Vor dem Hahnenkamm-Wochenende:Liebliche Fahrt durch die Mausefalle

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Österreichs Ski-Held Hermann Maier nähert sich den Weltcup-Rennen von Kitzbühel in vollkommener Ruhe - allerdings auch mit Respekt vor Steilhang und Hausbergkante.

Wolfgang Gärner

Das sind die magischen Nächte von Kitzbühel, wenn die Hausberg-Kante grell ausgeleuchtet ist und die Streif als Lichtband bis ins Ortszentrum hinunter scheint. Irgendwann in der Nacht zum Mittwoch war das Leuchten vom Hausberg aber schwächer geworden und am Ende nur noch matter Schein, verschluckt vom Schneetreiben, das pünktlich einsetzte zum Auftakt der Hahnenkammwoche.

"Früher haben wir an solchen Tagen einen lustigen Schneemann für die Fotografen bauen müssen", beschrieb der österreichische Matador Hermann Maier im Oberndorfer Teamhotel Penzinghof das Standardprogramm für das Eintreten dieses Falles: Zweites Abfahrtstraining ausgefallen, bitte warten auf Wetterbesserung und Verhältnisse, wie sie bei der ersten Übungsfahrt am Dienstag geherrscht hatten.

Da ist das Geläuf extra schnell gewesen, und die Sprünge waren gewaltig: "Ich kann mich nicht erinnern, hier jemals so hoch und weit gesprungen zu sein", teilte der Kärntner Fritz Strobl als Trainingsschnellster mit und schätzte seine Flugweite an der Mausefalle auf 60 Meter. Erheblich war auch die Distanz, die er zum nächstplatzierten Teamkollegen Michael Walchhofer legte: zwei Sekunden.

"Fritz war so geschmeidig, so schnell", hat Daron Rahlves (USA), Gewinner von schon drei Abfahrten in diesem Winter, über den Rivalen regelrecht geschwärmt: "Wenn Fritz zwei Sekunden voraus ist - das weckt einen endgültig auf."

Hermann Maier, Abfahrtssieger 2001 auf der Streif (deutlich erfolgreicher in den Kitzbüheler Super-Gs, von denen er schon vier gewonnen hat), war auch ziemlich geschmeidig heruntergekommen ("eine liebliche Fahrt"), nur nicht übertrieben schnell als Sechster.

Respekt vor der Streif

Als genug Flachs und Schmäh abgesondert waren, hat er bekannt, dass die Streif auch in ihm ein besonderes Gefühl wecke: "Es ist eher Respekt als Angst." Die Kitzbüheler Abfahrt sei jenes Rennen, das er noch nie mit Vollgas von Start bis Ziel hinter sich gebracht habe, "zumindest nicht Steilhang und Hausberg. Hier ist speziell Österreichern schon im ersten Training viel passiert - besser, man tastet sich an die Strecke heran. Das Ganze voll zu fahren, das hebe ich mir für mein letztes Hahnenkammrennen auf".

Bis das stattfindet, ist es aber noch eine Weile hin, weil der 33-Jährige auf alle Fälle weiter fahren will, auch ein neuerlicher Olympiasieg in Sestriere könnte ihn kaum zum Rücktritt bewegen, "weil ich merke, dass noch gewisse Reserven in mir versteckt sind, die ausgepackt gehören".

Sicher verfügt er nicht mehr über die Physis, mit der er um die Jahrtausendwende die Konkurrenz düpierte: "Damals bin ich mit einer ganz anderen Dynamik Ski gefahren. Speziell meine ersten Super-Gs waren von der Körperspannung her nahe am Limit. Jetzt glänze ich eher durch die Schönheit des Skilaufs."

Spaß beiseite: "Man hat andere Dinge dazu gelernt." Die Läufe Maiers sind mehr durch Ökonomie geprägt als durch übertriebenen Wagemut: "Man geht nicht mehr so an die Grenzen - vielleicht kommt das ja wieder."

Es habe sich vor allem materialtechnisch viel geändert seit jenen wilden Jahren, sagt er, "jeder kann heutzutage eine Kurve fahren - das ist nicht das Problem". Skifahren sei einfacher geworden, hat er neulich ausgeführt, "aber das Gewinnen schwieriger".

In "vollkommener Ruhe"

Das sagt der Mann, der in Kitzbühel in dem Wettbewerb, mit dem am morgigen Freitag das Hahnenkamm-Wochenende begonnen werden soll, bei fünf Starts viermal Erster und einmal Zweiter war. Diese Bilanz im Super-G sei für ihn weder Belastung noch Motivation, sondern erzeuge lediglich ein ruhiges Gefühl, erklärt Hermann Maier: "Wenn es bis jetzt so gut gelaufen ist, warum soll es dann auf einmal schlechter laufen? Ich nähere mich diesem Rennen in vollkommener Ruhe."

Gleichzeitig nähert sich der Termin der Winterspiele von Sestriere, der zweiten für den Flachauer, der sich klar dazu bekennt, dass Olympia Priorität für ihn besitze. "1997/98 war das anders, damals habe ich gar nicht gewusst, dass es in jenem Winter Olympische Spiele gab. Ich bin gefahren und gefahren, und auf einmal waren sie da." Acht Jahre später sei es so: "Wir haben wegen Olympia viel mehr ausprobiert als üblich, und ich sehe die ganzen Weltcuprennen mehr als Training für die Winterspiele."

Kitzbühel weniger: Dafür ist dieser Anlass zu bedeutend, und zwar habe er nicht im Sinn, vor Olympia "das Letzte zu zwingen", andererseits sei nun die Phase angebrochen, in der es im Hinblick auf das große Ziel geboten sei, andere Saiten aufzuziehen: "Jetzt muss man lernen, sich in das Limit reinzubewegen." Dafür ist Kitzbühel ein guter Platz - bei allem Respekt vor Mausefalle, Steilhang und Hausbergkante.

© SZ vom 19.01.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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