Volvo Ocean Race:"Die kamen wie aus dem Nichts"

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Vorteil dank Küstenroute: Das siegreiche Team Dongfeng (links) mit Skipper Charles Caudrelier setzt sich auf den letzten Metern der Schlussetappe an die Spitze und legt als erstes im Zielort Den Haag an – nach 45 000 Seemeilen. (Foto: Mikkel Berg Pedersen/imago/Ritzau Scanpix)

Trotz des spektakulär knappen Finales erinnert der berühmte Wettbewerb auch 2018 wieder daran, welch gefährliche Veranstaltung die Segelhatz um die Welt ist.

Von Dominik Schelzke, München

Womöglich wird sich Charles Caudrelier sein Leben lang daran erinnern. Es war einer dieser Momente, die herausstechen unter den Qualen, die eine Weltumsegelung mit sich bringen kann. Caudrelier hatte vor dem Rennen ja über genau solche einzigartigen Momente gesprochen, in einem Video: Da hatte er prophezeit, dass sich in 20 Jahren wahrscheinlich alle Mitglieder seiner Crew sehr gerne an diese bestimmte Situation der langen Tour zurückerinnern werden.

Nun ist die längste Regatta der Welt, das Volvo Ocean Race 2018, zu Ende, und Caudreliers Segler behalten wohl den Abend vor der letzten Etappe in Erinnerung. Diese Sekunde in Göteborg, in der Skipper Caudrelier und Navigator Pascal Bidégorry ihnen erklärten, dass sie eine gewagte Route wählten - mit der sie dann das lange Rennen extrem knapp entschieden.

In Erinnerung bleiben wird aber nicht nur das spektakuläre Finale, sondern auch, welche Gefahren das Volvo Ocean Race mit sich bringt. Nach drei Editionen ohne Todesfall ist dieses Jahr wieder ein Segler verunglückt, der Routinier John Fisher. Zudem kam ein Mann auf einem Fischerboot bei einer Kollision ums Leben. Der höchst spannende und unterhaltsame Ausgang der diesjährigen Ausgabe steht also im Kontrast zu seinen Risiken. Das Ocean Race bleibt einer der gefährlichsten Sportveranstaltungen der Welt.

Bei dem Rennen, das rund ein halbes Jahr lang um den Globus führte, haben sieben Schiffe 45 000 Seemeilen (rund 83 000 Kilometer) in elf Teiletappen zurückgelegt. Von Alicante über Kapstadt nach Hongkong, am berüchtigten Kap Hoorn vorbei nach Newport, schließlich zurück nach Europa. Mit Dongfeng, Caudreliers Team, gewann am Sonntag erstmals in der 45 Jahre alten Geschichte der Regatta ein chinesisches Team. So spannend wie in diesem Jahr war es noch nie, am Ende der 45 000 Seemeilen lagen Caudrelier und seine Mitstreiter nur ein paar Bootslängen vorn. Und den Ausschlag dafür gab eine einzige taktische Feinheit.

Während der Rest der Flotte den Weg durch die offene Nordsee wählte, entschied sich Caudreliers Team Dongfeng für den Kurs knapp an der Küste entlang. Zuerst fiel sein Boot weit zurück, doch spätestens beim letzten Marker vor dem Zielhafen in Den Haag konnte jeder mit bloßem Auge sehen: Die roten Segel Dongfengs waren zurück. Nicht nur das, unter Land segelnd hatten sie nun auch die bessere Geschwindigkeit. Damit rauschten sie an der letzten Rundungsmarke und ihren verdutzten Konkurrenten vorbei ins Ziel.

"Die kamen wie aus dem Nichts und haben das Rennen gemacht", sagte AkzoNobels Wachführer Nicolai Sehested. Sein Team war an diesem Tag der Riesenregatta Teil eines Trios mit den Mannschaften Mapfre und Brunel gewesen. Die beiden Letztgenannten und Team Dongfeng konnten vor der finalen Etappe alle noch den Gesamtsieg holen. Selbst auf dem letzten Schlag von Göteborg nach Den Haag sahen sie zeitweise noch wie die Sieger aus - bis wenige Seemeilen vor dem Ziel der gefährlichen Regatta. "Ich weiß nicht, ob ich der beste Skipper bin", sagte Charles Caudrelier später, "aber ich habe das beste Team." Für ihn war es erst die dritte Teilnahme an der Regatta.

Die Mitglieder des Teams Dongfeng reckten nach der Zieleinfahrt ihre Fäuste in den Himmel. Darunter waren auch Carolijn Brouwer und Marie Riou, die mit Justine Mettraux die ersten Frauen sind, die jemals die bekannteste Mannschaftsregatta der Welt gewinnen konnten. Besonders laut bejubelten die Fans Steuerfrau und Trimmerin Brouwer, eine Niederländerin.

Auf einer extrem anspruchsvollen Tour müssen die Segler harte Strapazen über sich ergehen lassen, werden an ihre Grenzen gebracht - es ist auch ein Kampf ums Überleben. In der Vergangenheit wurde das Rennen schon häufig durch tragische Unfälle überschattet, zuletzt war 2006 Hans Horrevoets gestorben. Auf dem Weg von Newport nach Portsmouth wurde sein Boot von einer besonders großen Welle erfasst, der Niederländer ging über Bord. Er konnte zwar geborgen werden, aber alle Wiederbelebungsversuche scheiterten.

Dieses Jahr ereignete sich erneut ein fataler Unfall. Der 47 Jahre alte John Fisher vom Team Sun Hung Kai/Scallywag wurde im März auf der gefährlichen siebten Etappe um das Kap Hoorn von Bord geschleudert und trotz intensiver Suche nicht mehr gefunden. Bei meterhohen Wellen und Sturm kämpfte sich sein Team stundenlang durch den südlichen Ozean, musste aber schließlich aufgeben und sich selbst in Sicherheit bringen.

Zwar ist die Anzahl der Unfälle durch die verbesserten Sicherheitsvorkehrungen gesunken, aber ein gewisses Risiko bleibt. Selbst für Menschen, die nur in die Nähe des Rennens kommen: Auf der vierten Etappe rammte das Segelschiff vom Team Vestas ein Fischerboot und einer der Fischer starb. Der Segler John Fisher hatte sogar einen sogenannten Lifebelt, einen Gurt, der den Segler an das Boot bindet. Diesen hatte er aber gelöst, um etwas an Deck zu richten. Genau da schlug der Großbaum einmal über das Boot und erfasste ihn. Es bleibt fraglich, ob er diesen Moment mit Gurt überlebt hätte, seine Crew ist der Meinung, dass er schon bewusstlos war, bevor er ins Wasser fiel.

Der aktuelle Vorfall führte beim Rest des Teilnehmerfeldes zu großer Bestürzung, viele kannten und schätzten Fisher. Sein Skipper und guter Freund David Witt sagte im Ziel: "Ich habe sehr gemischte Gefühle." Er sei logischerweise wahnsinnig stolz auf sein Team und froh, das Rennen in Den Haag beendet zu haben: "Aber ich bin natürlich auch sehr traurig. Ich konnte es nicht mit meinem besten Freund beenden." Dominik Schelzke

© SZ vom 27.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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