Wahl des Fifa-Präsidenten:"Blatter wird nicht alleine kandidieren"

Wahl des Fifa-Präsidenten: Ein Moment und seine Folgen: Sepp Blatter präsentiert Katar als Ausrichter der WM 2022 - ob es dabei bleibt?

Ein Moment und seine Folgen: Sepp Blatter präsentiert Katar als Ausrichter der WM 2022 - ob es dabei bleibt?

(Foto: Walter Bieri/dpa)

Die Enthüllungen um die Vergabe der WM 2022 nach Katar bewegen den Welt-Fußballverband. Sepp Blatter gerät immer mehr unter Druck, jetzt plant offenbar auch die Uefa eine geschlossene Strategie, um eine weitere Amtszeit des Schweizers als Fifa-Boss zu verhindern.

Von Thomas Kistner, Rio de Janeiro

Es brodelt vor dem Startschuss in Brasilien. Nicht nur in den Straßen der WM-Städte, wo sich Komitees und Bürgergruppen für Proteste wappnen, sondern im Maschinenraum der größten Werbemesse des Globus: im Fußball-Weltverband, der Fifa. Dort mehren sich die Anzeichen, dass Sepp Blatter die Kontrolle verlieren könnte.

Jüngste Vorwürfe zu Millionenzahlungen aus Katar im Zuge der WM-Bewerbung 2022, orchestriert angeblich von Blatters einst stärkstem Förderer Mohammed Bin Hammam, fallen auf den 78-jährigen Fifa-Boss zurück. Reaktionen aus der Politik zeigen, dass die naive Weltsicht im Schwinden ist, dass just der Mann, der seit 33 Jahren die Führungsmacht in der Fifa ausübt, nie etwas mitgekriegt haben kann von einer endemischen Korruptionskultur im engen Umfeld.

In England wird Blatters Rücktritt gefordert, in Deutschland nennt Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckart den Weltverband einen "Saustall" und fordert Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, bei ihrem Besuch in Brasilien für eine Neuvergabe der WM 2022 einzutreten.

Konkurrent Platini reagiert erbost auf britische Berichte

Doch braucht es politischen Flankenschutz womöglich nicht mehr. Beim Fifa-Kongress am 11. Juni in Sao Paulo, am Tag vor dem Eröffnungsspiel, soll es zum sportpolitischen Showdown kommen. Fakt sei, teilte ein Sprecher der Uefa auf SZ-Anfrage mit, dass Europas Fußball-Union bei ihrem Treffen am 10. Juni "eine gemeinsame Position erarbeiten will, wie sie sich gegen Blatters Wiederwahl stellt".

Uefa-Präsident Michel Platini hatte vor Monaten angekündigt, dass er erst nach der WM entscheidet, ob er gegen Blatter kandidiert beim Kongress im Mai 2015. Blatter, der nach der letzten Wiederwahl 2011 das Übliche versprach - dies werde seine letzte Amtszeit sein! -, verkündet schon wieder seit Monaten, dass jenes Mysterium, das er seine "Mission" an der Weltfußballspitze nennt, noch immer nicht beendet sei.

Bei der Uefa heißt es, Platini werde "Blatter auf keinen Fall unterstützen". Vielmehr sei es jetzt so, "dass Michel Platini mit den europäischen Verbänden die beste Reaktion auf Blatters Wiederwahl diskutieren" wolle. Nach dem ersten Schritt in Sao Paulo will die Uefa einen Kandidaten finden, der gegen Blatter antreten soll, falls es Platini nicht selber macht. Der will sich spätestens Anfang September entscheiden.

"Tritt Platini nicht an, wird es auf jeden Fall ein anderer tun", betont der Sprecher: "Blatter wird nicht alleine kandidieren." Wobei es der Uefa in erster Linie nicht darum gehe, die Fifa-Präsidentenwahl zu gewinnen, sondern um das klare Zeichen des Protestes gegen Blatter. Was mögliche Kandidaten anginge, sei alles offen, sagt der Sprecher, auch bezogen auf Spekulationen um DFB-Präsident Wolfgang Niersbach, der solche Gerüchte rasch dementiert hat. "Es gibt bisher nur Anfangsgespräche, es ist noch niemand angefragt worden", heißt es am Uefa-Sitz in Nyon/Schweiz.

Kampf an mehreren Fronten

Und: Es wäre sogar ein Kandidat von außerhalb Europas denkbar. Zudem ziele der Uefa-Widerstand nicht nur auf Blatter, sondern auch auf den möglichen dritten Kandidaten Jerome Champagne. Der Franzose, der gut ein Jahrzehnt lang Blatters außenpolitischer Fifa-Berater war, hat seinen Hut bereits in den Ring geworfen. Ihm könnten aber noch Glaubwürdigkeitsprobleme aus seiner bisher loyalen Haltung zu Blatter erwachsen.

Fifa-intern tobt damit ein Kampf an mehreren Fronten. Die Ermittlungen der Fifa-Ethikkommission um die WM-Vergaben 2018 (an Russland) und 2022 (an Katar), von Blatter in Gang gesetzt, zielen erkennbar auch auf Platinis Rolle bei der Katar-Kür. Der Franzose ist der einzige der seinerzeit 14 Fifa-Wahlmänner pro Katar, der sich zu seinem Votum bekannt hat.

Er tat das, nachdem publik geworden war, dass sein Sohn als Manager bei einer Sportfirma Katars angeheuert hatte. Nicolas Sarkozy hatte Platini kurz vor der Kür mit dem Emir von Katar zusammengeführt; für dessen Bewerbung hegte auch Frankreichs damaliger Staatschef große Sympathie.

Wütend reagierte Platini auf britische Berichte, dass ihn der umtriebige Bin Hammam bei einem Meeting wegen seines WM-Votums bezirzt habe. Er habe den Katarer häufiger getroffen im Wahljahr 2010, teilt Platini brieflich mit, weil er mit ihm bekanntlich im Fifa-Vorstand saß, jedoch habe ihn Bin Hammam nur "zu überzeugen versucht, dass ich für die Fifa-Präsidentschaftswahl 2011 kandidieren soll".

Das hat Bin Hammam selbst im März 2011 bestätigt: Er habe erst Platini zur Kandidatur zu überreden versucht, "leider vergeblich" - am Ende habe er selber antreten müssen.

Was aber die Einbindung enger Anverwandter betrifft: Fifa-Generalsekretär Jerome Valcke, Chefaufseher über die WM, der Brasiliens Organisatoren im Vorjahr schon mal einen "Tritt in den Hintern" empfahl, nachdem er selbst 2007 für viel Geld das WM-Dossier der brasilianischen Bewerber betreut hatte, darf sich über eine kompetente Verstärkung im Aufgebot der Fifa-Fachkräfte freuen. Sein Sohn Sebastian fungiert als Vize-Koordinationschef bei den WM-Partien am wichtigsten Spielort, dem Maracana-Stadion. Bei der Fifa bleibt also alles in der Familie. Gerne bis zum Endspiel.

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