Wechsel im Fußball:Das Gezerre um Neymar beginnt erst

Wechsel im Fußball: Ein Weltklasse-Stürmer bei der Abreise: Neymar fährt vom Trainingsgelände des FC Barcelona.

Ein Weltklasse-Stürmer bei der Abreise: Neymar fährt vom Trainingsgelände des FC Barcelona.

(Foto: Manu Fernandez/AP)
  • Neymar erscheint zwar zum Training des FC Barçelona, doch der Brasilianer bleibt nur kurz und kündigt seinen Wechsel zu Paris Saint-Germain an.
  • Die Katalanen wollen einem Transfer nicht so einfach zustimmen, das Gezerre um den 25-Jährigen beginnt erst.
  • Eine große Frage stellt sich: Ist der Transfer überhaupt möglich, ohne das Financial Fairplay zu verletzen?

Von Oliver Meiler, Barcelona

Der Abschied dauerte nur eine Stunde, alles inklusive: Parken, Reden, Erklären, Herzen, Wiederwegfahren. Als der Fußballer Neymar Junior am Mittwoch kurz nach neun Uhr mit seinem blauen Wagen eines deutschen Sponsors im Trainingszentrum des FC Barcelona vorfuhr, im weißen Poloshirt und mit Sonnenbrille, da hing über der Szene noch ein Hauch von Spannung, ein letzter Hauch nach langem Rätseln und Säuseln über seine weltweit verhandelte berufliche Zukunft. Trainiert er mit? Oder kommt er nur, um zu gehen?

Nun, Neymar kam, um seinen Kameraden, die schon in Sportsachen herumsaßen, mitzuteilen, dass er tatsächlich nach Paris wechseln werde, zu St. Germain, in die Ligue 1. Nach vier Jahren und einer ansehnlichen Bilanz bei Barça: 186 Spiele, 105 Tore, 80 Vorlagen. Man hört, es soll auch emotional geworden sein in der Umkleide, obschon der Brasilianer die Mannschaft ja in den vergangenen Wochen auch ein bisschen genervt hat mit seinem Schweigen und den mysteriösen Botschaften in den sozialen Medien. Zuletzt zitierte er aus der Bibel, Neues Testament, Brief des Paulus an die Philipper, 4:11: "Ich sage das nicht, weil ich in Not war. Ich habe gelernt, in jeder Lage zurechtzukommen und nicht von äußeren Umständen abhängig zu sein." Im Kopf war er da wohl schon weg.

Nach dem Abschied von den Kollegen draußen in Sant Joan Despí, einem Vorort Barcelonas, fuhr er zum heikleren Termin in die Stadt, zum Camp Nou, wo die Vereinsdirektion ihre Büros hat. Gut möglich, dass er bei der Anfahrt die Plakate sah, die rund ums Stadion an den Bäumen hängen: "Gesucht: Verräter", steht darauf. Dazu das Konterfei Neymars, wie bei einem Steckbrief. Es wird eben oft primitiv, wenn sich Fans in ihrer Liebe betrogen fühlen. In den Büros saßen dann auch Neymar Senior und einige Kindheitsfreunde von Junior aus Brasilien, die "Toiss", die in wichtigen Momenten nie fehlen dürfen. Es soll da deutlich kühler zugegangen sein.

Der Tonfall des Kommuniqués lässt dann auch erahnen, dass die "Causa Neymar" noch lange nicht ausdiskutiert ist. Sie hat wohl eher gerade erst begonnen. Der Verein richtete aus, Neymar bleibe bis auf Weiteres ein Spieler des FC Barcelona, mit gültigem Vertrag. Man habe ihn temporär vom Training befreit. Für einen Wechsel nach Paris bestehe man auf der Begleichung der Ausstiegsklausel - und zwar in ihrer "Totalität", in vollem Umfang also: 222 Millionen Euro. Das Wort "totalidad" klingt in diesem Zusammenhang wie eine Aufforderung zum Duell.

Man ist also nicht bereit, sich mit den katarischen Besitzern von PSG an einen Tisch zu setzen und zu verhandeln. Zumindest in dieser Phase nicht. Das ist der Verein seinen Anhängern schuldig, die bei allem Ärger über das Verhalten der Neymars auch beklagen, dass man einen Superstar mit viel Zukunft ziehen lässt - "Ney" ist erst 25. Nun sollen wenigstens alle versichert sein, dass viel Geld für neues, prominentes Personal fließt, so viel wie noch nie in der Geschichte dieses Sports. Dafür werde man schon sorgen.

Barça findet unerhofften Alliierten

Die Härte hat einen weiteren Hintergrund. Noch immer ist nämlich schleierhaft, wie PSG und seine Geldgeber aus Doha eine Operation gestalten wollen, die sie insgesamt über eine halbe Milliarde Euro kosten wird - ohne dabei die Regeln des "Financial Fairplay" des europäischen Fußballverbands Uefa zu verletzen. Bei Barça ist man ausdrücklich der Meinung, dass das gar nicht möglich sei.

Der Verein hat dabei einen unverhofften Alliierten gewonnen: Javier Tebas, der Präsident der spanischen Profiliga, sonst ein rabiater Kritiker der Katalanen und des Katalanischen allgemein, kündigte in einem Interview in der Sportzeitung AS an, dass man das Geschäft stoppen wolle. "Falls die Uefa nicht von sich aus einschreitet", sagte Tebas, "dann klagen wir." Bei der Uefa nämlich, der Europäischen Union und in der Schweiz - überall da, wo es Tribunale gebe, die über das, was er unlauteren Wettbewerb nennt, richten könnten. Tebas sprach von finanziellem Doping. "Es gibt Vereine, die ihr Geld von Staaten erhalten und damit Spieler kaufen, um ihre Fans zu beschenken." Gemeint waren Katar und der PSG. Tebas ließ sich dann zu einem zweifelhaften Vergleich hinreißen: "Das ist etwa so", sagte er, "als kaufte ein Staat die Supermarktkette Carrefour und verschenkte Hühner an die Kunden." Ein Kampf vor den Gerichten könnte lustig werden.

Im Fußballgeschäft wird man sich nun wohl auch grundsätzlich fragen müssen, ob Ausstiegsklauseln das probate Mittel sind, um wichtige Angestellte an die Vereine zu binden. Offensichtlich gibt es einige Konkurrenten in der Branche, die sich auch von scheinbar grotesk hohen Sperrsummen nicht abschrecken lassen. Die Katarer werden jetzt argumentieren, ihr Vorgehen sei ganz legal, man sei ja bereit, die Konditionen zu erfüllen, die Barça für eine Verpflichtung Neymars festgelegt habe - in ihrer "totalidad".

Auf der Gesamtsumme einer Abmachung beharrt auch Neymar Senior. Im vergangenen Herbst, als der Vater einen neuen Vertrag für seinen Sohn aushandelte, ließ er sich die Treue der Familie mit einer Prämie von 26 Millionen Euro abgleichen. Zahlbar bis 31. Juli 2017. Solche Zahlungen sind nicht unüblich bei Barça. Auch Sergio Busquets und Javier Mascherano erhielten einen hübschen Betrag. Leo Messi wurden fürs Bleiben unlängst 50 Millionen Euro gutgeschrieben. Die Neymars sollen nun aber höchstens ein Fünftel ihrer 26 Millionen erhalten - weil der Spieler nur eines von fünf vereinbarten Vertragsjahren erfüllt habe. Barça hinterlegte die Summe deshalb bei einem Notar - die Summe wurde eingefroren, bis die Gerichte darüber entschieden haben werden.

Nach den vielen Abschieden, den warmen und kühlen, reiste Neymar dann nach London, um ein bisschen "abzuschalten".

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