Welthandballer Henning Fritz:Der Unglaubliche

Er spielt manchmal in Trance und schreibt Bücher. Nationaltorhüter Henning Fritz vom THW Kiel wird zum Welthandballer des Jahres 2004 gewählt.

Von Christian Zaschke

Es gibt so viele unglaubliche Szenen, an denen der Handball-Torhüter Henning Fritz beteiligt war. Er hat so viele Paraden gezeigt, die fest zum Erinnerungsschatz dieser Sportart gehören. Die vielleicht schönste Szene seiner Karriere ist jedoch eine, in der gerade kein Ball fliegt.

Welthandballer Henning Fritz: "Wie in Trance" spielt Handballer Fritz manchmal.

"Wie in Trance" spielt Handballer Fritz manchmal.

(Foto: Foto: dpa)

Olympisches Viertelfinale 2004, Deutschland gegen Spanien. Die Menschen in der Halle schreien, weil sie Spannung nicht mehr ertragen können, es ist ein Spiel wie eine Vibration, in dem beide Torhüter fantastische Paraden zeigen, wieder und wieder, sie wehren Bälle ab, die man unhaltbar nennt.

Inmitten dieser tosenden Halle steht Fritz nach einer Parade und schaut hinüber zu David Barrufet, dem spanischen Torhüter. Die beiden nicken einander zu auf die Entfernung, es ist ein Moment der Ruhe, ein Blickkontakt im Auge des Sturms, beide deuten ein Kopfschütteln an, weil beide wissen, dass es nicht mehr normal ist, was sie gerade für Würfe halten. Dann setzt das Tosen wieder ein, und das Spiel geht weiter.

Vielleicht war es dieses Viertelfinale, das die Leser der Zeitschrift World Handball Magazine und die Besucher der Webseite der Internationalen Handball-Föderation (IHF) dazu bewog, Fritz zum "Welthandballer des Jahres 2004" zu wählen.

Seit 1988 gibt es diese Wahl, noch nie hat ein Torhüter gewonnen. Fritz hat 2004 viele überragende Spiele gemacht, jenes olympische Viertelfinale ragt jedoch noch einmal heraus. In den entscheidenden Momenten wurde Fritz zur Idealform des Torhüters, er verdichtete sich zur Wand.

Die Partie ging nach zweimaliger Verlängerung ins Siebenmeterwerfen. Barrufet hielt sehr gut, aber Fritz war perfekt. Er wehrte drei Siebenmeter ab, der vierte ging an den Pfosten, was Torhüter im Handball als Erfolg für sich verbuchen.

Die Deutschen trafen zweimal, und so besagte die Statistik am Ende erstaunlicherweise, dass die Spanier keinen Siebenmeter im Tor unterbringen konnten, als es darauf ankam. Die Süddeutsche Zeitung titelte am Morgen danach im Sportteil: "Der unglaubliche Fritz".

Wie in Trance

In seinem gerade erschienenen Buch "Halten und Siegen" (gemeinsam verfasst mit Wieland Schmidt) schreibt Fritz: "In wichtigen Spielen halte ich manchmal wie in Trance. Ich sehe nichts und niemanden, fische unhaltbare Bälle aus den Torecken, ohne dass ich hinterher erklären könnte, wie ich das angestellt habe."

Dieser Henning Fritz in Trance lebt seine Gefühle auf dem Spielfeld aus. Nach gelungen Paraden reißt er die Fäuste vor den Körper und schreit seine Freude heraus. Furchterregend sieht das bisweilen aus. Um so erstaunlicher ist es immer wieder, Fritz abseits des Spielfeldes zu erleben. Ruhig ist er, er spricht leise, ein zurückhaltender Mann.

Henning Fritz, geboren im September 1974, stammt aus Magdeburg. Wie so viele Handballer erzählt er, dass ihn ein Schulfreund zu dem Sport brachte. 1988 schloss er sich dem traditionsreichen SCMagdeburg an, wo er vom ehemaligen Weltklasse-Tormann Wieland Schmidt trainiert wurde.

13 Jahre lang blieb Fritz bei dem Klub, er bestritt 230 Bundesligaspiele für Magdeburg, bis er sich 2001 entschloss, zum THW Kiel zu wechseln. "Nur bei einem Klasseteam kann ich mich selber weiterentwickeln", sagt er damals. Er entwickelte sich zum Besten seines Fachs.

Totaler Hitzkopf

Einen großen Schritt vom einfachen Fritz zum unglaublichen Fritz machte er 2003 bei der Weltmeisterschaft in Portugal. Mannschaftskapitän Markus Baur sagte damals: "Henning ist seit einem Jahr Familienvater. Das muss leistungsfördernd sein. Was er hält, ist nicht normal. Er spielt ruhig und souverän. Umso erstaunlicher, weil er eigentlich auf dem Platz ein totaler Hitzkopf ist. Wenn da einer falsch deckt, wird er richtig sauer."

Mit fantastischen Paraden im Halbfinale gegen Frankreich half er der deutschen Mannschaft ins Finale. Leider erwischte er dort einen seiner wenigen schlechten Tage, während der kroatische Schlussmann Vlado Sola fast alles hielt, die Deutschen verloren das Finale.

Die EM Anfang des Jahres 2004 gewann die deutsche Mannschaft, und anschließend galt alle Konzentration der Verwirklichung des Traums von der olympischen Goldmedaille. Nach der Partie gegen Spanien war die deutsche Mannschaft gegen die Angst imprägniert, im Halbfinale gegen Russland hielt Fritz erneut überragend. Wieder stand ein Finale an, wieder gegen Kroatien.

Diesmal erwischte Fritz einen guten Tag, er hielt, was zu halten war und auch ein wenig mehr, doch die Angreifer erzielten nicht genügend Tore. "Vielleicht hatten wir unser Glück überreizt", sagte Fritz, "eine gewisse Unzufriedenheit herrscht schon. Wir hätten uns als Handballer unsterblich machen können."

Nun hat er immerhin die Auszeichnung als Welthandballer erhalten. Was die Unsterblichkeit angeht: Henning Fritz ist fest entschlossen, bis zu den Olympischen Spielen 2008 in Peking weiterzumachen.

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