Süddeutsche Zeitung

Volleyballerinnen:Power auf  Außen

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Eigentlich hat man es ihr noch nicht zugetraut, und dennoch prägt Hanna Orthmann gerade das Angriffsspiel beim Olympia-Qualifikationsturnier.

Von Sebastian Winter, Apeldoorn/München

Es gibt Spiele, die eine Mannschaft formen, die ihr so viel Sicherheit und Selbstbewusstsein geben, dass sie damit durchs ganze Turnier getragen wird. Der 3:1 (33:31, 26:24, 24:26, 25:19)-Erfolg der deutschen Volleyballerinnen in Apeldoorn gegen Belgien vom Mittwoch hat viele Aspekte eines solchen Spiels: Drei Sätze gingen in die Verlängerung, zwei davon gewann die DVV-Auswahl nervenstark, außerdem die wichtigen, umkämpften Ballwechsel - und am Ende das auch mental anstrengende Duell. Die folgende Pause sehnten dann alle herbei, auch der Bundestrainer: "Wir werden den Donnerstag als Ruhetag nutzen und auch brauchen. Es war ein unglaublich intensives Spiel", sagte Felix Koslowski.

Der Erholungstag birgt nun schöne Aussichten. Denn durch den Sieg gegen Belgien und den überraschenden Auftakterfolg gegen den EM-Zweiten Türkei hat die DVV-Auswahl im Olympia-Qualifikationsturnier in den Niederlanden das Halbfinale schon vor dem letzten Gruppenspiel gegen Kroatien am Freitag (13.30 Uhr) sicher erreicht. Der Einzug in die Runde der letzten Vier ist zugleich allenfalls das Zwischenziel. Denn nur der Sieger des Achterturniers in den Niederlanden erhält das Ticket für Tokio. Die Sehnsucht sei groß, wieder bei Olympischen Spielen anzutreten, hatte Koslowski vor dem Turnierstart gesagt. Auch weil weder er selbst noch seine Spielerinnen dieses Erlebnis je hatten. 2004 in Athen waren die deutschen Frauen zum letzten Mal dabei.

Hanna Orthmann war damals gerade fünf Jahre alt. In Apeldoorn steht die inzwischen 21-Jährige stellvertretend für den erfolgreich bewältigten Generationenwechsel im deutschen Kader. Gegen die Türkei und Belgien erzielte Orthmann insgesamt 48 Punkte. Sie war nach den Mittwochsspielen damit drittbeste Punktesammlerin des Turniers, hinter der deutschen Hauptangreiferin Louisa Lippmann (52) und der Belgierin Britt Herbots (53). "Wenn man sich die anderen Nationen anschaut, dann sieht man, dass die zweite Außenposition immer auch von einem Powerhitter besetzt ist, der dazu da ist, die Bälle tot zu machen", sagte Lippmann, die ihre Teamkollegin lobte: "Hanna ist extrem gefährlich für den Gegner." Gegen Belgien schlug Orthmann - wie auch Camilla Weitzel und Zuspielerin Denise Hanke - außerdem drei Asse: Die Aufschläge der Deutschen waren neben den Angriffen, der starken Annahme und den fünf Blocks der erst 19 Jahre alten Weitzel ein Schlüssel für den Sieg vor 2103 Zuschauern in Apeldoorn.

Orthmann trägt bislang neben Lippmann den deutschen Angriff, das Duo erzielte etwa die Hälfte der deutschen Punkte. Von Lippmann war das fast schon erwartet worden, denn die Herforderin, die seit dieser Saison in Shanghai Klubvolleyball spielt, ist zur entscheidenden Figur im Angriffsspiel gereift. Hanna Orthmann hingegen war diese Rolle noch nicht unbedingt zuzutrauen, zumal sie die Europameisterschaft im Herbst noch verletzt verpasst hatte und erst nach Weihnachten bei der Turniervorbereitung wieder zur Mannschaft stieß. Erfahrung hat die 1,88 Meter große Außenangreiferin, die auch ein enormer Stabilitätsanker in der Annahme ist, aber schon genug gesammelt, trotz ihres jungen Alters.

Im Sommer 2016 debütierte Orthmann als 17-Jährige im Nationalteam, in einer Zeit, in der nach der gescheiterten Olympia-Qualifikation für Rio viele erfahrene Profis zurücktraten. Koslowski nahm Orthmann mit nach China zum Grand Prix, einem der wichtigsten Frauenturniere überhaupt. Sie überzeugte den Bundestrainer mit ihrer Athletik und Schlaggewalt, die den Deutschen oft fehlt. Und mit ihrer Sicherheit in der Annahme. Ein Jahr später wechselte Orthmann vom Erstligisten Münster nach Italien, zu Pallavolo Monza. Ihre Wettkampfhärte ist seither weiter gewachsen. Das will sie beibehalten, im Halbfinale und dem möglichen Finale an diesem Wochenende in Apeldoorn.

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SZ vom 10.01.2020
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