DFB-Elf vor dem letzten Gruppenspiel:Wie Deutschland noch rausfliegen könnte

Manch einer war nach dem Sieg gegen Holland verblüfft, dass die deutsche Nationalelf noch nicht fürs Viertelfinale der Europameisterschaft qualifiziert ist. Ein Ausscheiden ist durchaus möglich - es braucht nicht einmal verrückte Ergebnisse. Es wäre tatsächlich auch eine schmachvolle Absprache zwischen Deutschland und Dänemark möglich.

Jürgen Schmieder

An der Endrunde der Europameisterschaft 1968 in Italien nahmen gerade einmal vier Mannschaften teil - dennoch wurde die ungewöhnliche Anzahl von fünf Partien ausgetragen. Es gab damals noch kein Elfmeterschießen, also wurde das Finale zwischen Italien und Jugoslawien nach dem 1:1 im ersten Spiel einfach zwei Tage später wiederholt. Italien gewann 2:0.

Es war auch eine ungewöhnliche Geschichte, wie Italien dieses Endspiel überhaupt erreicht hatte. Im Halbfinale gegen die Sowjetunion stand es nämlich 0:0 nach Verlängerung, also warf Schiedsrichter Kurt Tschenscher eine Münze. Italien gewann.

Wenigstens gibt es heutzutage keinen Münzwurf mehr, mag mancher Fußballfan denken. Das stimmt jedoch ebenso wenig wie die Behauptung, dass die deutsche Nationalelf nach dem 2:1 gegen die Niederlande bereits für das Viertelfinale qualifiziert sei. "Das Los" ist nach wie vor die letzte Möglichkeit, eine Entscheidung herbeizuführen - und die Deutschen können immer noch scheitern. Dazu bedarf es noch nicht einmal eines verrückten Ergebnisses.

Ein kurzer Blick ins erst im März geänderte Regelbuch der Uefa besagt: "a) größere Punktzahl aus den direkten Begegnungen b) bessere Tordifferenz aus den direkten Begegnungen (bei mehr als zwei punktgleichen Mannschaften) c) größere Anzahl erzielter Tore aus den direkten Begegnungen (bei mehr als zwei punktgleichen Mannschaften) d) wenn zwei Mannschaften nach der Anwendung der Kriterien a) bis c) immer noch denselben Platz belegen, werden die Kriterien a) bis c) zur Bestimmung ihrer endgültigen Platzierung erneut angewendet, jedoch ausschließlich auf die Direktbegegnungen zwischen den beiden betreffenden Mannschaften.

Führt dieses Vorgehen keine Entscheidung herbei, werden die Kriterien e) bis i) in dieser Reihenfolge angewendet e) bessere Tordifferenz aus allen Gruppenspielen f) größere Anzahl erzielter Tore aus allen Gruppenspielen g) Platzierung in der UEFA-Koeffizientenrangliste für Nationalmannschaften h) Fairplay-Verhalten der betreffenden Mannschaften (Endrunde) i) Losentscheid."

Für die deutsche Elf bedeutet das: Bei einem Sieg oder einem Unentschieden gegen Dänemark ist sie als Gruppenerster für die nächste Runde qualifiziert, weil keine andere Mannschaft sieben Punkte erreichen kann. Ganz einfach also. Nur: Was würde bei einer Niederlage der Deutschen passieren?

Einfach würde es bleiben, wenn gleichzeitig Portugal nicht gegen Holland gewinnen würde. Dann nämlich würden die Dänen an der deutschen Elf vorbeiziehen, weil sie den direkten Vergleich gegen Deutschland gewonnen hätten (Punkt a der Rangfolge). Deutschland würde aber als Zweiter das Viertelfinale erreichen. Nur bei einer Niederlage Deutschlands gegen Dänemark und einem gleichzeitigen Sieg Portugals gegen Holland würde es kompliziert. Dann hätten Portugal, Dänemark und Deutschland sechs Punkte auf dem Konto.

Absprache möglich

Die Dänen würden auch dann erst einmal vor den Deutschen liegen, weil sie entweder die bessere Tordifferenz aus den direkten Vergleichen (bei einem Sieg mit mindestens zwei Toren, also Punkt b der Rangfolge) oder die größere Anzahl der erzielten Tore aus den direkten Vergleichen (bei einem Sieg mit einem Tor Unterschied, Punkt c) vorzuweisen hätten.

Verliert Deutschland mit zwei oder mehr Toren Unterschied, während Portugal (mit jedem Ergebnis) gegen Holland gewinnt, dann wäre die deutsche Elf ausgeschieden wegen der schlechteren Tordifferenz aus den direkten Vergleichen (Punkt c).

Unterliegt Deutschland mit einem Tor Unterschied und erzielt weniger als zwei Treffer (als 0:1 und 1:2), während Portugal gegen Holland siegt, dann ist die deutsche Elf ebenfalls ausgeschieden wegen der geringeren Anzahl der erzielten Tore aus den direkten Vergleichen (Punkt c).

Ganz einfach würde es ab einem 2:3 der deutschen Elf. Dann nämlich wären sowohl Dänemark als auch die deutsche Elf definitiv für das Viertelfinale qualifiziert - das Ergebnis der Portugiesen gegen Holland wäre irrelevant. Denn: Dänemark wäre mit 5:5 Toren aus den Direktvergleichen der drei Mannschaften weiter, Deutschland mit 3:3 ebenfalls. Portugal mit 3:3 wäre ausgeschieden - und zwar deshalb, weil Deutschland den direkten Vergleich mit Portugal mit 1:0 gewonnen hat.

An einen grotesken Angriffspakt vom Lemberg (in Anlehnung an den Nichtangriffspakt von Gijon, als die deutsche Elf bei der WM 1982 mit 1:0 gegen Österreich gewonnen hat und sowohl Deutschland als auch Österreich deshalb die nächste Runde erreicht haben) mag aber nun wirklich niemand denken.

Es stehen also zwei Dinge fest: Der deutschen Elf reicht bereits eine Ein-Tor-Niederlage mit zwei eigenen Treffern (also ein 2:3) fürs Viertelfinale - und das Los wird keinesfalls über den Einzug in die nächste Runde entscheiden.

Übrigens: Sollte Deutschland gegen Dänemark gewinnen und Holland gegen Portugal, dann beginnt die ganze Rechnerei zwischen Dänemark, Holland und Portugal. Das kann der deutschen Elf dann aber herzlich egal sein.

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