Die Laufwege in Budapest sind nicht immer einfach. Nach der Siegerehrung müssen die Schwimmerinnen und Schwimmer bei den Weltmeisterschaften an der Kopfseite des 50-Meter-Beckens immer eine Treppe hinunter, gewiss mit Pudding in den Beinen. Links rum, Abklatschen mit den Zuschauern, geradeaus, links rum, wieder eine Treppe runter. Dann um die Kopfseite des Beckens herum zu den Fotografen. Lächeln. Florian Wellbrock lächelte leicht, schon bei der Siegerehrung war das so. Aber richtig zufrieden? Eher nicht.
Auf seiner Paradestrecke über 1500 Meter Freistil hatte der 24-Jährige Bronze gewonnen. Die Titelverteidigung von 2019, als er in 14:36,54 Minuten Weltmeister wurde, gelang ihm nicht. Der Italiener Gregorio Paltrinieri, der vom Start weg seinen Plan umsetzte und das Heil in der Flucht suchte, lag auch am Ende des Rennes mit großem Abstand vorne: Er gewann es in 14:32,80 Minuten - neuer Europarekord. Silber griff sich der US-Amerikaner Bobby Finke, der am Dienstag Wellbrock Gold über 800 Meter Freistil weggeschnappt hatte, 24 Hundertstel vor dem Deutschen.
"Der Bobby hat mich auf der letzten Bahn nur so aufgefressen, der macht eine Welle, das ist unglaublich", sagte Wellbrock, "deswegen gehe ich da sehr zufrieden mit der Bronzemedaille raus." Bei Paltrinieri habe er gewusst, "dass er schnell anfängt, aber dass er so schnell anfängt, damit habe ich nicht gerechnet". Wellbrock schien sich aber immer noch nicht so richtig zu freuen, als er das sagte.
Klar, der Freiwasser-Olympiasieger von Tokio ist zwar durchaus selbstbewusst, zählt aber auch nicht zu den extrovertiertesten Schwimmern bei dieser WM. Muss er auch nicht, viele freuen sich eher still über das Große, das sie geleistet haben. Aber Bundestrainer Bernd Berkhahn gab der Geschichte von der gewonnenen Bronzemedaille knapp 90 Minuten später dann doch einen etwas anderen Dreh. "Ich bin zwiegespalten, die Zeit war sehr gut, nah an seinem deutschen Rekord, alles prima", sagte Berkhahn: "Aber er kam halt raus aus dem Wasser und sagt: ,Ich habe mich nicht ausbelastet und könnte jetzt noch weiterschwimmen.' Für meinen Geschmack ist er wieder zu schüchtern losgeschwommen. Er hat sich dann zu sehr auf Bobby konzentriert, sie haben Gregorio schwimmen lassen, das war ein großer Fehler."
Wenn man die Aussagen übereinanderlegt, fragt man sich, warum Wellbrock dann nicht zumindest versucht hat, sich ein wenig von Finkes Riesenwelle zu lösen, mal eine halbe Länge oder eine Länge nach vorne zu kommen. Aber vielleicht wollte er auch nicht den Fehler machen, dem Gejagten hinterher zu hecheln, um am Ende einzubrechen. So zogen Wellbrock und Finke nebeneinander ihre Bahnen, Finke surfte auf seiner Welle, Wellbrock schluckte sie, aber sie waren halt eher gemütlich unterwegs auf den ersten 800 Metern - und Paltrinieri zog immer weiter davon in diesem taktisch hochspannenden Finale, zwischenzeitlich lag er drei Längen voraus und drei Sekunden unter Weltrekord.
"Gregorio schwimmt mit einem Riesenherz. Da sind die Jungen noch ein bisschen zu verhalten", sagte Bundestrainer Berkhahn noch, bevor er den Italiener, der gerade vorbeiging, selbst herzlich umarmte und beglückwünschte. Wellbrock, der, das sollte nicht unerwähnt bleiben, eine nicht unkomplizierte Vorbereitung mit ein paar Malaisen hatte, bekam am Abend noch Physiotherapie. Am Sonntagmorgen klingelt dann um 8.30 Uhr der Wecker, ein spätes Frühstück - und dann geht es an den Lupasee zehn Kilometer die Donau hinab. Nicht zum Baden, obwohl das 25 Grad warme Wasser dort herrlich sein soll. Sondern zur Freiwasser-Staffel. Das nächste WM-Rennen steht an - mit guten Aussichten auf die nächste Medaille.