Süddeutsche Zeitung

Basketballer Nick Weiler-Babb:Blitz-Einbürgerung mit Perspektive

Lesezeit: 3 min

Wie früher Shawn Bradley oder Chris Kaman: Dank deutscher Wurzeln in seiner Familie erhält der US-Basketballer Nick Weiler-Babb einen deutschen Pass - der Bayern-Profi soll das Nationalteam schon bei der Heim-EM verstärken.

Von Jonas Beckenkamp

Schon verblüffend, wie schnell es manchmal bei den Behörden geht, wenn die Zeit drängt und nationales Interesse besteht. Nick Weiler-Babb, 26, hat sogar schon ein Trikot der deutschen Basketball-Nationalmannschaft in den Händen, selbstverständlich in der richtigen Größe, er trägt von nun an die Nummer sechs. Zu sehen ist der Mann aus Kansas, der seit 2020 für den FC Bayern aufläuft, mit dem neuen Leibchen auf der Homepage des Deutschen Basketball-Bundes (DBB) - darüber der Satz: "Nick Weiler-Babb spielt für Deutschland."

Für den deutschen Basketball bietet die Nachricht seiner Blitz-Einbürgerung eine Perspektive, mit der die wenigsten gerechnet hatten. Schon gar nicht so kurz vor der Heim-EM, bei der das Nationalteam ab 1. September fünf Vorrundenspiele in Köln und mögliche weitere Partien in Berlin austrägt. Aber es wirkt so, als wollte man sich beim DBB diese Möglichkeit nicht entgehen lassen: Gerade frisch mit einem deutschen Pass ausgestattet, reist Weiler-Babb noch diesen Samstag ins Trainingslager in Köln.

"Nick war von Beginn an begeistert von der Aussicht, für Deutschland zu spielen", erklärt Bundestrainer Gordon Herbert, selbst Kanadier, "das ist sowohl für uns als auch für ihn eine tolle Sache! Er ist ein großartiger Typ, der gut in die Nationalmannschaft passen wird." Entscheidend sei für ihn, dass der beste Münchner Basketballer der vergangenen Saison "schon einige Jahre in Deutschland gespielt" habe und somit eine Beziehung zu seiner neuen Heimat mitbringe.

Weiler-Babb hat in seiner Familie deutsche Wurzeln - wie schon einige andere eingebürgerte Amerikaner

Die Eltern von Nick Weiler-Babbs Mutter stammen aus Deutschland, somit konnte der Profi, der vor seiner Bayern-Zeit schon in Ludwigsburg aktiv war, nun kurzfristig neue Papiere erhalten. Weiler-Babb sagt, er wolle sich im Nationalteam etablieren und nach seiner Vertragsverlängerung in München nun länger in Deutschland bleiben: "Natürlich ist das eine sehr wichtige, persönliche und reiflich überlegte Entscheidung, die ich schon vor einiger Zeit getroffen habe." Vermutlich also noch vor seiner Hochzeit samt Flitterwochen in Kalifornien, die er in seinen vollgepackten Sommer auch noch untergebracht hat.

Die Sache hatte also etwas Vorlauf, aber nun war Eile angesagt, denn beim Verband wollen sie in Kürze den Kader für das Heimturnier bekannt geben. Mit ihm haben sich aktuell 17 Basketballer versammelt, fünf muss der Bundestrainer noch streichen, bevor es ab 19. August in Hamburg beim Supercup in ein Vorbereitungsturnier geht. Und anschließend, kurz vor der EM, in zwei WM-Qualifikationsspiele gegen Slowenien und Schweden. Weiler-Babb dürfte es mit seinen Qualitäten ziemlich sicher ins EM-Lineup schaffen, denn auf seiner Position gibt es Bedarf im deutschen Basketball.

Einziger echter Konkurrent auf dem Flügel ist sein Teamkollege Andreas Obst, ein Dreierspezialist, der nicht ganz die Allroundfähigkeiten von Weiler-Babb besitzt. Der kann zudem auch hinten als Spezialagent fungieren, schließlich war es in den Euroleague-Partien der Bayern zuletzt oft Weiler-Babb, der die elitärsten Wurfkünstler des Kontinents mit seinen flinken Händen piesackte. "Nach den großartigen Erfahrungen mit Bayern in der Euroleague freue ich mich auf die Möglichkeit, mich auf dem Level der Nationalteams beweisen zu können", findet Weiler-Babb, den offenbar auch die Aussicht auf die WM 2023 oder Olympia reizt.

Sein Werdegang passt dabei in die Historie des DBB. Manchmal rauschen die Ereignisse nur so dahin und schwuppdiwupp zaubert der Verband fern geglaubte Nationalspieler hervor. Bei Einbürgerungen, insbesondere von US-Profis, war der deutsche Basketball nie besonders zimperlich. Wer in irgendeiner Form deutsche Vorfahren nachweisen konnte oder sogar in Deutschland geboren wurde, hatte es leicht.

2001 vermittelte Dirk Nowitzki einen Team-Kollegen von den Dallas Mavericks, Center Shawn Bradley, an den DBB. Der galt damals als große Attraktion, zu verdanken hatte der 2,29-Meter-Mann seine Teilnahme an der EM damals seinem Geburtsort Landstuhl in der Pfalz. Obwohl er quasi sein ganzes Leben in den USA verbrachte und kaum Bezug zu Deutschland hatte, kam Bradley, der nach einem schweren Fahrradunfall seit dem vergangenen Jahr im Rollstuhl sitzt, auf neun Länderspiele. Immerhin 25 Einsätze erreichte zwischen 2008 und 2011 LA-Clippers-Center Chris Kaman - dank deutschstämmiger Urgroßeltern.

Meist waren es in Ermangelung richtiger Topspieler unter den Körben die langen Leute, um die sich deutsche Funktionäre bemühten. Mit Weiler-Babb folgt nun einer, der das Spiel auch gestalten kann, falls die Dirigenten Dennis Schröder oder Maodo Lô mal eine Pause brauchen.

Er sei glücklich über die Initiative des "deutschen Verbands und die Unterstützung von vielen Seiten", freut sich Weiler-Babb. Damit dürfen sich auch die Bayern angesprochen fühlen, die den Prozess begleitet haben. Mit einigem Eigeninteresse, versteht sich, denn von nun an besetzt er im Kader nicht mehr einen der sechs erlaubten Ausländerplätze - gut möglich also, dass die Münchner die Gelegenheit nutzen, um sich nach einem weiteren ausländischen Punktelieferanten umzuschauen.

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