Weitspringerin Malaika Mihambo:Sie hüpft aus der Komfortzone

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Die bislang letzte Gold-Medaille: Malaika Mihambo bei der WM 2019 in Doha. (Foto: Axel Kohring/Imago Images/Beautiful Sports)

2019 wurde Malaika Mihambo zur besten Weitspringerin der Welt. Wie sie trotz Pandemie vorankommt? Mit neuen Einflüssen, unter anderem aus dem Leben der Elefanten.

Von Saskia Aleythe

So extrem wie ein Elefant hat es Malaika Mihambo nicht gehalten, Elefanten schlafen je nach Stresslevel nur zwei Stunden am Tag. Doch die Weitspringerin hat im vergangenen Jahr einiges ausprobiert, auch verschiedene Schlafphasen, wie sie im Tierreich verbreitet sind. Für ein paar Wochen klingelte ihr Wecker um 3.30 Uhr, dann war Zeit zum Meditieren und für das Studium. Zusammen mit einem Mittagsschlaf kam die Weltmeisterin dann auf sechs Stunden Ruhe pro Tag. "Ich wollte gucken, was das mit der eigenen Produktivität macht", sagt Mihambo, und auch wenn sie heute wieder neun Stunden am Stück schläft, ist eine Erkenntnis geblieben: "Um 3.30 Uhr will niemand was von dir. Da hat man die ganze Welt für sich."

Die Augen sind auf Malaika Mihambo gerichtet, wo immer es um Medaillen geht: Nach WM-Gold 2019 in Doha und Sieben-Meter-Sprüngen in Serie gilt die 27-Jährige auch nach einem Jahr Pandemie noch als Favoritin auf Olympia-Gold. Doch es ist nicht so, dass sie sich gerade jeden Tag dieses Finale in Tokio vorstellt und die Vorfreude ihr Motor im Training ist, zu prägend ist die Corona-Krise. "Ich bin immer auch zurückhaltend aufgrund der Lage, die noch nicht wirklich Sicherheiten und Klarheiten bietet", sagt Mihambo. Im Hinblick auf Olympia wünscht sie sich ein "umfassendes und vor allem nachweislich wirkungsvolles Hygienekonzept." Und Mihambo sagt auch: "Die Fragen zum Impfen müssen dringend beantwortet werden." Bis das passiert, hat sie ihren eigenen Umgang mit dem Dunst aus Unsicherheiten: Erst mal im Moment leben. Und ab und an aus der Komfortzone hüpfen.

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Das waren schon immer zwei Gegenpole bei ihr: Einerseits das behütete Athletinnenleben in Oftersheim bei der LG Kurpfalz, das Meditieren und Klavierspielen - auf der anderen Seite die Ausbrüche raus in die Welt, bei Backpacking-Touren durch Thailand oder Indien, ganz auf sich allein gestellt. Oder, sportlich gesehen: ein Ausflug in die Sprintersparte, neue Einflüsse, neues Glück. Doch wie kommt man voran, wenn die Welt plötzlich stillsteht? Nur im täglichen Training kann sie aktiv handeln, sagt Malaika Mihambo, deswegen ist das Jetzt ihr Fokus und nicht das Ausleben der großen Träume.

Wobei Letzteres ohne Ersteres eh nicht funktioniert. "Man trainiert über Wochen die gleichen Inhalte und merkt, wie sehr man sich steigert. Das ist ein sehr schönes Gefühl", sagt sie. Und Anreize hat sie zuletzt auch wieder bekommen: Bei der Hallen-EM in Torun in Polen kämpfte sie mit dem Treffen des Absprungbretts, das richtige Timing hat sie nach einem Jahr mit verkürztem Anlauf etwas verlassen. Ihr weitester Satz ging auf 6,88 Meter, Maryna Beck-Romantschuk aus der Ukraine sprang vier Zentimeter weiter und gewann Gold. Mihambo befindet sich in der Mitte der Karriere, in einer Phase, in der man auch mal neue Wege geht. Ihr Vermögen ist weiterhin da, aber nun sucht sie nach der Formel, um das Brett wieder zu treffen.

Ihr Wechsel zu Carl Lewis nach Texas ist auf die Zeit nach Tokio verschoben

Auf 16 statt 20 Schritte war ihr Anlauf nach der Hallensaison 2020 zusammengeschnurrt, so wollte sie Rückenprobleme auskurieren. Sie sprang trotzdem weiter als die Konkurrenz, sogar Weltjahresbestleistung mit 7,03 Metern im vergangenen September. Doch jetzt, wo sie wieder voll anläuft, fällt sie in alte Muster, kommt nicht sofort ins Sprinten rein. "Ich merke, dass der lange Anlauf wieder ganz anders ist als der kurze", sagt Mihambo. Und sie spürt auch, was der Status als Weltmeisterin mit ihr macht. Sie ist nicht mehr Jägerin, wie vor dem WM-Titel, sondern Gejagte. "Das ist ein großer Unterschied und etwas, das mich durch die Hallensaison sehr begleitet hat", sagt Mihambo, "etwas, was mich beschäftigt und noch weiter beschäftigen wird."

In sich zu ruhen, das hat sie neben ihrem Talent zu den Medaillen getragen: Zum EM-Titel 2018 in Berlin, als ihr vor dem dritten Sprung schon das vorzeitige Aus drohte; auch in Doha musste der dritte Versuch dringend sitzen - da flog sie dann auf 7,30 Meter, persönliche Bestweite und Gold. Damals war noch ihr Jugendcoach an ihrer Seite, sie verständigten sich in den Wettbewerben via Zeichensprache, sie verstanden sich ohnehin fast blind. Nach 16 Jahren endete die Zusammenarbeit im vergangenen Sommer. Das gleiche eingespielte Team bei Wettkämpfen, in Drucksituationen, kann sie mit Bundestrainer Ulrich Knapp noch gar nicht sein. "Ich war vorher weniger gefordert", sagt Mihambo, "auch daran kann ich jetzt wieder wachsen" - es kommt nun mehr auf ihre Eigenverantwortung als Athletin an. Ihr ursprünglich geplanter Wechsel zu Carl Lewis nach Texas ist auf die Zeit nach Tokio verschoben. "Ich habe auch hier noch genügend Dinge, die mir Spaß machen und mich weiterbringen", sagt Mihambo, auch im Privaten: Da hat sie mit der Gründung eines gemeinnützigen Vereins ihr soziales Engagement weiter ausgebaut.

Tun, was man tun kann, das sollte auch für Sportveranstalter gelten. Zuletzt hatten sich einige Hygienekonzepte als löchrig erwiesen, auch bei der Hallen-EM in Polen. Und wie viele Athleten geimpft zu Olympia nach Japan reisen können, ist auch wenige Monate vor den Spielen unklar. Sollte es gesellschaftlich gewollt sein, wäre eine frühzeitige Impfung wichtig, sagt Mihambo, "um auszuschließen, dass die sportliche Leistung durch eine mögliche Impfreaktionen vermindert wird". Sich zwei Jahre in Topform zu wähnen, um dann beim Höhepunkt flach zu liegen - die Ungewissheit springt immer mit. Da hat es schon seine Vorzüge, im Moment zu leben.

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