Vorwürfe gegen BLSVSchweigen am Matterhorn

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Ist derzeit intern umstritten: Jörg Ammon (rechts), Präsident des Bayerischen Landessportverbandes.
Ist derzeit intern umstritten: Jörg Ammon (rechts), Präsident des Bayerischen Landessportverbandes. (Foto: Claus Schunk)

Der bayerische Sportverband BLSV hat für seine digitale Zukunft rund neun Millionen Euro ausgegeben. Doch sind dabei auch Gelder in falsche Kanäle geflossen? Das Präsidium verweigert bislang eine Untersuchung.

Von Christoph Leischwitz

Alle zwei bis drei Wochen trifft sich das Präsidium des Bayerischen Landes-Sportverbands (BLSV) im Raum 627 im Haus des Sports am Münchner Georg-Brauchle-Ring, doch schon seit über einem Jahr sind es vergiftete Treffen, geprägt von Misstrauen. Drei Präsidiumsmitglieder haben sich den Unmut des Präsidenten zugezogen, weil sie mehr Dokumente einsehen wollten, als sie durften. Daraufhin haben sie Ende 2021 Strafanzeige bei der Münchner Staatsanwaltschaft eingereicht.

Der Betriebsrat soll von hohen Ausgaben abgeraten haben

Jörg Ammon, seit 2018 Präsident des BLSV, ist gut vernetzt, unter anderem ist er Mitglied des Verwaltungsrats im Bayerischen Rundfunk. Der BR war es auch, der im vergangenen August als Erster meldete, dass das Verfahren gegen Ammon eingestellt ist. Auf Nachfrage hieß es zur Begründung, dass "die durchgeführten Ermittlungen auch in einer Gesamtbetrachtung keine Anhaltspunkte für strafrechtlich relevantes Verhalten des Beschuldigten" ergeben hätten.

Hausintern - und das betrifft bei Weitem nicht nur die drei Präsidiumsmitglieder - sind die Zweifel an einer verhältnismäßigen Finanzierung aber deswegen noch lange nicht ausgeräumt. Unter anderem zu Lockdown-Zeiten. Nach SZ-Informationen soll der Betriebsrat davor gewarnt haben, in solch unsicheren Zeiten die Ausgabenseite unnötig zu strapazieren. Das Budget des BLSV setzt sich zusammen aus staatlichen Mitteln und Mitgliedsbeiträgen der 56 Verbände, deren Dachverband der BLSV ist. In den vergangenen Jahren plante der Verband stets mit einem Budget von knapp 40 Millionen Euro.

Schwerpunkt der Kritik ist aber die Finanzierung eines Großprojekts, das unter dem Namen "Matterhorn" bekannt ist. 2013 wurde es beim BLSV auf den Weg gebracht. "Der Verband war Ende 2013 überhaupt nicht digital", sagte Ammon in einem Gespräch mit der SZ im vergangenen Oktober. Deshalb habe man die Notwendigkeit gesehen, ein Projekt, ähnlich mühsam wie der Aufstieg auf den Berg in Zermatt, anzupacken. Die Kosten dafür sind enorm: Laut einer internen Aufstellung, die der SZ vorliegt, wurden zwischen 2014 und 2018 für die Digitalisierung insgesamt rund neun Millionen Euro ausgegeben.

Ammon erklärt, dass im Haus des Sports zum Beispiel neue Glasfaserkabel eingezogen werden mussten, oder auch, dass viele neue Laptops gebraucht wurden. Und ja, es habe erst einmal auch das Know-how ins Haus geholt werden müssen. Insgesamt wurde nach SZ-Informationen fast die Hälfte dieses Betrags für Fremdleistungen, rund 4,3 Millionen Euro, für Beratungskosten an eine einzige Firma gezahlt. Der Spiegel berichtete vor einem Jahr über die zweifelhafte Vergabe des Auftrags an jene SMB GmbH.

Die Stimmung im Präsidium ist frostig: "Das Siezen hat zugenommen."

Ein relativ einfaches Mittel zur Befriedung des Präsidiumsstreits wäre eine Offenlegung, worum es bei den Beratungen eigentlich genau ging. Doch dem BLSV scheint auch auf Nachfrage nicht daran gelegen zu sein, die Vorwürfe auszuräumen, im Gegenteil. "Unsere Zusammenarbeit im Präsidium ist mittlerweile sehr frostig", erklärt Vizepräsident Klaus Drauschke, einer der drei Kritiker. "Das Siezen hat zugenommen. Die Situation erschwert die Zusammenarbeit beträchtlich, und man hat das Gefühl, dass man bei manchen Sachverhalten nicht mehr so sehr eingebunden wird."

Jetzt begründet die Spitze des Dachverbands die Entscheidung, weiterhin nichts Näheres zu dieser Angelegenheit zu sagen, mit der Entscheidung der Staatsanwaltschaft. Und damit, dass der hauseigene Wirtschaftsrat keinerlei Beanstandungen zur Finanzierung hatte, was der Aufsichtsrats-Vorsitzende Werner Lechner im Gespräch auch noch einmal bestätigte. Lechner gilt im Haus des Sports als enger Vertrauter Ammons. Nicht nur die drei Präsidiumsmitglieder Klaus Drauschke, Alfons Hölzl und Harald Stempfer haben versucht, Näheres zu erfahren. Auch der Sportbeirat, die Vertretung der Einzelsportverbände, biss sich dabei die Zähne aus. Sein klares Plädoyer für eine Offenlegung wurde vom Präsidium abgeschmettert, natürlich mit drei Gegenstimmen.

Tatsächlich wurde der Staatsanwaltschaft im Rahmen der Strafanzeige Anfang November 2021 ein ausführlicher Bericht vorgelegt, der eine genauere Prüfung des Zuschlags von Beratertätigkeiten an die SMB GmbH nahelegen sollte. So wurde zum Beispiel die GmbH am 6. Dezember 2013 ins Handelsregister eingetragen, wenige Wochen später erhielt die Firma ohne jegliches Renommee den Zuschlag. In den Folgejahren wurden mehrere, aufeinander folgende Verträge geschlossen, einige liegen der SZ vor. Stets ist Jörg Ammon, zu Beginn der Kooperation noch Vizepräsident, unter "Ansprechpartner Kunde" angegeben. In einem Fall wird vorgerechnet, dass 55 Beratertage den BLSV 82 500 Euro kosten werden. Der BLSV erklärt, dass Jörg Ammon als Projektleiter ernannt wurde und in rund 40 Präsidiumssitzungen Bericht erstattet habe. Viele Personen seien beraten worden, Namen werden allerdings nicht genannt.

Der BLSV war der mit Abstand größte, womöglich sogar der einzige Auftraggeber der SMB GmbH, bis diese am 4. Januar 2021 wieder aus dem Register gelöscht wurde. Der ehemalige Geschäftsführer erklärt auf Nachfrage, dass der BLSV nicht sein einziger Kunde gewesen sei, über die Umfänge anderer Aufträge dürfe man aber keine Auskunft geben.

Fest steht auch, dass der Geschäftsführer der SMB GmbH und Jörg Ammon Mitte der 1990er Jahre an derselben Hochschule in Nürnberg eingeschrieben waren. Der Steuerberater Ammon war zudem in beratender Tätigkeit für den IT-Dienstleister Datev tätig, bei dem der damalige SMB-Geschäftsführer heute in leitender Funktion tätig ist. Auf Nachfrage erklärt Ammon, dass er ihn allerdings erst lange nach seinen eigenen ersten Tätigkeiten für Datev in den Neunzigerjahren kennengelernt habe.

Beim BLSV werde "ein System von getreuen Leuten aufgebaut", sagt ein Insider

Der sichtbare Teil der BLSV-Digitalisierung ist kein allzu großer Wurf - sagen viele von jenen, für die es gedacht ist, Vertreter von Sportvereinen nämlich. Die Homepage des BLSV hat einen Relaunch erfahren, es wurde eine Tochterfirma namens Tuesday Sport gegründet. Seit Mitte Oktober kann ein Sportvereins-Funktionär auf einer Plattform namens "verein360" seinen gesamten Sportverein verwalten. Auch können problemlos Sportunfälle an den Kooperationspartner Arag gemeldet werden. Bei Anrufen in Vereinen sagen alle Vertreter: nicht praktikabel, für uns uninteressant.

Offenbar wird das Angebot nicht gut genutzt. Der BLSV erklärt, er sei "mit seinem digitalen Angebot und seinen umfangreichen digitalen Unterstützungsleistungen sehr zufrieden, zumal bereits mehr als 400 Sportvereine in Bayern auf die Anfang Oktober 2022 um Abteilungsfunktionen erweiterte Version Verein360 manager umgestellt haben". 400 von rund 11 700 also.

Auch in anderen Bereichen stellt sich die Frage, wie sorgsam der BLSV haushaltet. Im Haus ist die Rede von zahlreichen Entlassungen hauptamtlicher Mitarbeiter, mit zum Teil sehr hohen Abfindungen. Darüber hinaus sollen die Geschäftsführer ein durchaus üppiges Gehalt einstreichen. Es wird zudem kritisiert, dass beim BLSV gleich drei Geschäftsführer angestellt sind. Alle Fragen nach hohen Personalausgaben werden vom BLSV unisono beantwortet: "Aus datenschutzrechtlichen Gründen und aus Gründen der Arbeitgeberfürsorge wird sich zu Personalangelegenheiten und Personalentscheidungen nicht geäußert." Dieselbe Antwort erfolgt auf eine Frage nach einem ehemaligen Geschäftsführer des BLSV, der Ende 2014 unter geheim gehaltenen Umständen gehen musste. Zudem auf die Frage nach einem ehemaligen Geschäftsführer der Tuesday Sport GmbH, mit diesem Namen 2020 ins Leben gerufen, eine 100-prozentige Tochtergesellschaft des BLSV. Jener Geschäftsführer soll zuvor im Zuge des Projekts Matterhorn als Berater aufgetreten sein. Dass darüber hinaus Tuesday Sport zu Beginn Kredite aufnehmen musste, findet der BLSV normal. Es handele sich um einen normalen wirtschaftlichen Vorgang, der Anschubfinanzierung benötige.

Ein jahrelanger Mitarbeiter im Haus des Sports, der aus Angst, den Job zu verlieren, nicht mit Namen genannt werden möchte, sagt, es werde beim BLSV "eine Seilschaft aufgebaut". Deshalb sei es wichtig, gewisse Amtszeiten zu begrenzen. In Sachen Kontrolle passiere so wenig, weil niemand Zeit habe, genau hinzusehen: "Die Leute sind ja froh, dass einer wie Ammon das macht", wer wolle heutzutage noch Sportfunktionär werden? Ammon kandidiert übrigens am kommenden Samstag für einen Platz im Präsidium des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB).

Der BLSV räumt ein, dass die Digitalisierung noch lange nicht abgeschlossen ist, weitere Investitionen würden anstehen. Das scheint nötig zu sein. Am 14. November erhielten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Email vom Hausservice, die der SZ vorliegt. Darin heißt es, dass es zu einem "vollständigen Ausfall" des Raumbuchungssystems gekommen sei, der "nach jetzigen Stand nicht mehr zu beheben ist" (sic!). Es wurde um Rückmeldung der gebuchten Termine gebeten.

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