Vor dem EM-Finale:Deutsche Handballer: "Uns kann nichts mehr aufhalten"

Vor dem EM-Finale: Deutsche Handballer: Wollen auch nach dem Finale wieder so jubeln

Deutsche Handballer: Wollen auch nach dem Finale wieder so jubeln

(Foto: AP)

Von Joachim Mölter, Krakau

Egal, wie das Finale der Handball-EM zwischen Deutschland und Spanien am Sonntag (17.30 Uhr, ARD live) endet - José Javier Hombrados wird sich danach fühlen, als stehe er auf der Seite der Sieger. Und das, obwohl er überhaupt nicht mitmacht. Er ist ja auch schon 43.

Spaniens früherer Nationaltorwart - Gewinner eines WM-Titels (2005), zweier EM-Silberplaketten (1996 und 2006) sowie zweier olympischer Bronzemedaillen (1996 und 2008) - hat noch engen Kontakt zu seinen Kollegen in der heimischen Liga, er ist dort nach wie vor aktiv, für BM Guadalajara. Und er hat in der vorigen Saison zudem bei der HSG Wetzlar in der Bundesliga ausgeholfen, daher kennt er den dort beschäftigten deutschen Torhüter Andreas Wolff ebenfalls prima. "Er freut sich ungemein für mich", hat dieser am Samstag stolz erzählt. Wolff betrachtet den Spanier ja als Lehrmeister, "ich habe viel von ihm gelernt, er hat mir viele Tipps gegeben". Und deshalb sei das Finale für Hombrados "eine ideale Konstellation", übermittelt Wolff weiter: "Er sieht es so, dass er gar nicht verlieren kann."

Deutschland hat mit Spanien noch eine Rechnung offen

Irgendeine Mannschaft muss aber verlieren in der Tauron Arena von Krakau, auch wenn sich die Spieler gegenseitig schätzen und respektieren. "Hendrik Pekeler und ich haben uns viel Erfolg gewünscht, als wir uns im Teamhotel getroffen haben", berichtete beispielsweise der Kreisläufer Gedeon Guardiola über seinen Klubkollegen von den Rhein-Neckar Löwen, der am Sonntag auf der anderen Seite stehen wird: "Aber wir wissen auch, dass es auf dem Spielfeld eine andere Welt ist."

Die beiden Teams werden sich nichts schenken, wenn es um den Titel geht und die damit verbundene direkte Olympia-Qualifikation; für die WM 2017 in Frankreich sind beide bereits teilnahmeberechtigt. "Wir haben mit den Spaniern noch eine kleine Rechnung offen", sagt der deutsche Rechtsaußen Tobias Reichmann, eine Anspielung auf das 29:32 beim Vorrundenauftakt, die bislang einzige Niederlage der deutschen Auswahl bei diesem Turnier. Der folgten dann bis zum Finaleinzug sechs Siege.

Kai Häfner saß vor einer Woche noch auf der Couch

Dass die Spanier aufgrund ihrer größeren internationalen Erfahrung als Favoriten für das Finale gelten, stört in der Auswahl des Deutschen Handball-Bundes (DHB) niemanden. "Wir sind in der Underdog-Rolle, die liegt uns ganz gut", findet Bundestrainer Dagur Sigurdsson. Und es ändert ja nichts an dem, was sie sich vorgenommen haben.

"Ein Finale will man gewinnen, egal, wer der Gegner ist, das ist ja nichts Neues", bekräftigt Kai Häfner, der Linkshänder, der für den verletzten Kapitän Steffen Weinhold nachgekommen ist. "Ich kann es wirklich noch nicht fassen", fügte der 26-Jährige hinzu, der im Halbfinale gegen Norwegen das Siegtor zum 34:33 erzielt hatte: "Vor einer Woche saß ich noch auf der Couch, jetzt stehe ich im EM-Finale."

"Wir treten mit breiter Brust auf"

Mal abgesehen vom Staunen über die eigene rasante Entwicklung, bekommt man vom deutschen Team nicht den Eindruck, dass es sich im Grunde um ein junges, unerfahrenes Ensemble handelt: Für 16 der insgesamt 18 eingesetzten Akteure ist es die erste EM, neun waren immerhin schon bei der WM 2015 in Katar dabei. Doch die Siegesserie hat das Selbstbewusstsein gestärkt, selbst bei denen, die erst später dazukamen wie Julius Kühn (für den ebenfalls verletzten Christian Dissinger). "Wir treten mit breiter Brust auf", sagt der 22-Jährige, wie Häfner fünfmaliger Torschütze gegen Norwegen: "Ich denke, jetzt kann uns nichts mehr aufhalten."

Wie man den gewieften Taktiker Sigurdsson kennengelernt hat, werden die DHB-Akteure ein paar Lehren ziehen aus der Auftaktniederlage, als sie durch einen 9:1-Lauf der Spanien in weniger als acht Minuten 11:18 in Rückstand gerieten. "Da müssen wir uns noch mal ankucken, was genau passiert ist", sagt Rückraumspieler Steffen Fäth. Dass sich die Deutschen noch einmal so überrumpeln lassen, erwartet Spaniens Kapitän Victor Tomas nicht, im Gegenteil: "Sie sind gefährlicher als im ersten Spiel. Sie haben durch die vielen Siege ein unheimliches Selbstvertrauen, obwohl sie ohne viele Schlüsselspieler auskommen müssen."

Die Spanier haben sichtlich Respekt vor ihren deutschen Kontrahenten, auch wenn denen ein halbes Dutzend Routiniers fehlt. "Sie kämpfen die ganze Zeit", hat Gedeon Guardiola beobachtet, "auch wenn sie mit drei, vier Toren zurückliegen, kämpfen sie immer weiter." Sein Landsmann Tomas glaubt daher: "Das ist die Mannschaft der Zukunft."

Die Jungen haben als Erste vom Halbfinale gesprochen

Beim DHB glauben sie, dass sie auch die Mannschaft der Gegenwart sind, und daran, dass sie sich in der alten polnischen Königsstadt Krakau zum zweiten Mal nach 2004 zu Europameistern krönen können. Nicht können, widerspricht Julius Kühn: "Werden!"

Es waren auch junge Spieler wie der Linksaußen Rune Dahmke, 22, oder der rechte Rückraumspieler Fabian Wiede, 21, die im Turnierverlauf als Erste voller Überzeugung vom Halbfinale gesprochen haben - eine Perspektive, die viele Außenstehende wegen der ganzen Ausfälle für illusorisch hielten. Nun steht die Mannschaft sogar im Endspiel, und Bob Hanning, Vizepräsident im DHB sowie Manager des Bundesligisten Füchse Berlin, erinnert daran: "Ich habe mit Fabi (Wiede, Anm.) und Dagur noch nie ein Endspiel verloren. Das kann so bleiben"

Wiede hat seit 2009 in jedem Jahr einen Titel gewonnen, erst deutsche Jugendmeisterschaften, dann - unter Sigurdsson als Coach - den DHB-Pokal 2014 und den EHF-Cup sowie die Klub-WM 2015. Die jungen Deutschen bringen also genug Gewinner-Mentalität mit, auch wenn sich einige diese Einstellung erst mal von alten Spaniern abschauen mussten.

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