Weltfußballer:Promi-Faktor schlägt innovative Botschaft

FIFA Ballon d'Or Gala 2014

Schattenmann: Manuel Neuer muss sich bei der Wahl zum Weltfußballer mit Rang drei begnügen

(Foto: dpa)

Manuel Neuer kommt bei der Wahl zum Weltfußballer nur auf 15 Prozent Stimmenanteil. Wer sich die Stellenbeschreibung dieses Titels anschaut, muss zu dem Schluss kommen: Cristiano Ronaldo ist der falsche Sieger.

Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

Der Mann auf dem Rasen ist nicht zu trennen vom Mann nebendran. Und trotzdem scheint Manuel Neuer, der Riese mit dem Lausbubengesicht, neben dem Rasen ein anderer zu sein. Kompromisslos hat er bei der WM gegen den Ball gegrätscht, hat im Achtelfinale gegen Algerien einen neuen Torwarttyp - Manu, den Libero! - präsentiert und im Finale nichts und niemanden geschont. Schon gar nicht den Argentinier Higuain, dem er im Luftduell mit dem Oberschenkel einen nicht geahndeten Knockout verpasste.

Diese Szene ist eine der wildesten des Finales, eine, die zeigt, dass Neuer auf dem Fußballplatz den Säbel bevorzugt. Nebendran kann er es auch mit dem Florett. Zielgerichtet nutzt er dort seinen Ruhrgebiets-Charme und sagt solche Sätze: "Ich bin kein Typ, der in Unterhosen posiert."

Der Satz ist aus dem November, doch er war schon damals als Wahl-Prognose zu verstehen, zumal Neuer im Nachsatz die Interpretationshilfe lieferte: "Ich bin Sportler, nicht Markenbotschafter."

Nun ist es amtlich, der Sportler hat verloren. Gegen Ronaldo, gegen Messi, die globalen Botschafter ihrer selbst. Die die Welt in kurzen Hosen kennt, aber eben auch - mehr Ronaldo, weniger Messi - im Smoking auf dem roten Teppich. Dies ist, im Sinne der Ausschreibung, die falsche Wahl. Denn gesucht wurde der Weltfußballer 2014, also derjenige, der auf dem Rasen die größten Impulse lieferte. Und nicht auf dem Laufsteg.

Argumente ließen sich jüngst einige finden für Ronaldos Kür zum "Best Player in Europe 2014", falls man diese als Lohn für kontinentale Verdienste versteht. Ronaldo hat in Spaniens Liga Torrekorde pulverisiert. Er hat im Champions-League-Halbfinale gegen den von seiner Defensive im Stich gelassenen Bayern-Torwart Neuer 4:0 gewonnen. Und er hat mit Real Madrid im Finale triumphiert, auch wenn er auf den Spielverlauf kaum Einfluss nahm - er fiel mehr durch eine imposante Bauchmuskel-Präsentation auf. Seine Markenbotschaft.

Bei der WM war von Ronaldo nichts zu sehen

Bei der WM in Brasilien aber, dem wichtigsten Turnier seit Jahren, der Fußball-Messe überhaupt, war die Luft raus aus der Pose. 0:4 mit Portugal gegen Deutschland, Vorrunden-Aus, keine bleibende Szene - man sah, dass auch Ronaldo nicht funktioniert, wenn das Team nicht auf sein Spiel gedrillt ist. Stattdessen triumphierte ein Gegenentwurf: Einer, der bewies, dass der letzte Mann, der Torwart, zugleich der erste Teamsportler sein kann.

Die Wähler aber haben die Pose belohnt, den Promi-Faktor, nicht die innovative Botschaft. Sie haben Ronaldo/Messi gewählt, also das, was sie seit nun schon sieben Jahren wählen. Zum Weltfußballer wurde einer, der bei der Weltmeisterschaft nicht präsent war. Und damit erneut ein Feldspieler - noch nie wurde einem Torwart diese Ehre zuteil. Bei gerade 15,72 Prozent Stimmenanteil für Neuer stellt sich zudem die Frage nach der Kompetenz der Jury.

Max Merkel fällt einem ein. Zitat des legendären Wiener Trainers: "Linksaußen und Torhüter haben eine Macke." Längst ist der Linksaußen rehabilitiert; Ronaldo, der sein Spiel über die linke Seite definiert, hat sportlich sehr viel dazu beigetragen. Auch der moderne Torwart ist nicht mehr so bekloppt wie einst, im Gegenteil. Aber vollwertig akzeptiert und zum Spiel gehörig darf er sich nicht fühlen, wie diese Wahl bestätigt hat.

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