Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (ai) kritisiert die Arbeitsbedingungen für Migranten bei den Vorbereitungen für die Fußballweltmeisterschaft 2022 im Öl-Emirat Katar heftig. Die Organisation dokumentiert in ihrem jüngsten Bericht zu den Arbeitsbedingungen in Katar "ein alarmierendes Ausmaß an Ausbeutung bis hin zu Zwangsarbeit". Die Rechte von Arbeitsmigranten würden in dem Golfstaat "systematisch" verletzt.
In der am Sonntag vorgestellten Untersuchung prangert die Organisation massive Verletzungen der Menschenrechte auf Baustellen des Ausrichterlandes der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 an. Kein Gehalt, keine Perspektive und katastrophale Wohn- und Arbeitsbedingungen - die Fakten, die Amnesty präsentiert, sind schockierend.
Sogar Todesfälle, beispielsweise durch Stürze aus großer Höhe, sind demnach alles andere als selten. Herablassendes Verhalten gegenüber Gastarbeitern sei "Routine", sagte Amnesty-Untersuchungsleiter James Lynch. Der Manager einer Baufirma habe die Arbeitsmigranten "die Tiere" genannt.
In Massenunterkünften ohne Strom seien die Migranten demnach oftmals gezwungen, nach einem kräftezehrenden Arbeitstag in brutaler Hitze ihr Abendessen im Dunkeln einzunehmen. Auch die Hygienebedingungen für die meist aus armen Ländern Süd- und Südostasiens stammenden Arbeiter sind offenbar zum Teil indiskutabel.
"Viele Arbeiter erhalten oft monatelang keinen Lohn und werden trotzdem zur Arbeit gezwungen, indem man ihnen mit einem kompletten Lohnausfall oder der Abschiebung droht", erklärte die Katar-Expertin von Amnesty International in Deutschland, Regina Spöttl, nach der Präsentation des 169 Seiten umfassenden Berichtes mit dem Titel "The Dark Side of Migration: Spotlight on Qatar's Construction Sector Ahead of the World Cup".
Problem Sponsorengesetz
Die Organisation forderte die Regierung in Katar ebenso wie den Fußball-Weltverband Fifa auf, "weitere Menschenrechtsverletzungen zu verhindern und zu zeigen, dass sie es mit den Menschenrechten ernst meinen". Zuvor hatten bereits andere Organisationen und Medien über Missstände auf WM-Baustellen berichtet.
Die Debatte war Ende September durch einen Bericht der britischen Tageszeitung Guardian ausgelöst worden. Demnach waren 44 nepalesische Gastarbeiter in nur zwei Monaten wegen Herzinfarkts oder Arbeitsunfällen in Katar gestorben. Auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) setzt sich in Kooperation mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund für bessere Arbeiterrechte in Katar ein.
Die Fifa hat die Verantwortung für die Zustände bislang stets zurückgewiesen. Dies sei Sache der Regierung und der Baufirmen. Die Weltverband verwies in einer ersten Reaktion auf den Amnesty-Bericht, dass die Gastgeber ihrer Wettbewerbe die Menschenrechte achten und die internationalen Normen und Werte anerkennen müssten.
Bei einem Treffen von Präsident Joseph Blatter mit Scheich Tamim bin Hamad bin Khalifa Al Thani am vergangenen 9. November habe das katarische Staatsoberhaupt zugesichert, diese Standards der Fifa zu erfüllen. Mittlerweile seien bereits Maßnahmen eingleitet worden. "Jetzt ist der Moment gekommen, um zu handeln", sagte auch James Lynch, Verantwortlicher der Amnesty-Studie.
Für die Untersuchung waren Mitglieder der Menschenrechtsorganisation im Oktober 2012 und im März 2013 zweimal in den Golfstaat gereist. Insgesamt sprachen die Menschenrechtler mit rund 210 Arbeitern. Betroffen seien nicht nur Stadion-Baustellen, sondern auch Hotels, Bahnstrecken und Straßen.
Ein großes Problem sei das sogenannte Sponsorengesetz, das ausländische Arbeiter dazu verpflichtet, die Genehmigung ihres Arbeitgebers einzuholen, wenn sie diesen wechseln oder Katar verlassen möchten. Viele Firmen würden diesen Passus als Druckmittel einsetzen.
Die WM in Katar ist seit der Vergabe durch den Weltverband Fifa im Dezember 2010 umstritten. Neben den Menschenrechtsverletzungen ist bei der Entscheidung zugunsten Katars immer wieder die Rede von möglicher Korruption. Zudem soll das Turnier wegen der großen Hitze vom Sommer in den Winter verlegt werden. Der neue Termin ist jedoch weiter unklar. DFB-Präsident Wolfgang Niersbach hatte die Katar-WM deshalb zuletzt als "Belastung für den ganzen Fußball" bezeichnet.