Wales:100-Millionen-Debütant

Einer der teuersten Spieler des Planeten hat sein Land erstmals zu einer EM geführt. Es ist die erste Teilnahme an einer großen Endrunde für Wales seit fast 60 Jahren. Auf das Duell mit einem Nachbarn freut sich die Nation besonders.

Als der große Traum EM-Qualifikation für das kleine Wales Wirklichkeit geworden war, jubelte Gareth Bale: "Das war die schönste Niederlage meiner Karriere." Gerade hatte der bei Real Madrid angestellte Mittelfeldspieler, er 2013 für etwa 100 Millionen Euro aus England kam, 2:0 gegen Bosnien-Herzegowina verloren.

Denn dank der Hilfe Zyperns, das in Jerusalem überraschend 2:1 gegen Israel gewann, durften die Briten dennoch zur EM nach Frankreich. Es ist der größte internationale Erfolg für Wales seit der Qualifikation für die WM-Endrunde 1958 in Schweden.

Mehr als ein halbes Jahrhundert lang war Wales regelmäßig gescheitert, im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stand daher die Rugby-Nationalmannschaft, die 1987 mit WM-Bronze gewann. Nun wird man sich im Juni ganz den Fußballern widmen - mindestens zwei Wochen lang - vor allem da das Team auch auf Nachbar England trifft.

Neben Bale und Mittelfeldspieler Aaron Ramsey vom FC Arsenal war besonders Teammanager Chris Coleman für die erfolgreiche Qualifikation verantwortlich. Der frühere Nationalverteidiger lehnt Lob jedoch konsequent ab: "Ganze Spielergenerationen sind zuvor gescheitert, aber diese Gruppe hat den letzten Schritt gemeistert", sagte der 45-Jährige.

Trainer Coleman gedenkt totem Vorgänger: "Gary wird sich freuen und lächeln"

Dabei hatte es Coleman nicht leicht und dachte vor vier Jahren schon nach dem ersten Pflichtspiel seiner neuen Truppe an einen schnellen Rücktritt. Denn die Kritiken aus der Heimat nach einer 1:6-Niederlage in der WM-Qualifikation in Belgrad gegen Serbien waren vernichtend.

Doch der Zusammenhalt in der Mannschaft blieb groß, wie auch Arsenal-Profi Ramsey bestätigt: "Andere mögen bessere Einzelspieler haben, aber unsere tolle Gemeinschaft gibt dann den Ausschlag. Wir werden auch in Frankreich nur schwer zu schlagen sein."

Während der Endrunde wird Coleman auch immer wieder an seinen Vorgänger Gary Speed denken. Der damals 42-Jährige hatte im November 2011 Selbstmord begangen und Frau sowie zwei Söhne hinterlassen: "Ich wollte die Arbeit in Garys Sinne fortführen, aber das gelang mir nicht. Ich musste meinen eigenen Weg gehen."

Und er ist ihn nun bis zur EM-Endrunde nach Frankreich gegangen, so wie es sich auch Speed gewünscht hätte. Coleman glaubt an dessen Beistand, wenn es nun mindestens dreimal gegen die besten Mannschaften Europas geht: "Dann wird sich Gary freuen und lächeln."

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