:2. Alles darunter wäre dem Bremer Publikum auch eindeutig zu viel Hingsen gewesen, zumal Werder zwar keinen Olympiasieg, aber doch das Erreichen des Europapokals als Ziel ausgerufen hat.

Augsburgs Zugang Stephan Lichtsteiner fliegt in der ersten Halbzeit vom Platz

Beim FC Augsburg standen gleich drei recht spät durchs Transferfenster geschlüpfte Defensivkräfte in der Startaufstellung, der aus Wolfsburg gekommene Innenverteidiger Felix Uduokhai, die Leverkusener Leihgabe Tin Jedvaj sowie Routinier und Rechtsverteidiger Stephan Lichsteiner - der allerdings nur eine gute halbe Stunde mitspielen durfte. Dann lief der 34-Jährige mehr zufällig als absichtlich Bremens Angreifer Füllkrug in die Hacken, was die gelb-rote Karte nach sich zog.

Zu diesem Zeitpunkt waren bereits drei Tore im Bremer Weserstadion gefallen, das erste schon nach gut fünf Minuten durch Yuya Osako. Der Japaner ist von Werder-Coach Kohfeldt indirekt für die Rolle des Nachfolgers von Max Kruse besetzt worden. Osako soll den nach Istanbul ausgewanderten Star der vergangenen drei Jahre nicht eins zu eins ersetzen, aber das Bremer Spiel offensiv lenken. Das gelingt bisher gut, Osako schloss ein Solo zum 1:0 ab und erzielte in der 67. Minute auch den Siegtreffer zum 3:2 per Volleyschuss.

Dazwischen lag eine Partie, in der vor allem den Bremern doch anzumerken war, wie sehr sie sich vor einer weiteren Pleite fürchteten. Jede Annäherung der auf Konter versessenen Augsburger verursachte heilloses Durcheinander in der Werder-Abwehr, in der drei Innenverteidiger und ein Außenverteidiger verletzt fehlen, dazu zwei defensive Mittelfeldspieler - allesamt von einer Qualität, dass jeder von ihnen Stammspieler sein könnte. Das ist jetzt der kurz vor knapp aus Mönchengladbach ausgeliehene Rechtsverteidiger Michael Lang, der bei seinem ersten Einsatz gleich mal lernte, dass Fußballspiele in Bremen nichts für schwache Nerven sind.

So glichen die Augsburger nicht nur den 0:1-Rückstand durch Ruben Vargas schnell aus (12.), sie verkrafteten auch das spektakuläre 1:2 durch Sargent (21.), den Platzverweis für Lichtsteiner sowie ein phasenweise sehr deutliches Chancenplus für Bremen unbeschadet. In der 47. Minute gelang ihnen, natürlich per Konter, sofort das 2:2 (Vargas, 47.), und auch das 3:3 war trotz Unterzahl mehrmals möglich: Alfred Finnbogason, gerade eingewechselt, traf in der 75. Minute den Pfosten, zehn Minuten später rettete Werder-Keeper Pavlenka gegen Philipp Max.

Den Fehlstart haben nun die Augsburger an den Hacken, mit nur einem Punkt aus drei Spielen. Jürgen Hingsen sagte einst, an seinem habe er sehr lange zu knabbern gehabt.

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