Vuelta-Sieger Roglic:"Das sind keine normalen Schritte, das sind riesige Schritte"

Vuelta-Sieger Roglic: Primoz Roglic nach der letzten Vuelta-Etappe in Madrid

Primoz Roglic nach der letzten Vuelta-Etappe in Madrid

(Foto: AP)
  • Primoz Roglic gewinnt als ehemaliger Skispringer die Vuelta.
  • Im Radsport hat sich der Slowene erstaunlich rasch zurechtgefunden - manchem Beobachter ging der Aufstieg arg schnell.

Von Johannes Aumüller

Ganz am Ende musste Primoz Roglic seinen Kontrahenten Alejandro Valverde doch noch ziehen lassen, aber da machte es nichts mehr. Nur noch ein paar Hundert Meter waren auf der letzten schweren Bergetappe der Spanien-Rundfahrt zu bewältigen, zur Plataforma de Gredos ging es hinauf, und im Ziel betrug sein Rückstand auf den enteilten Rivalen lediglich neun Sekunden. Neun Sekunden, das war natürlich viel zu wenig, um im Gesamtklassement noch einmal eine Veränderung zu bewirken - und so fuhr Primoz Roglic aus der niederländischen Jumbo-Mannschaft entsprechend freudig gestimmt über die Ziellinie.

Noch nie hatte ein slowenischer Radsportler eine der drei großen Landesrundfahrten gewonnen. Nun aber durfte Roglic, 29 Jahre alt und aus Trbovlje, am Sonntag im Roten Trikot des Gesamtführenden und mit beruhigendem Vorsprung die Schlussetappe der 74. Vuelta absolvieren, auf der traditionell nicht mehr angegriffen wurde (den letzten Tagessieg holte der Niederländer Fabio Jakobsen). Somit erreichte eine ungewöhnliche Karriere ihren vorläufigen Höhepunkt: die Wandlung eines großen Skisprung-Talents zu einem der besten Rundfahrer des Rad-Pelotons.

Die meiste Zeit seines Lebens war Roglic auf der Schanze aktiv gewesen. Bei der Junioren-WM 2007 gewann er mit der Mannschaft sogar die Goldmedaille, und bei den Erwachsenen schaffte er noch ein paar gute Platzierungen im Continental Cup, der zweiten Liga des Sports. Dazwischen hatte er einen schlimmen Sturz zu verarbeiten, aber Roglic sagte später, dass sein Disziplinen-Wechsel damit nichts zu tun gehabt habe. Stürze gehörten im Skispringen nun mal dazu. Roglic aber verlor den Anschluss an die Spitze, und 2011 beendete er seine erste sportliche Karriere. "Ich wollte der beste Skispringer der Welt werden, der Traum hat sich nicht erfüllt. Deshalb habe ich umgedacht und etwas anderes gemacht", sagte er einmal.

Es kursieren ein paar schöne Anekdoten, wie das war, als Roglic anfing, etwas anderes zu machen. Einen Duathlon etwa bestritt er, einen Wettkampf aus Laufen und Radfahren, und für den Rad-Teil habe er sich einfach das Velo des Nachbarn geliehen, das aber blöderweise kein Renn-, sondern nur ein normales Straßenrad gewesen sei. Kurz danach legte er sich doch ein richtiges Rennrad zu, kam erst bei einem kleinen slowenischen Team und 2016 bei der Jumbo-Equipe unter. Beeindruckende leistungsdiagnostische Werte habe der Ex-Skispringer gehabt. Und Roglic, 65 Kilo schwer und 1,77 Meter groß, ist der Meinung, dass ihm im neuen Sport auch die erste sportliche Karriere half: Es sei physisch etwas total anderes, sagte er nach seinem Eintritt ins große Peloton. Aber manche der Übungen, die er im Skisprung-Training gelernt habe, helfen ihm heute noch, zum Beispiel Koordination.

Manchem Beobachter geht der Aufstieg des Primoz Roglic arg schnell

In jedem Fall fand Roglic sich im neuen Umfeld erstaunlich mühelos zurecht, auch bei den Dingen des Radsports, die mit dem Skispringen eher wenig zu tun haben. Schnell gewann er ein paar kleinere Rundfahrten, im Vorjahr bei der Tour de France kam er auf Platz vier, und im Frühjahr verspielte er den Gesamtsieg beim Giro d'Italia erst an den letzten Tagen. Nun bei der Vuelta präsentierte er sich im Zeitfahren und auf den Bergetappen durchgehend stark, aber ein paar Probleme hatte er doch zu meistern - wenngleich in eher ungewöhnlichen Momenten.

Gleich zu Beginn der Drei-Wochen-Rundfahrt etwa stürzte er mit seiner Jumbo-Equipe im Mannschaftszeitfahren kollektiv. Später passte er auf einer windanfälligen Etappe nicht auf und verlor auf einige Klassementfahrer gleich fünf Minuten. Und am Freitag wäre es beinahe noch mal knifflig geworden. Denn als Roglic in einer Abfahrt stürzte, attackierte vorne das Team Movistar um Alejandro Valverde und Nairo Quintana in einem windanfälligen Terrain. Bis zu einer Minute betrug der Vorsprung, ehe Movistar die Aktion beendete. "Nicht sportlich" sei das gewesen, schimpfte Jumbos Sportlicher Leiter Grischa Niermann. Movistar hingegen sagte, es habe die Attacke im Wind lange und unabhängig vom Sturz vorbereitet.

Manchem Beobachter ging das alles arg schnell mit dem Aufstieg des Primoz Roglic, und im Frühjahr kam sogar von ungewöhnlicher Stelle eine Bemerkung. "Das sind keine normalen Schritte, das sind riesige Schritte", sagte Stef Clement, bis zum Vorjahr Roglic' Teamkollege und danach im Betreuerstab tätig: "Ich denke schon, dass wenn dieser Junge bei Emirates, Katjuscha oder Astana (alle teils sehr schlecht beleumundete Rad-Mannschaften; d. Red.) fahren würde, dass wir hier in den Niederlanden andere Gedanken hätten."

Zudem gibt es noch eine andere Episode, die Primoz Roglic ständig verfolgt - und auch andere erfolgreiche slowenische Radfahrer wie den Vuelta-Dritten Tadej Pogacar, der gerade erst 20 Jahre alt ist und mit einer langen Alleinfahrt auf der letzten Bergetappe noch aufs Podium fuhr. Denn im Mai gab der Rad-Weltverband UCI bekannt, dass er und seine Anti-Doping-Institution schon seit geraumer Zeit sorgfältig die Aktivitäten verschiedener Individuen im slowenischen Radsport prüfen würden. Aber gegen Roglic ergab sich, ebenso wie gegen Pogacar, bisher kein konkreter Hinweis.

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