Wechsel des Nationalstürmers:Florenz überschlägt sich für Gomez

FC Bayern München, Mario Gomez, AC Florenz

Und ab nach Florenz: Mario Gomez wechselt in die Toskana. 

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Das toskanische Idyll und der Deutsche - das könnte passen. In Florenz ist die Vorfreude auf Mario Gomez riesig. Über Nacht hat der deutsche Nationalstürmer bereits den Dauerkartenverkauf angekurbelt. Bundestrainer Löw droht trotzdem ein Problem.

Von Birgit Schönau, Rom

In der Bar Marisa vor dem Artemio-Franchi-Stadion wird der Cappuccino schon neu verziert. Auf der Schaumkrone steht, kunstvoll mit Kakaopulver dahingestäubt: Mario Gomez. "Ich konnte ja einen Monat lang nicht schlafen", sagt ein Gomez-Cappuccino-Trinker ins Mikrofon eines aufgeregten Reporters von La Nazione, dem Leib- und Magenblatt der Toskana. Der Nazione-Mann fragt verständnisvoll: "Wegen Mario?" Der Milchkaffee-Mann nickt. "Es war so aufregend. Aber wir haben es ja jetzt geschafft."

Dass er ein wenig asthmatisch klingt, hat nichts mit dem Schlafentzug zu tun, sondern ist eine Eigenart des Florentiner Akzents. Die Leute sagen "hasa" statt "casa", sie hauchen auf Italienisch. Gomez wird es schon noch lernen. Und zwar schnell. Denn Florenz überschlägt sich für ihn. "Willkommen Super-Mario" prangt auf einem Spruchband, das über Nacht am Franchi-Stadion befestigt wurde. Auf Deutsch.

Eine Stadt hält den Atem an. 21 Millionen soll Gomez, 27, kosten, so viel hat die Fiorentina seit ihrer Pleite vor elf Jahren noch für keinen Spieler ausgegeben. "Wir müssen uns wirklich bei der Familie Della Valle bedanken", hat Matteo Renzi verkündet. Und: "Ich stelle mir vor, dass die Schönheit unserer Stadt Gomez bei seiner Wahl beeinflusst hat." Renzi ist der linke Bürgermeister von Florenz, er möchte gern bald ganz Italien regieren.

Diego Della Valle ist der Besitzer der Fiorentina, er dirigiert Italiens Luxus-Sparte, sein Imperium reicht von teuren Schuhen über teure Sessel bis hin zu teuren Zügen und dem Corriere della Sera, der Mailänder Tageszeitung des italienischen Establishments. Wenn Bürgermeister Renzi der Kronprinz der italienischen Linken ist, so ist Della Valle der ungekrönte König des "Made in Italy" - stets damit beschäftigt, die Marke Italien als Heimat des Guten und Schönen zu verbessern. Und sei es mit dem Sohn eines Spaniers und einer Schwäbin.

Der letzte Deutsche, für den die Fiorentina einen Haufen Geld hinlegte, war von 1998 bis 2000 Jörg Heinrich. 25 Millionen Mark hatte der damals schon klamme AC Florenz für Heinrich an den BVB gezahlt. Doch der brave und glanzlose Mittelfeldarbeiter hinterließ keine Spuren. Auch Marvin Compper, im Winter von Hoffenheim nach Florenz gewechselt, versprüht bislang wenig Glanz. Mit Gomez soll es anders werden.

Er hätte auch zum SSC Neapel gehen können, er hätte dort mehr Geld verdient als 4,25 Millionen netto im Jahr inklusive Bonus. Vor allem aber hätte er in der Champions League gespielt. Doch der AC Florenz war früher im Rennen. Vor allem aber wird Fiorentina-Trainer Vincenzo Montella seine Mannschaft ganz auf Mario Gomez zuschneiden. Das wäre dem Nationalspieler, dessen Spielweise und physische Präsenz an den in Florenz verehrten Luca Toni erinnert, in Neapel ganz bestimmt nicht passiert. Dort hätte Gomez den Uruguayer Edinson Cavani ersetzen sollen, einen überragenden Angreifer, der seine Attacken hinzutänzeln pflegt. Und: Neapel ist ein Moloch, der seine Helden inbrünstig verehrt und grausam zerfleischt. Florenz hingegen ein gemütliches Freilichtmuseum.

Guiseppe Rossi als Sturmpartner

Dort hat Trainer Montella, 39, der selbst aus Neapel stammt, beachtliche Arbeit geleistet. Früher einmal war der zierliche Montella einer der besten Torjäger der Serie A, doch schon mit 35 wechselte er auf die Bank. Nach Stationen beim AS Rom und Catania Calcio landete vor einem Jahr beim AC Florenz und schaffte auf Anhieb Platz vier. Seine Fiorentina gilt als eines der spielstärksten Teams der Liga, als Talentschmiede, um deren Mittelfeld- Stratege Stevan Jovetic sich Juventus Turin lange bemühte. Doch Florenz verlangt 30 Millionen für Jovetic - es deutet viel darauf hin, dass der Montenegriner in diesem Sommer noch nicht umziehen wird.

Und auf Gomez wartet sein neuer Sturmpartner Giuseppe Rossi, einst Star des spanischen Klubs Villarreal. An Rossi war vor einem Jahr auch der FC Bayern interessiert gewesen, dann kam ein Kreuzbandriss dazwischen. "30 bis 35 Tore werden Gomez und Rossi gemeinsam liefern", prophezeit das Florentiner Urgestein Giancarlo Antognoni, einst Rekordspieler beim AC. Man wird sehen.

Schon jetzt hat Gomez gleichsam über Nacht den Dauerkarten-Verkauf angekurbelt, 14.000 sind bereits verkauft, 25.000 könnten es noch werden. 47.000 Plätze hat das Franchi-Stadion, selbst ein Museumsstück, nur leider nicht aus der Renaissance. Aber mit einem Publikum, das auch in Viertliga-Zeiten seinen Verein nie im Stich ließ. Die Florentiner gelten als die treuesten und lustigsten Fans der Liga.

Bevor Mario Gomez aber von der "Curva Fiesole" bejubelt werden kann, geht es ins Trainingslager. Die Fiorentina hat sich nach Montecatini zurückgezogen, einen etwas altmodischen Badeort zwischen Florenz und Lucca, und residiert dort in einem Hotel mit der verstaubten Grandezza vergangener Zeiten. Das "Grand Hotel La Pace", ein schlossähnlicher Kasten aus dem 19. Jahrhundert, ist zwar nur eine Zwischenstation auf dem Weg zur Sommerfrische in den Dolomiten. Aber hier wird Gomez sich erstmals mit seiner neuen Welt vertraut machen: Alles etwas langsamer, etwas verhaltener und bodenständiger als beim FC Bayern. Aber vielleicht auch leichter zu erobern.

Mario Gomez muss beim AC Florenz jedenfalls keine Konkurrenz fürchten. Er kommt, um in einer der schönsten Städte Europas zu spielen. Und zwar Sonntag für Sonntag. Genau wie Miroslav Klose, Gomez' Teamkollege in der Nationalmannschaft, der nach zwei Jahren bei Lazio Rom einer der beiden populärsten Spieler der Hauptstadt ist - der andere ist der ewige Roma-Kapitän Francesco Totti. Klose in Rom, Gomez in Florenz: Die Säulen von Joachim Löws Offensive stehen nun also in Bella Italia. Fernab vom europäischen Spitzenfußball. Gomez spielt wie Klose nur in der Europa League. Details. Denn die Kulisse stimmt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: