Süddeutsche Zeitung

Weinzierl zum VfB Stuttgart:Augsburger statt Isländer

  • Markus Weinzierl wird neuer Trainer beim VfB Stuttgart. Bereits im vergangenen Jahr gab es Kontakte zu den Schwaben.
  • Er setzt sich als Kandidat unter anderem gegen den ehemaligen isländischen Nationaltrainer Hallgrimsson durch.
  • Der VfB erwartet, dass er mit dem Team offensiveren Fußball als Vorgänger Tayfun Korkut spielen lässt.

Von Benedikt Warmbrunn

Zwei Tage nachdem der VfB Stuttgart durch ein torloses Unentschieden gegen Fortuna Düsseldorf auf den vorletzten Tabellenplatz abgerutscht war, drehte sich Markus Weinzierl hin und her. Weinzierl saß im Fernsehstudio des Bayerischen Rundfunks, für den "Blickpunkt Sport", er sah gut erholt aus, im weißen Poloshirt unter dem dunklen Sakko, dazu eine unverschämt gesunde Gesichtsbräune. Er saß da aber auch auf seinem Drehstuhl wie einer, der die Erfüllung seines Lebens nicht darin sieht, über die Arbeit anderer Trainer zu reden. Er wirkte wie einer, der selbst wieder loslegen will, er schwenkte auf seinem Drehstuhl mal nach links, mal nach rechts, als ob sich da doch irgendwann ein trainerloser Verein entdecken ließe.

Weinzierl kommentierte dann das Geschehen in der Bundesliga, das bei seinem ehemaligen und damals punktlosen Verein auf Schalke (eher kritisch) sowie das beim damals ungeschlagenen Tabellenführer aus München (eher euphorisch), und es muss nicht gegen ihn ausgelegt werden, dass sich beides inzwischen ein wenig gewendet hat. Damals, im fortgeschrittenen September, war es eben angesagt, über Schalke eher kritisch zu sprechen und über den FC Bayern eher euphorisch. Außerdem erzählte Weinzierl, dass er sich einem Job in der zweiten Liga "nicht verwehre", er fügte aber auch schnell hinzu: "Es ist aber klar, dass der Fokus auf der ersten Liga liegt." Dort kenne er übrigens nicht nur alle Mannschaften, er kenne auch alle Spieler, falls also mal ein Verein bei ihm anrufen sollte, "dann ist man da schon vorbereitet". Er drehte sich nach links, er drehte sich nach rechts.

Keine zwei Wochen später hat ein Verein aus der ersten Liga bei Weinzierl angerufen, bis sich der Klub und der Trainer geeinigt hatten, dauerte es keine weitere halbe Woche. Am Dienstagmittag verschickte der VfB Stuttgart eine Mitteilung, in der der Verein Weinzierl als neuen Cheftrainer vorstellte. Der 43-Jährige unterschrieb einen Vertrag bis zum Sommer 2020.

Zweieinhalb Wochen sowie einen Sieg und zwei Niederlagen nach Weinzierls Abend im Fernsehstudio ist der VfB auf dem letzten Tabellenplatz der Fußball-bundesliga gelandet, der neue Trainer bezeichnet ihn daher in der Mitteilung als einen "großen Verein, der sich momentan in einer sportlich schwierigen Situation befindet". Vom Potenzial der Mannschaft sei er "dennoch" überzeugt, und er "brenne darauf, die Arbeit mit meiner neuen Mannschaft zu beginnen". An diesem Mittwoch wird er erstmals das Training leiten.

Beim VfB haben sie sich gerade von dieser Ungeduld, von diesem Arbeitseifer beeindrucken lassen. Präsident Wolfgang Dietrich freut sich, "einen erfahrenen und zugleich ambitionierten Cheftrainer" verpflichtet zu haben, Sportvorstand Michael Reschke schwärmt von einem "absolut erfolgshungrigen Trainer". In Stuttgart folgt Weinzierl auf den am Sonntag freigestellten Tayfun Korkut, den sie beim VfB zwar weiterhin für einen ebenfalls erfolgshungrigen Trainer halten, sie waren sich zuletzt aber unsicher, ob dieser Hunger übereinstimmt mit dem, was sie so als Angebot im Kühlschrank hatten. Am Ende waren sie sich uneins, ob Korkut die besten Mittel wählte, die der VfB ihm in seinem Kader zur Verfügung gestellt hatte - obwohl er einen offensivstarken Kader hat, wählte Korkut zum Beispiel beim 1:3 in Hannover am Samstag eine defensivlastige Taktik.

Der Trainer, auf den Weinzierl folgt, ist übrigens auch der Trainer, dessen Job er schon im Januar hätte haben können. Kurz nach der Winterpause hatte sich der VfB von Hannes Wolf getrennt, eines der ersten Gespräche führten die Bosse mit Weinzierl, der zu diesem Zeitpunkt seit einem knappen Dreivierteljahr nicht mehr auf Schalke arbeitete. Im Januar spürten die Verantwortlichen aber noch nicht die Ungeduld auf eine Rückkehr, die sie nun überzeugt hat. Außerdem hatte der Trainer einen (gut dotierten) Vertrag auf Schalke, der inzwischen aufgelöst wurde. Nach der Trennung von Korkut sprachen die Bosse zwar auch mit drei weiteren Trainern, einer davon war der frühere isländische Nationalcoach Heimir Hallgrimsson. Doch für Weinzierl entschieden sie sich rasch, weil dieser "die Bundesliga genau kennt und weiß, auf was es in unserer Situation ankommt", sagt Reschke in der Mitteilung.

In seinen fünf Spielzeiten in der Bundesliga steckte Weinzierl zweimal in einer vergleichbaren Lage wie nun der VfB. Verpflichtet haben die Stuttgarter Bosse aber nicht unbedingt den Trainer, der 2016 mit Schalke an den ersten fünf Spieltagen fünfmal verlor und anschließend das Team auf den zehnten Platz führte. Verpflichtet haben sie vielmehr den Augsburger Trainer der Jahre 2012 bis 2016. Einen Trainer also, der auch in schwierigen Zeiten seiner Linie treu geblieben ist, der eine Mannschaft über Jahre geformt hat, der Spieler mit detaillierter Trainingsarbeit entwickelt hat. Einen Trainer also, der all das schon nachgewiesen hat, was sie sich beim VfB eigentlich von Korkut erhofft hatten.

In seiner ersten Saison mit dem FCA hatte Weinzierl in der Hinrunde neun Punkte gewonnen, erst durch ein 3:1 gegen Fürth am letzten Spieltag sicherte die Mannschaft den Klassenverbleib. In der dritten Saison qualifizierte sich das Team erstmals in der Vereinsgeschichte für die Europa League. Das wäre so eine Entwicklung, wie sie sich auch die Stuttgarter Bosse erhoffen, die ja im Sommer knapp 30 Millionen Euro investiert haben, um eine Mannschaft aufzubauen, die das anspruchsvolle Stuttgarter Publikum mit schnellem, attraktivem Fußball begeistern kann. Weinzierl werde "unsere Mannschaft entscheidend weiterentwickeln", sagt Reschke. In seinem Erfolgshunger muss der Trainer sich ja auch eigentlich nur am Angebot im Stuttgarter Kühlschrank orientieren.

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Quelle:
SZ vom 10.10.2018/schm
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