Beachvolleyballerin Kira Walkenhorst:Der geschundene Körper verweigert den Dienst

Kira Walkenhorst, Laura Ludwig Beachvolleyball Olympia

In Rio noch in Hochform: Laura Ludwig (links) und Kira Walkenhorst im Finale an der Copacabana.

(Foto: David Goldman/AP)
  • Kira Walkenhorst musste als Beachvolleyballerin vieles aushalten - dabei feierte sie riesige Erfolge.
  • Sie wurde Olympiasiegerin, Weltmeisterin, zweifache Europameisterin.
  • Jetzt hört Walkenhorst auf, weil ihr Körper nicht mehr mitspielt. Sie ist gerade erst 28 Jahre alt.

Von Felix Meininghaus

Wer ermessen wollte, mit welchem Willen, welcher Passion und Leidensfähigkeit Kira Walkenhorst ihrem Beruf als Beachvolleyballerin nachging, der konnte davon einen Eindruck bei den Weltmeisterschaften 2017 in Wien gewinnen. Nach dem Viertelfinale gegen die Amerikanerinnen Summer Ross und Brook Sweat saß die Blockspielerin abgekämpft in der Mixed Zone am Rande des mächtigen Stadions auf der Donauinsel und berichtete den erstaunten Journalisten, sie habe noch am Morgen vor Schmerzen ihren Arm nicht heben können. Im Spiel war davon nichts zu sehen, Kira Walkenhorst aus Essen agierte am Netz so dominant wie eh und je. "Sie würde nie abbrechen", erklärte ihre Partnerin Laura Ludwig bewundernd, "selbst wenn ihr der Arm abfallen würde."

Schmerzen aushalten zu können und Widrigkeiten zu ertragen, das war eine der herausragenden Eigenschaften einer Athletin, der in ihrer Karriere nichts in den Schoß gefallen ist. Im Gegenteil: Kira Walkenhorst musste sich durchsetzen, sie musste Widerständen trotzen, die zarter besaitete Charaktere zur Aufgabe gezwungen hätten. Als Ausnahmeathletin hat sie alles erreicht, was sich im Sport erträumen lässt: Olympiasiegerin 2016, Weltmeisterin 2017, Europameisterin 2015 und 2016.

Nun ist Schluss mit 28 Jahren, der geschundene Körper verweigert die Gefolgschaft: "Mein Körper erlaubt mir keinen Leistungssport mehr", so lässt sie durch den Deutschen Volleyball-Verband (DVV) offiziell vermelden: "Alles andere als Laura nahezulegen, sich eine andere Partnerin zu suchen, mit der sie ihre Ziele erreichen kann, erschien mir unfair."

"Ich konnte in den letzten Wochen nie länger als 30 Minuten trainieren"

Laura Ludwig und Kira Walkenhorst, das war in den vergangenen sechs Jahren das Traumpaar des deutschen Beachvolleyballs. Nach dem Gewinn der olympischen Goldmedaille beim Turnier an der Copacabana in Rio de Janeiro wurden sie hofiert und genossen die Auftritte im Rampenlicht. Sie wurden ausgezeichnet als Beachvolleyballer des Jahres, als Mannschaft des Jahres: Zwei Frauen aus einer sonst nur am Rande wahrgenommenen Sportart waren für einige Monate fast so häufig auf dem roten Teppich wie im Sand zu sehen.

Knapp zwei Jahre später ist dieses grandiose Duo, das den Rest der Welt nach Belieben dominierte, nun Geschichte. Aus und vorbei. Kira Walkenhorst kann nicht mehr. Sie muss ihrer schier unendlichen Krankengeschichte Tribut zollen. Verletzungen und Rückschläge kennzeichnen ihren Karriereweg, trotz eines Kreuzbandrisses, trotz Pfeifferschen Drüsenfiebers und eines Meniskusschadens hatte sie sich immer wieder zurückgekämpft.

Doch diesmal funktionierte es trotz einer mehr als ein Jahr dauernden Zwangspause nicht mehr. Anfang Dezember teilte Kira Walkenhorst schon via Facebook mit, dass es mit dem für Anfang 2019 avisierten Comeback nichts wird: "Ich konnte in den letzten Wochen nie länger als 30 Minuten trainieren. Entweder ist mir unter Belastung die Rippe rausgesprungen oder die Hüfte und die Schulter haben dicht gemacht. Trotz aller Behandlungen hat sich der Zustand nicht verbessert, was für alle Ärzte und Physios ein echtes Rätsel ist."

Liegt ein Fluch auf den deutschen Beach-Olympiasiegern?

Fast könnte man nun meinen, bei Deutschlands Beachvolleyballern sei der Gewinn der olympischen Goldmedaille mit einer Art Fluch behaftet. Denn nach dem Triumph von London 2012 hatten auch Jonas Reckermann und Julius Brink ihre Karriere wegen hartnäckiger Verletzungen aufgeben müssen. Nun folgt ihnen Kira Walkenhorst, deren Krankenakte mittlerweile dick wie ein Telefonbuch ist. "Irgendwann", sagt Niclas Hildebrand, der sich beim DVV als Sportdirektor um die Sandsparte kümmert, "nagt eine solch ewige Geschichte an der Moral." Trainer Jürgen Wagner ergänzt, dass man "den Cut" machen müsse, "wenn keine signifikante Besserung eintritt".

Tatsächlich wurde der Zustand für alle Beteiligten zuletzt zu einer Belastungsprobe: Kira Walkenhorst litt, weil sie nicht fit wurde; daneben wartete Partnerin Laura Ludwig, die nach ihrer Babypause vor Tatendrang sprühte. Bereits im November gab es Überlegungen, sich in neuer Konstellation aufzustellen. Nun wird der Plan umgesetzt: Laura Ludwig, 32, wird in Zukunft an der Seite von Margareta Kozuch zu sehen sein, mit der sie bereits in Hamburg zusammen durch den Sand hechtete und ein Trainingslager auf Teneriffa absolvierte.

Trainiert wird das neue Tandem von Jürgen Wagner, der bereits Brink/Reckermann 2012 in London betreute und vier Jahre später in Rio mit Ludwig/Walkenhorst erneut ein deutsches Beachvolleyballteam zum höchsten Triumph führte.

Wie nicht anders zu erwarten war, wird der Rücktritt von Kira Walkenhorst in der deutschen Szene einen Domino-Effekt auslösen: Kozuchs bisherige Partnerin, Karla Borger, wird dem Vernehmen nach mit der zweimaligen deutschen Meisterin Julia Sude ein neues Duo formen; deren Partnerin Chantal Laboureur muss sich dann ebenfalls nach einer neuen Mitspielerin umschauen. Vieles ist in Bewegung, und Sportdirektor Hildebrand hofft, "dass die Dinge möglichst schnell geregelt sind, damit wir uns wieder auf das Wesentliche konzentrieren können: den Sport".

Das alles muss Kira Walkenhorst nicht mehr interessieren, die sich nun ohne Termindruck um ihre Gesundheit kümmern kann. Und um ihre Familie, nachdem ihre Ehefrau Maria im Oktober die Drillinge Emma, Pepe und Mo zur Welt gebracht hat. Die Entscheidung, dem Leben an den Stränden dieser Welt Lebewohl zu sagen, bezeichnet Kira Walkenhorst als "die mit Abstand härteste meiner Karriere. Zum Glück habe ich privat gerade den besten Support, den man sich nur wünschen kann. Maria und unsere drei Kleinen geben mir unglaublich viel Halt".

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