Süddeutsche Zeitung

Weltfußballverband:Warum der DFB die Fifa verschont

  • Die Ermittlungen der Schweizer Staatsanwälte gegen Fifa-Präsident Joseph Blatter zeigen, dass im Weltfußballverband völlig anders gewirtschaftet wurde.
  • Der Zeitpunkt, an dem Blatter Geld an Uefa-Präsident Michel Platini überwiesen hat, ist pikant.
  • Vom DFB ist nicht zu erwarten, dass er sich in die Probleme einmischt.

Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

Unabhängig von ihrem Ausgang sind die Ermittlungen im Selbstbedienungsladen des Weltfußballverbandes Fifa schon heute ein Erfolg. Nehmen sie doch eine zunehmend fassungslose Öffentlichkeit mit in eine Kulisse, in der nach völlig anderen Regeln gewirtschaftet wird als in jedem ordentlichen Unternehmen. Die neueste Wendung sind die Ermittlungen der Schweizer Staatsanwälte wegen des Verdachts einer "treuewidrigen Zahlung" von zwei Millionen Schweizer Franken. Erbracht im Jahr 2011 auf Veranlassung von Joseph Blatter, Fifa-Präsident, an Michel Platini, Weltklassefußballer von einst und heute Chef des europäischen Verbandes Uefa.

Kurios ist vielerlei an diesem Geldfluss, der nicht einmal bestritten wird. Allein, dass er vollzogen wurde, verschärft noch einmal die Glaubwürdigkeitskrise der Fifa, die bereits im Mai durch die Verhaftung von sieben ihrer Mitglieder in Zürich eine beeindruckende Dimension bekam. Denn nun rücken jene Figuren in den Kern der Affäre, die stets wie eine Monstranz vor die Fußball-Kulisse geschoben wurden: Seht her, hieß es, wenn diese beiden, wenn der Blatter und der Platini ihre Hände in Unschuld waschen können, wird es doch nicht so schlimm sein. Oder gerade deshalb?

Der Zeitpunkt der Überweisung ist pikant

Fragen stellen sich jetzt viele. Zum Beispiel: Warum dauerte es mehr als ein Jahrzehnt, die Rechnung zu begleichen für angeblich "zwischen Januar 1999 und Juni 2002 geleistete Dienste"? Jeder freie Unternehmer wäre pleite, würde er Forderungen mit einer Verspätung von mehr als einem Jahrzehnt erheben. Welche Fifa-Dienstleistungen waren eigentlich dieses Millionenhonorar wert? Blatters juristische Berater werden versuchen, es als pikanten Zufall darzustellen, dass die Überweisung erst 2011 erfolgte, in genau jenem Jahr also, in dem Platini zu Gunsten Blatters auf sein Vorhaben verzichtete, selbst als Fifa-Chef zu kandidieren.

Momentan ist die Fifa handlungsunfähig. Aber wer braucht sie überhaupt? Vorrangiges Geschäftsfeld - und Plattform zur Anhäufung exorbitanter Gewinne - ist die Vergabe von Weltmeisterschaften. Die nächsten Turniere sollen 2018 in Russland und 2022 in Katar stattfinden. Die Umstände der Vergabe sind jeweils Gegenstand von Ermittlungen. Erste Herausforderung aber ist es derzeit, am 26. Februar 2016 einen neuen Fifa-Chef zu wählen.

Nur wie? Gegen Blatter läuft das Ermittlungsverfahren, sein erster Vize, der Kameruner Issa Hayatou, ist erkrankt und ebenfalls skandalumwittert. Und auch ein Generalsekretär fehlt, Jérôme Valcke wurde unlängst suspendiert - er soll geplant haben, sich beim Ticketverkauf für die WM-Endrunden zu bereichern.

Wer jetzt aber fordert, dass die stärksten Ligen Europas, aus England, Spanien, Italien und Deutschland, ihre Stimme erheben und das Machtvakuum füllen, der verkennt den Zustand des Fußballs. Handelt es sich dort doch weniger um eine Gesellschaft als um eine Kameradschaft ohne externe Kontrollinstanzen.

Dabei wäre dies die beste Lösung: Dass sich einige der großen Verbände abspalten und eine unbelastete Organisation gründen, die künftige WM-Turniere vergibt. Das fachliche Knowhow ist ja vorhanden, der Rest sowieso nur Sportpolitik. Blauäugig wäre allerdings, vom Deutschen Fußball-Bund, vom aktuellen Weltmeister, eine Führungsrolle zu erhoffen.

Außer Empörung ("fassungslos") kam von DFB-Präsident Wolfgang Niersbach bislang nichts Erhellendes, er nennt Platini "einen Freund". Der DFB ist auch deshalb gehemmt, weil die Vergabe der Sommermärchen-WM 2006 noch in den Fokus der Ermittlungen rücken kann. Zudem die Rolle Franz Beckenbauers, der bei den WM-Vergaben an Russland und Katar im Fifa-Vorstand mit abstimmte.

Blatter droht der Untergang im Sumpf

Keiner sollte sich etwas vormachen: Der Fifa-Kosmos wird niemals von innen heraus zerschlagen. Im Februar 2016 wird deshalb womöglich sogar Platini zum neuen Chef gewählt - er würde alle Probleme erben. Nicht nur, dass die US-Behörden die Fifa als eine sogenannte Rico-Organisation einstufen, als vom organisierten Verbrechen geprägtes Mafia-Gebilde. Es weiß auch niemand, was Blatter, so er sich um die Präsidentschaft gebracht sieht und der Druck der Justiz größer wird, zu berichten haben wird.

Die Unschuldsvermutung ist eine gute Sache, sie hat sogar für alle Fußball-Bosse ihre Berechtigung. Denn dass die Fifa ein Korruptionssumpf ist, weiß man seit Jahrzehnten. Und dass es dort stinkt und qualmt. Dass aber ausgerechnet der 79-jährige Blatter nichts gerochen haben will, in seinem eigenen Revier, war da schon ein verwegener Gedanke. Jetzt geht eine Angst um: Sollte Blatter im Sumpf untergehen, müssen viele fürchten, dass sie von ihm mitgerissen werden.

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SZ vom 28.09.2015/tbr
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