Süddeutsche Zeitung

Von Nürnberg zu Schalke 04:Teuchert macht es wie Burgstaller

  • Cedric Teuchert wechselt mit sofortiger Wirkung zu Schalke 04.
  • Der 1. FC Nürnberg hätte seinen Stürmer gerne behalten, entschied sich aber für die Ablösesumme.
  • Um Spieler wie Teuchert zu halten, hilft wohl nur der Aufstieg.

Von Markus Schäflein

Michael Köllner, der Trainer des Fußball-Zweitligisten 1. FC Nürnberg, hat seinen Spielern unlängst ein Buch geschenkt: "Der Alchemist" von Paulo Coelho. Das sorgte für großes Aufsehen. Schließlich gilt es, mal abgesehen vom Kicker-Almanach, als ungewöhnlich, wenn Fußballspieler Bücher lesen. In der Geschichte Coelhos geht es um einen Hirten, der von einem Schatz geträumt hat und von Andalusien nach Ägypten reist, da er ihn am Fuße der Pyramiden vermutet. Nach einigen Wirrungen findet er den Schatz aber in seiner Heimat unter einem Maulbeerbaum.

Ob Köllner bei der Wahl der Lektüre besonders an den Stürmer Cedric Teuchert gedacht hat, ließ er offen. Bei dessen Geschichte geht es jedenfalls auch um Träume, und sie begann so: Im vergangenen Winter war der Torjäger des 1. FC Nürnberg, Guido Burgstaller, zum Bundesligisten FC Schalke 04 gewechselt. Das erste Stürmertor nach dessen Weggang erzielte der 20-jährige Cedric Teuchert aus dem oberfränkischen Coburg, der für den 1. FCN spielte, seit er zwölf Jahre alt war.

Nürnberg streicht immerhin eine Million Euro Ablöse ein

"Es war schon als kleines Kind immer mein großer Traum, beim Club zu spielen", erzählte er danach: "In diesem Stadion, vor diesen Fans auflaufen zu dürfen." Und er legte weitere Treffer nach, die die kurzzeitig aufgekommene Abstiegsangst beseitigten. "Teuchert beendet Burgstaller-Fluch", titelte angemessen aufgeregt die Bild, und Nürnbergs Innenverteidiger Georg Margreitter erklärte: "Cedric ist ein Goldjunge. Wir sind sehr dankbar, dass er aus wenig viel macht."

Nun, ein Jahr später, hat sich der Goldjunge verabschiedet - ebenfalls zu Schalke, wo er nun nach Burgstaller und Alessandro Schöpf der dritte Profi mit Nürnberger Vergangenheit ist. Und dem Club bleibt mal wieder die Aufgabe, aus wenig viel zu machen. Nach der kostspieligen Ära des Vorstands Martin Bader haben dessen Nachfolger Michael Meeske (Finanzen) und Andreas Bornemann (Sport) den Rotstift angesetzt, die Kaderkosten deutlich reduziert. Die Nürnberger stehen dennoch aussichtsreich auf dem Aufstiegs-Relegationsplatz, aber Teuchert wollte unbedingt weg, baute Druck auf, verärgerte Köllner - und der Winter bot nun die letzte Chance, für den Nachwuchsstürmer noch eine Ablöse zu erhalten.

Rund eine Million Euro soll der 1. FCN sofort bekommen, im Erfolgsfall könnte durch allerlei Klauseln eine weitere Million dazukommen. "Es ist kein Geheimnis, dass wir Cedric gerne langfristig an uns gebunden hätten. Leider konnten wir uns mit ihm nicht über eine Verlängerung einigen", erklärte Bornemann. "In Abwägung aller wirtschaftlichen Aspekte haben wir dem Wunsch des Spielers entsprochen, ihn jetzt ziehen zu lassen."

Sechs Tore und zwei Vorlagen hat Teuchert in der bisherigen Saison beigesteuert. Im Gegensatz zum Transfer Burgstallers, so hoffen die Nürnberger, ist es keine Personalie, die den kurzfristigen Erfolg gefährdet - der mit Abstand treffsicherste Stürmer Mikael Ishak (12 Tore, fünf Vorlagen) bleibt ja, dazu setzen sie ihre Hoffnungen auf den lange verletzten Sommer-Zugang Adam Zrelak und den Nachwuchsspieler Erik Engelhardt, der in der Regionalliga-U21 auf sich aufmerksam gemacht hat. Und es gibt noch einen Unterschied zum Burgstaller-Abschied: Diesmal erfolgte der Transfer nicht aus akuter wirtschaftlicher Not heraus.

Bornemann hat daher schon betont, dass Teuchert der einzige Winter-Weggang bleiben soll. In Tim Leibold, Kevin Möhwald und Patrick Kammerbauer hat der Club ja noch drei weitere wichtige junge Spieler, deren Verträge im Sommer auslaufen. "Verträge verlängerst du normalerweise ein, zwei Jahre vor Vertragsende. Das fiel aber genau in unsere Konsolidierungsphase", erklärte Bornemann. Eine rechtzeitige Planung mitten im Sparzwang war nicht möglich. Notfalls solle der eine oder andere im Sommer eben ablösefrei gehen: "Wir wollen den positiven weiteren Verlauf der Saison nicht gefährden."

Ein Aufstieg wäre schließlich der beste Weg, um die finanziellen Zwänge loszuwerden - und nicht nur diese. Die Marktgesetze wollen es so, dass ein Zweitligist seine besten Jungen auch dann verliert, wenn er es sich leisten will, sie zu behalten. Das haben die Nürnberger schon beim außerordentlich unschönen Abschied von Abdelhamid Sabiri im Sommer erfahren, der sich zum englischen Erstligisten Huddersfield wegmotzte und dort nun kaum spielt. Er ist zu den Pyramiden gereist und findet nichts. Und zu Hause steht ein Maulbeerbaum.

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SZ vom 04.01.2018/ebc
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