Weitspringer mit Beinprothese:Verband verweigert Rehm den EM-Start

Leichtathletik-DM in Ulm

Weitspringer mit Prothese: Markus Rehm.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Er darf nicht starten: Trotz seines deutschen Meistertitels muss Weitspringer Markus Rehm bei der Europameisterschaft zuschauen. Der deutsche Leichtathletik-Verband beruft den unterschenkelamputierten Athleten nicht ins Aufgebot. Kritik kommt vom Behindertensportverband.

  • Weitspringer Markus Rehm darf trotz seines deutschen Meistertitels nicht bei der Leichtathletik-EM starten. Der DLV beruft den unterschenkelamputierten Springer nicht ins Aufgebot.
  • Der Behindertensportverband kritisiert die Entscheidung.
  • Rehms will prüfen, ob er in Revision geht.

Norm erfüllt, aber kein Startplatz

Der unterschenkelamputierte Weitspringer Markus Rehm darf bei den Europameisterschaften in Zürich (12. bis 17. August) nicht starten. Diese Entscheidung gab der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) am Mittwoch bekannt und berief den Prothesen-Springer aus Leverkusen trotz erfüllter Norm nicht in sein 93-köpfiges Aufgebot.

Der 25-jährige Rehm, Paralympics-Sieger von 2012, hatte am vergangenen Wochenende in Ulm Geschichte geschrieben und als erster Springer mit Handicap den deutschen Meistertitel bei den nicht Behinderten gewonnen. Rehm springt mit seiner Karbon-Prothese am rechten Bein ab. Das hat in der Leichtathletik-Szene für eine hitzige Debatte darüber gesorgt, ob er dadurch einen unerlaubten Vorteil gegenüber den anderen Springern hat.

"Schade und enttäuschend"

"Ich finde es schade und enttäuschend", sagte Rehm in einer ersten Reaktion. Grundlage für die DLV-Entscheidung waren biomechanische Messungen bei den nationalen Titelkämpfen. Die Analyse hatte ergeben, dass Rehm durch die Beinprothese einen Vorteil im Wettstreit mit gesunden Sportlern haben könnte. "Wenn die Entscheidung darauf basiert, dann halte ich das für schwierig und unseriös", sagte Rehm.

Als Ablehnung eines beeinträchtigten Athleten wollte der DLV sein Urteil nicht verstanden wissen. "Wir leben Inklusion. Es besteht aber der deutliche Zweifel, dass Sprünge mit Beinprothese und mit einem natürlichen Sprunggelenk vergleichbar sind", erklärte Verbandspräsident Clemens Prokop. DLV-Cheftrainer Cheick-Idriss Gonschinska betonte, dass man sich die Entscheidung nicht leicht gemacht habe: "Wir haben in dieser Situation wirklich sehr sorgfältig abgewogen und viel abzuwägen gehabt."

Regel 144, Absatz 2c

In den Internationalen Wettkampfregularien heißt es unter Regel 144, Absatz 2c, dass "der Gebrauch von Technologien oder Geräten, die dem Nutzer einen Vorteil gewähren, den er bei regelgerechter Ausrüstung nicht hätte", nicht erlaubt ist.

Rehm hatte in Ulm seinen paralympischen Weltrekord um 29 Zentimeter auf 8,24 Meter gesteigert. Damit überbot er die vom DLV geforderte EM-Norm von 8,05 m deutlich - nur vier Athleten in Europa sind in diesem Jahr überhaupt weiter gesprungen.

Kritik vom Behindertensportverband

Kritik kommt vom deutschen Behindertensportverband. "Für uns ist die Entscheidung, den deutschen Meister nicht in das deutsche EM-Aufgebot zu berufen, einfach nur enttäuschend", sagte Präsident Friedhelm Julius Beucher: "Wir empfinden die Nichtnominierung als Rückschritt in den Bemühungen, eine Gleichstellung von behinderten und nichtbehinderten Sportlern anzustreben." Beucher weiter: "Die laufenden biomechanischen Analysen sind noch nicht abgeschlossen. Die Nichtnominierung daher mit bestehenden Zweifeln an der Vereinbarkeit mit der Regel 144 zu begründen, ist nicht stichhaltig."

Rehm prüft Revision

Ob er in Revision geht, will Rehm erst noch entscheiden. "Ich habe gesagt, wenn ich fair behandelt werde und es eine faire Analyse gibt, werde ich darauf zu 100 Prozent verzichten", sagte Rehm: "Das kann aber kein abschließendes Gutachten sein. So kurz nach der Entscheidung muss ich mich erst mit meinem Umfeld beraten und dann sehen, wie es weitergeht."

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