Süddeutsche Zeitung

Neuer Werder-Trainer:Alles auf Anfang

Der absolute Wunschkandidat kommt: Markus Anfang soll Werder Bremen zurück in die erste Liga führen - am Montag drohte der Wechsel noch zu platzen.

Von Thomas Hürner, Bremen

Im Fußball speist sich Hoffnung oftmals aus der Vergangenheit. Im Jahr 1980 war der SV Werder schon einmal in die Zweitklassigkeit gestürzt, die damalige Misswirtschaft firmiert unter den Anhängern noch heute unter dem Begriff "Millionenelf". Falsche Entscheidungsträger verpflichteten damals die falschen Fußballer, zeitweise spielte die Mannschaft sogar in Rot und Weiß, den Farben auf dem Wappen der Hansestadt Bremen. Deprimierend sah das alles aus, bis ein Mann den Trainerjob übernahm, der mit seiner Strategie der "kontrollierten Offensive" aus einem Trümmerhaufen die Antipode zum FC Bayern erschaffen sollte: Otto Rehhagel.

Die Parallelen zur grauen Gegenwart des Traditionsklubs sind unverkennbar. Vor einer Woche waren die Bremer abgestiegen, zum zweiten Mal in der 122-jährigen Vereinsgeschichte. In den Vereinskassen herrscht pandemische Leere, der Kader wirkte planlos zusammengestellt. Am Dienstagnachmittag erging nun die erste Erfolgsmeldung nach den bedrückenden Monaten des Niedergangs: Markus Anfang, 46, wird als neuer Trainer die Mission Wiederaufstieg angehen.

Er kommt vom Zweitligisten Darmstadt 98 und war der absolute Wunschkandidat von Werders Sport-Geschäftsführer Frank Baumann. "Wir stehen vor einer schwierigen, aber lösbaren Aufgabe, die unsere ganze Kraft, aber auch Geduld von uns allen erfordern wird", wird Anfang in der Mitteilung des Klubs zitiert. Über die Vertragslaufzeit hatte der SV Werder zunächst keine Angaben gemacht.

Anfang gilt als offensiv denkender Coach

Zumindest formal erfüllt Anfang wichtige Kriterien, die ein Trainer für den avisierten Neuaufbau mitbringen sollte. Er steht für eine angriffslustige Spielidee und kommt mit dem Rückenwind jüngerer Erfolge nach Bremen, unter seiner Anleitung hat der SV Darmstadt gerade erst die beste Rückrunde seiner Vereinsgeschichte gespielt. In der Saison 2018/2019 trainierte Anfang den 1. FC Köln und bewies dort, dass er einen abgestiegenen Traditionsklub wieder auf Kurs bringen kann. Das Engagement am Rhein verlief jedoch nicht ohne Zwischentöne. Anfang wurde kurz vor Vollendung seiner Aufstiegsmission freigestellt, weil es zwischen ihm und der Kölner Klubführung zu Dissonanzen kam. Zuvor hatte er Holstein Kiel als Zweitliga-Aufsteiger auf Anhieb in die Erstliga-Relegation geführt, wo sich der VfL Wolfsburg als eine Nummer zu groß erwies.

Anfangs Wechsel nach Bremen verlief jedoch nicht ganz unkompliziert, noch am Montag drohte das Geschäft zu platzen, weil sich die beiden Klubs nicht auf eine Ablösesumme einigen konnten. Das erste Werder-Angebot über angeblich 200 000 Euro in Raten soll von der Darmstädter Führungsriege als "Frechheit" abgekanzelt worden sein, wie der Kicker berichtete. Tags darauf konnte doch noch eine Einigung erzielt werden, allerdings wurde nicht offiziell mitgeteilt, wie viel Geld die Bremer für ihren Wunschkandidaten noch aus den leeren Kassen kratzen konnten.

Über Anfangs Wirken an der Weser wird erst zu einem späteren Zeitpunkt beschieden, aber bereits jetzt steht fest, dass der avisierte Neuaufbau, anders als damals unter Rehhagel, unter dem Motto "totale Offensive" vorangetrieben werden soll. Anfang lässt dominanten Ballbesitzfußball spielen, seine Mannschaften erzielten regelmäßig die meisten Tore in der zweiten Liga.

Abgesehen davon gibt es derzeit eigentlich nur zwei Gewissheiten in Bremen: Werder spielt weiter in Grün-Weiß - und der erhoffte Wiederaufstieg wird alles andere als einfach. "Dafür ist die zweite Liga zu stark. Sie wird uns alles abverlangen", sagte Anfang.

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