"Katarstimmung":Was ist mit den Orakel-Tieren los?

"Katarstimmung": Ihre Expertise war nicht gefragt: Weiße Oryx, auch Arabische Oryx.

Ihre Expertise war nicht gefragt: Weiße Oryx, auch Arabische Oryx.

(Foto: Agefotostock/Imago)

Früher war Krake Paul ein Star, und natürlich hätte auch die Weiße Oryx ein wunderbares Orakel-Tier abgegeben. Aber sie kann mit Fressnäpfen mit Fahnen leider nix anfangen.

Glosse von Holger Gertz, Doha

Was ist eigentlich mit Orakel-Tieren los bei dieser Weltmeisterschaft? Kennt doch jeder: Tier kriegt vorm Spiel zwei Futternäpfe hingestellt, auf dem rechten Napf etwa die Flagge von Marokko, auf dem linken die von Frankreich. Und der Napf, aus dem gefressen wird, gewinnt: Das ist dann das Orakel. Unerreicht natürlich Krake Paul, Weltmeisterschaft 2010. Vorm Viertelfinale Deutschland gegen Argentinien verbreiteten argentinische TV-Sender damals Kochrezepte, wie das Tier zu Paella zu verarbeiten sei. Es half alles nichts, Paul setzte auf Deutschland, Deutschland gewann. Paul tippte achtmal und lag achtmal richtig.

In Katar hat sich kein Orakel-Tier etabliert, vielleicht ist das Ritual aus der Mode. Obwohl, weiter draußen im Al-Maha-Schutzgebiet oder im Al-Shahaniya-Park orakelt die Weiße Oryx unbeobachtet vor sich hin. Weiße Oryx, wie das schon klingt. Und so sei das Leben: grün wie die Hoffnung, rot wie die Liebe, weiß wie die Oryx. Die ist tatsächlich eine Antilope - und so weiß, weil dadurch das Sonnenlicht reflektiert wird, was vor Überhitzung schützt.

Es gab die blauen Samurai bei dieser WM, es gab die rote Furie, aber nicht die Weiße Oryx, weil sie (in Deutschland sagt man schmucklos Spießbock) nicht vernünftig eingepflegt wurde ins Marketing-Konzept. Sie ist so weiß, dass sie im gleißenden Sonnenlicht des Wüstensommers und in der flirrenden Hitze praktisch unsichtbar ist. Die Weiße Oryx ist damit eine Verwandte des vom Komödianten Olli Dittrich vorgestellten Polarzebras: Wenn es draußen hell ist, hat es weiße Streifen. Wenn es dunkel ist, sind die Streifen dunkel. Weshalb man auch das Polarzebra nicht sieht.

"Ganz in Weiß, mit einem Blumenstrauß" schmachtete schon der deutsche Sänger Roy Black die Oryx an, erntete aber nur verständnislose Blicke vom fast unsichtbaren Nationaltier. Und was er da für einen Blumenstrauß hielt, waren in Wahrheit Riesenhörner, 80 Zentimeter lang. Natürlich hätte die Weiße Oryx ein wunderbares Orakel-Tier abgegeben, aber mit Fressnäpfen mit Fahnen dran kann sie nichts anfangen, in der Wüste gibt es kaum etwas zu fressen.

Manchmal leckt die Oryx am frühen Morgen Tröpfchen von Steinen, mehr gibt es dann den ganzen Tag nicht. Und so steht die WM, bei der geprunkt und geprotzt wird, dem Charakter der asketischen Oryx derart entgegen, dass sie ganz gut daran getan hat, die Distanz zu wahren. Und jetzt ist das Turnier ja sowieso bald vorbei.

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